Samstag, 4. Oktober 2014
H und N im Dunkeln
wir schenken uns ja immer entweder etwas, was man nicht kaufen kann (sonst hätte man es ja gekauft, hätte man es haben wollen), oder erlebnisse, die man zwar kaufen kann, es aber ja alleine nicht tun würde. also schenkte frau n. mir neulich ein abendessen in einem dunkelrestaurant. ich hatte das von ca. 10 jahren schon mal geschenkt bekommen, allerdings aus unerklärlichen grunden nie eingelöst. also ergriff ich dieses mal die chance. und wann kann man als düsseldorfer schon mal sagen, dass man zum ausgehen nach mönchengladbach geht?

ich hatte mir das ja so vorgestellt, dass ich mir aussuchen kann, was ich essen möchte, und dann esse ich das blind. so war es aber nicht. ich nehme vorweg: es war sicherlich ein sehr memorabler abend, und ich bin sehr froh, dass ich das mal gemacht habe, aber alles in allem war das vielleicht das schlimmste dinner meines lebens. um das besser einordnen zu können, müssen sie zwei dinge über mich wissen:

1) ich komme aus einer sehr schreckhaften und im schreck auch gewalttätigen familie. meine mutter, eine eigentlich gänzlich unaggressive person, ist mit mir zb vor 30 jahren in einer geisterbahn gefahren, in der alle gestalten animierte puppen waren, alle bis auf eine, nämlich das letzte gespenst am ausgang, welches meiner mutter die hand auf die schulter legte und BUH rief, woraufhin meine mutter schrie und es folgerichtig zusammenschlug.

2) ich habe ein in teilen sehr gestörtes verhältnis zu essen, was ich auf schlechte pädagogik im kindergarten zurückführe. es war nämlich so, dass ich mit 3 oder 4 keine tomaten mochte, und das ist angesichts des schleimigen inneren ja erstmal nicht so außergewöhnlich. im kindergarten war dann eine art dunkeldinner-light, wobei kinder die augen verbunden bekamen und dinge erschmecken mussten. ich teilte der kindergärtnerin aufgeregt mit, dass ich gar keine tomaten mag und dass ich auch keine tomaten probieren möchte, sie versprach, dass das nicht passieren wird, und schon hatte ich blind die tomate im mund, weil die hammerpädagogin sich vermutlich dachte, dann könnte ich einfach mal sehen, wie geil tomaten schmecken und dass ich mich ja nur anstelle und dass tomaten eigentlich mein lieblingsessen sind. unterm strich ist dabei rausgekommen, dass ich 35 jahre später noch immer keine einzige tomate im mund hatte, und darüberhinaus empfinde ich einen rational nicht zu erklärenden ekel verschiedenen lebensmitteln gegenüber. tomate natürlich, die geht aber geschmacklich eigentlich ganz gut, sie darf nur nicht die form wie im kindergarten haben, wenn sie in meinen mund geht. wobei ich vermutlich sterben müsste ist gewürzgurke. ich vermeide auf dem markt den gang, in dem das gurkenfass steht, weil ich sonst nahe daran bin, mich zu übergeben. gurken sind schlimm. ich kann auch kein essen zu mir nehmen, das sich in der nähe von gurken aufgehalten hat. sie können sich vorstellen, wie froh ich bin, dass 2014 ist und nicht mehr jedes einzelne essen auf der welt mit einem "gürkchen", wie manche es liebevoll nennen, garniert werden muss. senf, remoulade, mayonnaise, all diese dinge erinnern mich ein körperproduzierte dinge und lösen beim anblick fast brechreiz aus, im mund lassen sie mich jegliche fassung und gutes benehmen verlieren. geht. alles. nicht. (und ja, ich weiß, dass das vielleicht übertrieben sein mag, und es hat auch mit einem stumpfen "mag ich nicht" gar nichts zu tun. ich ekele mich vor senf genauso, wie ich mich vor fremden eitere ekeln würde.)

so. die bühne ist bereitet. wir gingen also ins dunkelrestaurant.

und da ich jetzt müde bin, schreibe ich den zweiten akt morgen. oder vielleicht übernimmt frau n.

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