Sonntag, 25. Januar 2015
Mediziner sind das neue Akademikerproletariat
aber dazu kommen wir später.

heute waren wir nämlich wieder zum kaffee bei den betagten nachbarn eingeladen. sie sind 93, wohnen noch allein in ihrem haus, welches er (architekt) 1962 selbst entworfen und gebaut hat, sind an sich - zumindest für ihr alter - noch sehr rüstig, und sind die sorte mensch, die mit 93 noch täglich eine blaue, gestärkte eternabluse/-hemd anziehen. in unserer straße stehen 5 häuser, alle bewohner haben selbst in den 60ern gebaut, alle sind mehr oder weniger voneinander entfremdet, nur uns haben alle lieb. seit wir immer brav das unkraut vorm haus entfernen.

wie es genau kam von wir-grüßen-uns-zögernd zu ich-drücke-sie-an-mein-herz wissen wir nicht mehr, aber seit einiger zeit laden wir uns gegenseitig zum kaffee ein. die geschichten sind zwar immer ein wenig die gleichen, aber sie sind auch immer gut. die ersten kinder kriegten sie, als meine eltern noch nicht einmal geboren waren, und das ist ja noch einmal eine ganz andere perspektive.

was noch erwähnt werden muss ist die seltsame anatomie unserer straße, die dazu führt, dass die nachbarn um 5 ecken wohnen und deren garten sich quasi auf einem anderen erdteil befinden als der eigene.

wir kamen also um halb 4, setzten uns ins esszimmer und bekamen wieder die sitzordnung erklärt: gäste vor die schrankwand, frau links, mann rechts, gastgeber gegenüber, frau rechts, mann links, kind vor kopf, wegen der zukunft. wir aßen kuchen und tranken kaffee mit sahne, irgendwann wurde vorgeschlagen, in den wohnbereich umzuziehen. das ist in unserem umfeld gar kein konzept bei uns passiert immer alles am tisch, seit wir die hocker an der kochinsel haben, wird teilweise sogar direkt da gegessen. aber wenn 93jährige vorschlagen, auf die couch zu gehen, geht man natürlich mit, wer weiß, was mit deren hüften gerade passiert.

wir zogen also um, und dann sahen wir es. auf der fensterbank des gartenfensters saßen oskar und frida, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, sie guckten angewidert. drei stunden lang. drei stunden lang saßen wir auf den sofa, während unsere katzen mit einem ausdruck äußerster missachtung durch das fenster guckten und wirkten, als würden sie innerlich den monolog üben, in dem sie uns mitteilen, dass sie AUF KEINEN FALL umziehen würden. und das erfüllte mich ein bisschen mit stolz.

sie müssen nämlich wissen, dass unsere katzen zwar die besten und wohl auch allerliebsten katzen der welt sind, sie sind nur einfach, naja, strohdoof. ich empfinde das als großen vorteil, hatte ich doch mal eine schlaue katze, und das ist auch keinem mit geholfen, und schneller als man gucken kann, hat man die türgriffe hochkant ummontiert. dass die uns also gefunden haben! außerhalb ihres normalen reviers. und dass die uns überhaupt erkannt haben.

jetzt werden die katzenmenschen unter ihnen sagen: "wie kann die alte denn so gemein von ihren katzen sprechen. das sind lebewesen, die haben respekt verdient!", und ich gebe ihnen recht, ja, haben sie und ja, kriegen sie, ich respektiere sie zutiefst dafür, dass sie ja die liebsten katzen der welt sind und so furchtbar unkompliziert. aber ich habe noch kein einziges mal in den 6 monaten bei uns gedacht "huch, das war aber schlau." manchmal möchten sie über zusammenhänge nachdenken, zb zwischen geschehnis und geräusch, aber nach ein paar sekunden geben sie auf, legen sich hin und schlafen. ich mag sie dafür. wer sich nix ausdenken kann, kann auch keinen scheiß machen. und oskar, den ich ja immer für den schlaueren der beiden hielt, saß zwischen dem 6. und dem 12. dezember auf seinem platz auf der fensterbank und guckte gegen die nikolaussocke, die ich unachtsam genau in gesichtshöhe gehängt hatte. er hätte natürlich auch 10 cm nach rechts oder links rutschen können, dann hätte er wieder den eichhörnchen zugucken können, aber so viel spontanität und flexibilität legt er nicht an den tag. da sitzt er doch lieber mit der nase vor der socke und guckt den ganzen tag davor.

aber zurück zum kaffeetrinken. dort erfuhren wir nämlich gegen ende noch, warum sich die nachbarn mit den anderen, deutlich jüngeren nachbarn (85) nicht so grün sind. als der sohn der ganz alten nachbarn nämlich damals sein medizinstudium abschloss, sagte die fast ganz alte nachbarin folgenden satz, über den ich noch immer lache: "mediziner sind das neue akademikerproletariat."

so war das also früher.

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: )

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Ein wunderbarer Killersatz.

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Müsste das nicht weit vor Seehofer gewesen sein? Insofern weitsichtig oder unplausibel.

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