Freitag, 7. Juni 2013
Nicht-Tagebuchbloggen: 26
und jetzt: kultur.

heute war ich bei einem berühmten düsseldorfer künstler, um schicke 60er-jahre gläser mit platinrand vor dem tod zu retten. und jetzt bin ich ja mal- und salzteigtechnisch unbewandert, doch musik und architektur zählen durchaus zu meinen kerninteressen. musik mehr als architektur, denn bei letzterem habe ich einen sehr spezifischen fokus: mich interessieren eigentlich ausschließlich bauhaus-bauten aus der 1. hälfte des 20. jahrhunderts. besser ist es sogar noch, wenn hinter dem architekten und/oder den auftraggebern noch eine gute geschichte steht.

ca. 1 jahr meines lebens habe ich damit verbracht, das rietveld-schröderhaus in utrecht auswendig zu lernen. von außen interessant, von innen mit allen annehmlichkeiten, die sich wohl nur eine finanziell sorgenfreie alleinerziehende mutter ausdenken kann, steht es da als steingewordenes mondriaan-bild (so kam ich heute bei pommes mit dem künstler drauf). doch auch die geschichte dahinter ist interessant. truus schröder, reich verheiratete mutter von 3 kindern, wird witwe und will aus der nobelvilla raus in ein kleines häuschen für sich und die kinder. den möbelbauer gerrit rietveld kennt sie flüchtig und bittet ihn, ein haus für sie zu entwerfen. (das gäbe es ja heute auch nicht mehr: sie apothekerin, er möbeldesigner, und dann bauen sie halt ein haus zusammen. später wird man es so darstellen, als sei sie innenarchitektin und er, ähm, außenarchitekt, aber das ist quatsch.)

vor einigen jahren gab es eine dokumentation über das ewige ringen der beiden, die unterwegs neben rietvelds frau und 6 kinder auch ein liebespaar geworden sind, über die allerkleinsten details in der konzeption des hauses. und das ist es vermutlich, was mich an schlichten architektenhäusern so fasziniert: stellen sie sich mal vor, sie wohnten in einem haus, in dem bis in den allerletzten winkel über jedes noch so klein schräubchen nachgedacht worden wäre. nix standard, sondern alles so, dass es toll ist. oder praktisch. im falle des rietveld-schröderhauses stand praktisch im vordergrund. und rietvelds feste überzeugung, dass man im leben nix umsonst bekommt, auch keinen wohncomfort. man sollte sich das haus erarbeiten. sie wollen ins bett? gut, dann schieben sie doch bitte die wand vor. einer seiner berühmtesten sätze lautet: "zitten is een werkwoord." leider funktioniert das in deutscher übersetzung nicht, aber ich erkläre es gerne: das nl. wort für "verb" ist "werkwoord", arbeitswort. also lautet der satz "sitzen ist ein verb/arbeitswort". natürlich ist sitzen ein verb, aber man muss sich das sitzen auch erarbeiten, zb auf dem rot-blauen stuhl, auf dem sitzen wirklich nur eine sehr kurze zeit entspannend ist. (in meinem wohnzimmer steht das buch "rietveld meubels om zelf te maken", rietveldmöbel zum selbermachen. wenn ich in rente gehe, hole ich den fuchsschwanz raus.) ich habe übrigens onas schwangerschaft IM rietveld-schröderhaus bemerkt. noch nicht richtig zugeordnet, aber immerhin aufmerksam geworden. ich war nämlich mit dem mann und zwei kollegen vermeintlich unschwanger in dem theaterstück mit dem titel "zitten is een werkwoord", welches im haus stattfand, und während der kompletten 2 stunden habe ich vor rührung geheult. leute fanden mich und meine schnieferei unangemessen, doch was sollte ich machen? das haus, der mann, die frau, die welt, das war alles sehr rührend. als ich dann nach dem nervenzusammenbruch (wieder vor rührung) während der russischen nationalhymne vor dem fussballspiel mal überprüfte, ob die hormonelle unstimmigkeit vielleicht bislang unbemerkte ursachen haben könnte und sich das dann ja sogar bewahrheitete, war ich recht froh, nicht zu verweichlicht zu sein für ein theaterstück über ein haus, nicht über tote delfinbabys oder ähnliches.

doch was wollte ich eigentlich sagen? vor einer woche lief in deutschen kinos ein dokumentarfilm über das haus tugendhat von mies van der rohe an. wahnsinnshaus, interessante geschichte. die geschichte von mies van der rohes farnsworth house liegt ja mehr auf meiner schiene, da es wenigstens eine liebesgeschichte zwischen bauherrin und architekten gab, die aber, ähnlich wie das verhältnis zwischen haus und besitzerin, böse endete, aber wenn man sich schon 120 minuten über ein neues haus angucken will, dann vermutlich eher tugendhat.

und wie das so ist mit solchen filmen für die breite masse: läuft wahrscheinlich nur irgendwo in berlin, aber da bin ich ja nicht, und hier in köln. dass da jemand mit mir hingehen wollen würde, halte ich für ausgeschlossen. und alleine nach köln, um da mittags um 17.45h in irgendeinem programmkino... doch, vielleicht bin ich verzweifelt genug.

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