Sonntag, 15. Dezember 2013
Nicht-Tagebuchbloggen: 99
würde ich jetzt mit frau n. telefonieren, würde ich das gespräch eröffnen mit dem satz: "ich möchte mit ihnen über gott sprechen."

das letzte mal in der kirche waren wir anlässlich unseres heirat/tauf-ereignisses. und - ich habe soeben mal in meinen ring geguckt - das war ja nun auch schon wieder 2011. unser verhältnis zu gott ist wie folgt: der mann weiß nicht so genau, aber das ist ja seine position zu sehr vielen themen des alltäglichen lebens. das kind hat eine sehr konkrete beziehung zu gott. genaugenommen ist er sehr beeindruckt von der tatsache, dass, und ich zitiere, "gott die ganze welt kaputtschlagen kann, aber das macht der nicht, der ist nämlich lieb, so wie ein superheld." die sache mit gott als spirituelles wesen ist ihm noch nicht so klar, denkt er doch, man könne gott anrufen, wenn man zb sein laufrad in der abgeschlossenen kirche vergessen hat. alles in allem findet ona gott echt okay, wir sind halt evangelisch. ich hingegen bin ja wissenschaftlerin. meine arbeit besteht in erster linie aus dem suchen von abgegrenzten problemstellungen, die zwingend so formuliert sein müssen, dass sie beantwortbar sind, sonst hätte ich ja nix zu forschen. fragestellungen, die nicht beantwortbar sind, sind per definitionem für mich nicht interessant. dazu gehören dinge wie "werde ich im alter mit der rente auskommen", "wäre deutschland ein besserer ort, wenn ich bundesbildungsministerIn wäre" und "gibt es gott". verstehen sie mich nicht falsch, ich bin nicht ungläubig, ich bin lediglich uninteressiert. die (evangelische) kirche als institution finde ich auch okay, meine jugend mit birkenstocks und wandergitarre im kindergottesdienst im dorf fand ich durchaus sogar gut. im großen und ganzen sind die kernaussagen ja auch mit menschlicher logik sehr gut nachvollziehbar, und wenn ona einst auf eine protestantische segelfreizeit fahren möchte, packe ich direkt seinen koffer. sie verstehen, die uns zugeordnete denomination kann ich sehr gut vertreten, die ganze geschichte mit gott allerdings finde ich uninteressant.

trotzdem wollte ich ja, dass das kind getauft wird und hin und wieder einen kindergottesdienst sieht, vielleicht eher aus kulturellen als aus religiösen beweggründen. jetzt hatten wir den kirchgang 2012 ja verpasst, also schlug der mann vor, wir könnten doch heute mal im nachbardorf in den kindergartengottesdienst gehen. ich fasse mich kurz: das kind wollte unbedingt auch in der ersten reihe bei den anderen, ihm gänzlich unbekannten kindern sitzen, dann kamen diverse gesangseinlagen und krippenspieldinge, für die die kinder alle nach vorne mussten, doch ona blieb felsenfest sitzen und verteidigte seinen platz. dann diskutierte er kurz mit einer erzieherin darüber, dass er auch gerne mit dem chor nach vorne wolle, die argumentierte, dass das aber nur die kindergartenkinder dürften, ona argumentierte zurück, dass er ja schließlich auch ein kindergartenkind sei, und schwupps, schon stand mein kind mit den ganzen blonden mädchen vorne am altar und bewegte seine lippen zu einem ihm gänzlich unbekannten lied so gut, dass florian silbereisen* bei ihm noch was lernen könnte.

aber das wollte ich gar nicht erzählen. es ist nämlich so, dass ich so eine art gottesdienst-fehlfunktion habe. ich kann es mir nicht erklären, aber setzen sie mich in eine kirche der allerhässlichsten protestantischen 70er-jahre-architektur und stellen sie eine pfarrerin mit asymmetrischer frisur vorne hin, die uns von dem gott mit artikel erzählt, und ich bin in sekunden zu tränen gerührt. so natürlich auch heute. fast 2 stunden habe ich geheult, am stück, 2 packungen taschentücher, mehrere alte damen, die besorgt in meine richtung guckten, hätte ich doch sicher gerade einen lieben menschen verloren, beim abschließenden segen ein so lauter schluchzer, dass die ganze kirche das hören konnte, neben mir ein co-gerührter mann, der immer wieder unterstützend seine hand auf mein knie legte, und dann mit dickgeschwollenen augen noch geld in die kollekte und raus, bevor ich noch vom seelsorger abgefangen werde.

ich will das fass gar nicht aufmachen. die präsenz von gott wird es nicht sein, die erleichterung, dass ich endlich mal wieder gesegnet werde, wohl auch nicht. ich weiß nicht, was es ist. ich heule in gottesdiensten.

*bitte unbedingt nur dann anklicken, wenn sie nicht zu zartbesaitet sind. und die tatsache, dass ich das video überhaupt kenne, sagt einiges über die mutterrolle an sich.

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