Sonntag, 16. Januar 2022
Closet
Wenn Sie sich fragen, warum ich heute schon wieder über die Situation in meinem Schlafzimmer schreibe und es zudem immer nur um Bettwäsche oder Mobiliar geht, ob ich denn wohl keine anderen Probleme hätte, kann ich an der Stelle sagen: Nein. Ich habe heute keine anderen Probleme, und das ist ja erst mal sehr gut. Ich für meinen Teil bin damit sehr zufrieden. Andere Leute sprechen ja auch die ganze Zeit über vollkommen belanglose und uninteressante Dinge, zum Beispiel, ob irgendjemand in irgendein Land einreisen darf, um da irgendeinen Sport zu machen. Ich sage Ihnen, wie ich mich dem Thema nähere: Man darf in das Land nur geimpft einreisen, wenn man nicht geimpft ist, darf man nicht einreisen, mehr muss ich nicht wissen und mehr interessiert mich auch nicht. Gestern versuchte Herr H. kurz, das Thema bei mir zu platzieren, und meine Reaktion war unangemessen laut. Es gibt so viele Probleme in der Welt, ob irgendein Multimillionär seinem Sport nachgehen darf oder nicht, rangiert für mich weit unter der Relevanzschwelle, bei der ich zuhören möchte.

Viel relevanter für mein Leben zum Beispiel ist ja, dass ich das Projekt Bettwäsche ja erfolgreich abgeschlossen habe, und noch immer freue ich mich drastisch über die neuen Möbel im Wohnzimmer, die Form und Funktion in meinen Augen perfekt kombinieren und die mein Leben auf eine erstaunliche Art und Weise verändert haben. Allein die Anwesenheit eines Sofas führt dazu, dass immer alle darauf sitzen, und die Anwesenheit von über 20 Schubladen und einem Vielfachen an abgeschlossenen Schrankfächern führt dazu, dass grundsätzlich überhaupt nie mehr aufgeräumt werden muss, da ja immer einfach alles wieder sofort an seinen Platz sortiert wird. Nun gut, von mir, da ich aber ja immer da bin, fällt das zeitlich nicht ins Gewicht. Fällt also zum Beispiel der Satz - soeben passiert - "die Nachbarn kommen um 7 und fragten, ob es Abendessen gibt" führt zu exakt gar keiner Reaktion, es muss ja nichts gemacht werden. Das ist sehr schön.

Abgesehen von der Bettwäsche ist mein Schlafzimmer derzeit ein uneingeschränkt trauriger Ort. Als ich vor 6 Jahren die Grundrisse für Schlafzimmer/Kinderzimmer/Bad plante, war der Gedanke, dass so ein Kind in seinem Kinderzimmer wohnt, die Mutter in ihrem Schlafzimmer nur schläft, und da es Fenster zu verteilen gab, kriegte das Kind 2, die Mutter 1, was zu einem sehr schlechten Zuschnitt im Schlafzimmer führte. Und - Sie hatten das System schon verstanden - ich hatte noch Sachen aus dem Studium übrig, die erstmal dort geparkt wurden, mit dem 2015 fest vorgenommenen Vorsatz: Über die Möbel mach ich mir mal Gedanken, das kann ja so nicht bleiben. Der Raum ist verwinkelt und klein, dafür sehr hoch, darin stehen zwei wirklich nicht mehr schöngefundene Kommoden aus Schweden, die ganz hervorragend noch schlimmere Möbel im Wintergarten ersetzen könnten und ein schlimmer Kleiderschrank, ebenfalls aus Schweden, mit schlimmen Glasschiebetüren. Ich hasse alles daran, insbesondere das Sarg-Gefühl, wenn man im Bett liegt und weiß, dass man im Falle eines Erdbebens vermutlich tot sein wird, da der Schrank... egal, schlimm.

Kleiderschrank ist so eine Sache, die, ähnlich wie Sofa, nie für mich passt, wenn sie im Laden steht. Ich habe in 30 Jahren Kleiderschrankerfahrung über mich gelernt, dass ich einerseits einen sehr ausgeprägten Hang zu Struktur und Ordnung habe, es andererseits an keiner Stelle geschafft habe, mit verschiedenen Ordnungsvarianten die Übersicht über verschiedene Themengebiete zu behalten. Mein Schrank ist 60 tief, und das ist absoluter Unsinn. Ich brauche keine 60 tief. Ich falte meine Pullover sehr ordentlich, und was ich dann brauche, ist quasi ein quadratisches Fach, in das genau ein Stapel Pullover passt. Von diesen Fächern brauche ich allerdings viele, ich habe nämlich Kohorten. Wollpullis Ringel, Wollpullis schwarz, Wollpullis High End, das sind schon 3 identische Fächer. Die Kohorten zu vermischen ist mir nicht recht. Gleiches System für Longsleeves. Jeans blau, Jeans schwarz, Jeans für gut. Sind schon 9. Dann T-Shirts. Und diverse andere Dinge. Ich brauche viele Fächer und zwei Kleiderstangen für Blusen. Eventuell noch eine für Kleider. Und viele Schubladen, meine Unterbekleidung unterliegt natürlich auch einem sehr kleinteiligen System.

Darüberhinaus möchte ich in diesem kleinen, verwinkelten, absurd hohen Raum kein Möbel mehr über meiner Sichtachse, und schon gar keins mehr, das 60 tief ist. Ich kürze ab.

Ich hatte die Idee, einfach ein halbes Wohnzimmerregal zu kaufen und das einfach mithilfe einer improvisierten Kleiderstange zum Schrank umzufunktionieren. Und das mache ich jetzt. Zwei Tage lang habe ich Kleidungsstücke vermessen, Pullistapel ins Wohnzimmer gebracht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viele Fächer ich brauchte und ob mit meiner üblichen Falttechnik die Tür zu geht, habe Wäsche sortiert um zu gucken, ob ich mit 12 oder doch lieber mit 16 Schubladen (zu Lasten eines guten Laufweges) rechnen sollte, habe die alte Kommode vermessen um zu berechnen, ob ich für eine Kommode, das ist der Ort, wo ich Wäsche falte, Füße oder keine Füße brauche, um mich nicht bücken zu müssen, da ich natürlich auch in diesem Fall wieder nur für die Ewigkeit kaufe, und in der Ewigkeit kann ich mich eventuell nicht mehr gut bücken, habe Kleiderbügel in das Wohnzimmerregal gehalten um zu gucken, wie breit die maximal sein dürfen, um nicht abgestoßene Ecken an der Kleidung zu riskieren UND habe meine längste Seidenbluse vermessen, und raus kam exakt eine einzige allerbeste Lösung:

"Schrank", 1,57 hoch, 4,21 lang, 47 tief



Kommode, 91 hoch zum Falten



Und ein Nachttisch auf sehr hübschen Rollen, den ich exakt jetzt zwar schon so habe, aber in hässlich und beschädigt



In 9 Wochen werden die Sachen geliefert, zusammenbauen wird irgendjemand selber, und dann ist das Thema auch durch. Dann liegt es alles nicht mehr an den äußeren Umständen. Wenn ich dann noch nicht schlafen könnte, läge es wohl an mir.

(Und wenn Sie noch immer keine Aktien des Unternehmens kaufen, sind Sie langsam wirklich selber schuld. Offensichtlich habe ich komplett die Kontrolle verloren.)

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Samstag, 15. Januar 2022
Iron Man
Es ist vollbracht. Nein, ich habe noch nicht mein Auto abgeholt, ich glaube, ich mache das auch einfach nicht mehr, das kommt mir nämlich ungelegen, aber ich habe mein Bett bezogen. Und heute Nacht werde ich testen, ob ich noch weitere Ruheminuten herauskitzeln kann. Die Bestellung neuer Bettwäsche und die Benutzung des ersten Sets führte bereits dazu, dass ich mich aufs Schlafengehen freute und direkt gar nicht zwischen 2 und 5 Uhr morgens alternativ nachgedacht oder Candy Crush gespielt habe. Ich habe einfach geschlafen. Gestern kam dann noch mehr Bettwäsche, ich hatte ja die von 2012 für mich als aussortiert erklärt, ich brauche frischen Wind, und dann blabla, hatte ich heute den Wunsch, die inzwischen trockene Bettwäsche zu bügeln. Ich stellte mir vor, wie - und ja, Leinen knittert edel, my ass, ich habe alles Leinen an Damenoberbekleidung aussortiert, knittrig ist knittrig, ich steh ja nicht vorm Kunden und der sagt: "Oh, Frau Herzbruch, das ist eine sehr edle Falte vom Anschnallgurt" - ich mich abends in so ein duftendes, gebügeltes Bett lege, und schon hatte ich noch eine weitere Stunde Schlaf herausgearbeitet. Also bügelte ich die Bettwäsche. Und während ich damit begann, fiel mir auf, dass ich ganz genau weiß, wie man Bettwäsche bügelt, ich habe nämlich meine Bettwäsche in meinem Elternhaus in den letzten Jahren selber gebügelt, das hatte ich vergessen. Als ich klein war, brachte meine Mutter alles in die Mangel, ich erinnere mich gut an sie und mich in der Waschküche, sie hatte einen orangen Wäschekorb und so eine Instant-Zitrone mit Wasser drin, dann haben wir die Bezüge erst gereckt, dann hat sie sie mit der Zitrone besprenkelt und gefaltet, und dann kamen sie ein paar Tage später glatt aus der Mangel zurück. Dann verschwand die Mangel, die Dame war auch 200 Jahre alt, und ab dem Moment bügelte meine Mutter die Bettwäsche. Ich komme aus einem Haushalt, wo halt Sachen gebügelt wurden, sogar Geschirrtücher.

Während ich also bügelte, wusste ich direkt wieder, wie man am allereffizientesten einen Bettdeckenbezug bügelt, ohne irgendeinen Strich zuviel machen zu müssen. Was in dem heutigen Szenario anders war als 1990: Sollte ich das noch mal machen wollen, muss ich vorher unter dem Bügelbrett saugen, sonst hat man reinweißes Leinen mit tiefschwarzem Hundehaar, das ist nicht schön. Es waren nur sehr wenige Haare, gestern war gesaugt worden, aber wenn man schon bügelt, dann soll es ja auch perfekt sein.

Neben der Bettwäsche bügelte ich noch Stoffservietten, und das kam so: Ich lebe ja seit 15 Jahren in einer häuslichen Situation, in der etwa die Hälfte des Tages die Ökobilanzen von irgendetwas ausgerechnet werden, und so habe ich mir bestimmte Denkmuster angeeignet. Da ich gut erzogen bin, erwarte ich beim Essen den Gebrauch einer Serviette, für den täglichen Gebrauch zur Not auch ein Stück Küchenkrepp, alles, was nicht der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden kann, wird hier allerdings skeptisch gesehen. Also gab es dann Küchenrolle mit halben Blättern, das sah ich wiederum skeptisch, dann kamen Stoffservietten ins Gespräch. Da ich aber sofort ins Feld bringen konnte, dass man die dann separat waschen müsste (heißer als üblich, und ich würde immer helle nehmen, da ich ein Gefühl von Sauberkeit auch optisch brauche an der Stelle), war die Ökobilanz direkt wieder schlecht. Als ich aber weiße Bettwäsche bestellte, war die Rechnung einfach: Ich benutze jetzt einfach die Stoffservietten, da eh regelmäßig eine Maschine weiß ordentlich gewaschen werden muss, da fallen die Servietten nicht mehr auf, Ökobilanz also top (und wir sprechen jetzt nicht über die Produktionskette, danke!), also wusch ich weiße und hellrosa Stoffservietten und bügelte die direkt mit. Wenn ich jetzt schon die Solaranlage auf dem Küchendach hätte, müssten wir an dem Punkt auch nicht weiterrechnen. Egal. Jedenfalls bügelte ich also Bettwäsche und 12 Stoffservietten, weil das im Prinzip alles gut durchdacht ist und ökologisch okay und ja auch durchaus alles hübsch. Aber.

Ich hatte intrapandemisch vergessen, WIE SCHEISSE Bügeln ist. Die ersten zwei Kissenbezüge waren okay, besser noch, ich war hoch euphorisch, und dann verlor ich die Lust. Meine größte Angst zu diesem Zeitpunkt ist, dass der Rest der Familie jetzt denkt "super, wir sind jetzt Menschen, die immer gebügelte Stoffservietten haben" und, dass es im Düsseldorfer Norden keine Heißmangel gibt, weil es halt 2022 ist und eh alle Leute Seersucker (argh) oder Microfaser (aaaargh) kaufen. Dann weiß ich auch nicht mehr. Denn: Ich bügel das zukünftig nicht, soviel steht fest.

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Freitag, 14. Januar 2022
Meet me in 2001
Heute habe ich neue Bettwäsche in Empfang genommen, war furchtbar glücklich, wusch sie, hängte sie auf und machte ein Foto von ihr, um auf Twitter damit anzugeben. Als ich das Foto vorher kurz ansah, um auf eventuell versehentlich mit aufgenommene kompromittierende Inhalte zu überprüfen, entdeckte ich einen vergessenen Weihnachtsmann weit oberhalb meiner normalen Sichtachse, das fand ich lustig, und so twitterte ich das Foto, und dann passierte das, was immer passiert, wenn ich diesen Teil der Wohnung fotografiere: Menschen erkundigten sich nach dem Saugroboter, ich erklärte, dass es sich um das Schlafzimmer meiner Eltern handele. Aber beginnen wir mit dem Bild, dann kommt die Hintergrundgeschichte:



Meine Eltern heirateten 1974, zu dem Zeitpunkt war mein Vater quasi eine Art gescheiterter Künstler, der nach Hobbymaler und Musikstudent entschlossen hatte, sich doch besser für die Zukunft mit einem ordentlichen Beruf abzusichern, also begab er sich in das architektonische Gewerbe, und wie das so ist, trug er ab dem Moment zeitlebens nur noch schwarze Rollkragenpullover und legte größten Wert auf Inneneinrichtung. 1974 gab es jedoch noch eine kleine Lücke zwischen Bankkonto und Einrichtungswunsch, also hatten meine Eltern für die erste eigene Wohnung für verschiedene Bereiche Budgets zusammengespart, darunter einen Budget-Topf von 1000 Mark für Schlafzimmermöbel. Ich kürze ab: Meine Eltern gingen in ein Möbelhaus, dann kann sich niemand erinnern, was genau passierte, und dann kauften sie zwei Matratzen und einen Weltron 2007. Die nächsten 45 Jahre wird dieser Plattenspieler nur noch "das Schlafzimmer" genannt werden.

Als ich klein war, stand das Schlafzimmer im Wohnzimmer. Unter der Panton Bogenlampe, die heute in meinem Wohnzimmer steht, neben dem Modulsofa, das ich bestmöglich versucht habe, nachzubauen. Ich erinnere mich an viele Jahre, es kam Besuch, man hörte Musik, mein Vater rauchte - er hatte mit meiner Geburt aufgehört, sehr fortschrittlich für 1976, rauchte aber noch, wenn andere Männer zur "Jam Session" oder zum Skat kamen - ich musste irgendwann in den Frotteeschlafanzug wechseln und ins Bett, was dann passierte, weiß ich natürlich nicht.

Irgendwann, es war etwa Ende der 80er Jahre, bauten meine Eltern eine Bar im Keller, wie man das damals so hatte, mit englischen Bierdeckeln und zwei echten Theken, und das Schlafzimmer zog in den Keller, da im Wohnzimmer eine topmoderne Stereoanlage einzog. Mitte der 90er hatte meine Mutter eine Phase, in der sie alles überflüssige auf den Speicher stellte, und gegen jeden Menschenverstand zog auch das Schlafzimmer mit auf den Speicher, zu mehreren zwischengelagerten Küchen, Kinderzimmern und überhaupt allem, was meine Eltern jemals besessen hatten.

1995 zog ich zuhause aus, und ich fragte meinen Vater, ob ich das Schlafzimmer mitnehmen dürfte, und die Antwort war recht einfach: "Nur über meine Leiche". 2002 machte ich dann Examen, das Schlafzimmer stand noch immer auf dem Speicher, und da war ich einmal klug. Ich verhandelte mit meinem Vater im Vorfeld, wie so ein Examen honoriert wird, und die Abmachung war: Bei 1,0 glatt hast du einen Wunsch frei. Egal welchen. Ich lieferte, mein Vater guckte schon mal, welche Kapitallebensversicherung oder was man so früher hatte, er noch auflösen könnte, ich war allerdings listig und sagte: "Ich nehme das Schlafzimmer mit."

Und seitdem steht es bei mir. 2005 war ich im MOMA in New York und stellte erfreut fest, dass es dort auch stand, und das hat mich in den Jahren der Armut im akademischen Mittelbau immer ein bisschen beruhigt. Wenn alle Stricke rissen, könnte ich immer noch das Schlafzimmer verkaufen, dann hätte ich ein paar Wochen Essen. Mit dem Laufenlernen des Kindes ging es in Sicherheitsverwahrung, dann kam noch ein trotteliger Hund, und jetzt steht es auf dem Schrank, dem Erbstück, das Herr H mit in den Haushalt eingebracht hat, neben der Colanilampe, die ich dazukaufte, weil ich Colanilampen sammele. Und so ist die Geschichte von meinem Saugroboter. Dem Schlafzimmer.

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