Dienstag, 9. November 2021
Chasing Cars
Ich müsste jetzt aufstehen und in den Supermarkt laufen, aber ich sitze im Sessel und arbeite, und die Sonne steht jetzt exakt so, dass sie mich voll anstrahlt, und irgendwie tippe ich, dass das gut fürs Gemüt ist. Andererseits werde ich dann sehr glücklich verhungern, oder mein Kind kommt nach Hause und findet kein Essen vor, und dann isst es vermutlich einfach zur Not mich, ich möchte das nicht ausschließen, ich taste mich an die Gefühls- und Erlebniswelt eines 12Jährigen noch in kleinen Schritten heran.

Morgen endet eine zweiwöchige autofreie Testphase. Ich hatte ja im Februar ein Auto bestellt, das im Juli fertig zusammengeschraubt und ausgeliefert werden sollte, das hat aber nie stattgefunden, also wurde ich auf August, dann September, dann Oktober vertröstet, jetzt ist November, es wird gar nicht mehr vertröstet, sondern nur mitgeteilt, dass das Auto nicht da ist, und dass ich Anrecht auf einen Überbrückungswagen hätte, leider gibt es in ganz Deutschland gar keine Überbrückungswagen mehr. Mich langweilt das Thema so sehr, dass ich es gar nicht in Worte fassen möchte, also kürze ich ab und sage: Morgen kann ich in einem mir nicht bekannten Teil Deutschlands einen Überbrückungswagen abholen, und dann habe ich nach zwei Wochen ohne Auto doch wieder eins und kann Hundefutter kaufen gehen.

Mein Fazit nach den zwei Wochen: Mein Leben ist nicht wirklich auf Autolosigkeit ausgerichtet, allerdings wäre es sehr leicht, das herbeizuführen. So richtig hat das Auto immer nur dann gefehlt, wenn Kinder durch die Gegend gefahren werden müssen, Handballtraining-Fahrgemeinschaft, zum Beispiel. Da fällt man dann plötzlich weg, und das ist sicherlich nicht dramatisch, auf Dauer könnte das bei anderen Eltern jedoch auf Reaktanz stoßen. Im Sommer wäre das allerdings auch kein Problem, es gibt ÖPNV, mit dem die Halle mittelkompliziert zu erreichen ist (also: mit Umsteigen, wir wohnen allerdings so gut angebunden, dass wir alle Umsteigen hassen, daran kann man jedoch arbeiten), allerdings trainiert Ona inzwischen so spät, dass die Rückfahrt einfach mit dem Auto deutlich besser ist.

Herr H, das war aber schon immer der Plan, wird sich kein Auto mehr zulegen und hofft darauf, dass er immer meins leihen kann, und da ich ja wenig fahre, kann er Glück haben, unter Einhaltung starker Benimmregeln.

1) Nicht im Auto essen - Sein Arbeitgeber, ein großes Unternehmen, hat für alle Mitarbeiter*innen Essverbot in den Firmenwagen ausgesprochen, nachdem man in von Herrn H genutzten Autos immer so viel Croissantreste gefunden hatte.

2) Wenn man die Autotür gegen eine Backsteinwand haut, muss man den Lackschaden bezahlen. Das vorherige Leasingauto, das ich im Oktober zurückgegeben habe, hat eine Schlussrechnung von knapp 1000 Euro für Macken, von denen ich keine verursacht habe, aufgerufen, da müssen wir noch mal sprechen. Und

3, das ist im Rahmen der Elektromobilität noch viel wichtiger als mit einem Verbrenner) Wenn man ein volles Auto übernimmt, muss man ein volles Auto wieder abgeben. Ich sehe hier *sehr* viel Raum für Konflikte. Besser sofort eine Regel etablieren, auf die man dann bei Leihantritt direkt verweisen kann.

Unterm Strich betrachtet hat das Auto wirklich nur punktuell gefehlt, und das ist vielleicht ein Signal. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass selbst ich, also die Person, die seit sie 18 ist ein eigenes Auto hat und sich nie scheute, es zu nutzen, in der nächsten Runde, also in 3 Jahren, dann gebe ich das neue Auto wieder ab, noch mal zu gucken, wie dann die Infrastruktur für Carsharing aussieht, das könnte ich mal versuchen. Derzeit bin ich da noch nicht, aber ich bin auf dem Weg.

Somit haben jetzt also 2 von 3 Leuten ein ÖPNV-Dauerticket, zudem wird noch ein E-Roller angeschafft, den Herr H für die letzte Meile ins Büro nutzen möchte, das verkürzt die Reisezeit ins Büro dann täglich um fast 2 Stunden, und ich habe noch ein Auto, mit dem ich Getränke, Hundefutter und Kinder transportiere. Und mich, für kurze Wochenendreisen. Und da muss ich eine Sache hinzufügen. Ich hätte nämlich am vergangenen Wochenende zu Frau N fahren sollen, wir hatten uns alle sehr gefreut. Aber ich hatte ja kein Auto. Natürlich kann ich mit der Bahn fahren, aber das kostet - Obacht - 163,80 Euro, und das finde ich für die kurze Strecke (1:21h Zugfahrt, ich bitte Sie) zu wenig Erlebnis für die Investition.

Sie können mir jetzt natürlich in den Kommentaren vorrechnen, wie teuer so ein Auto im Monat ist, etc etc, aber das wird an meinem Gefühl nichts ändern, dass ich allein für eine Runde in der Küche Sitzen und eine erwettete Flasche Veuve Clicquot nicht 163,80 Euro zahlen möchte, wenn es doch auch so gute virtuelle Lösungen gibt, sich nahe zu sein. Außerdem wäre mein Kind ja am Boden zerstört gewesen, wenn ich alleine gefahren wäre, und der Satz "du kannst dir das Mitfahren ja zu Weihnachten wünschen" ist auch verrückt.

Da ist noch manches im Argen. Morgen kommt das Übergangsauto, und dann kann ich wieder machen, was ich möchte, und dann hat Deutschland noch drei Jahre, in denen ich (vorwiegend) elektrisch rumfahre und Parkraum beanspruche, Zeit, sich mal ein richtig gutes System zu überlegen, wie das alternativ gut klappt. Für mich fehlt nicht mehr viel. Und das will schon was heißen.

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Ich muss ja aktuell nur ungefähr einmal in der Woche ins Büro (und "muss" ist hier auch als dehnbarer Begriff zu verstehen, hier bleiben Leute dann auch wegen "Spülmaschine wird repariert" oder "es gibt ein Problem mit der Heizung" zu Hause und das ist völlig okay) und es ist leider so, dass das mit meinem kleinen Auto sowohl zeit- als auch geldtechnisch deutlich günstiger ist. Ich bin jetzt von 2002 bis 2020 mit der Bahn zur Arbeit gependelt in unterschiedlichsten Konstellationen, aber in der aktuellen Konstellation ist das Auto einfach das (für mich) günstigste Transportmittel.

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Hui, da hatte ich ja mit meinen 7 Wochen Lieferverzögerungen bei Opel noch richtig Glück. Bestellt Ende April, geliefert Mitte Oktober. Drücke Ihnen die Daumen, dass es dann auch wirklich geliefert wird!

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@anne: Es gehört sehr viel Idealismus dazu, anders zu entscheiden, über den verfüge ich auch nicht. Mein Mann ist nach Jonathans Geburt täglich 5 Stunden gependelt für 200 Euro im Monat und 35 km Distanz, und das war ein Luxus, den ich irgendwann nicht mehr akzeptieren konnte (4 Stunden mehr Betreuungszeit für mich pro Tag, das war spätestens, als ich auch wieder gearbeitet habe, nicht mehr abbildbar). Jetzt will er das besser regeln, und Corona hat ja selbst die männlichste Männerbranche Homeoffice-weich gemacht. Also ist mir das jetzt egal. Aber die Kombination von teurer und viel zeitaufwändiger ist wirklich sehr schlecht.

Ich weiß übrigens, was das für mich sehr einfach machen würde: das an manchen Stellen schon diskutierte Verkehrs-Jahresticket. Als ich noch in Frankfurt gearbeitet habe, hab ich eine BahnCard 100 gehabt, obwohl sich das gar nicht gerechnet hat. Ohne große Not wär die mir jetzt zu teuer, ich muss ja nicht regelmäßig fahren. Wenn ich aber zB für 1500 Euro pro Jahr (sehr gerne einkommensabhängig runter bis zu einem wirklich kleinen Beitrag) eine Verkehrspauschalkarte kaufen könnte und dann jeden Bus und jede Bahn im Land nutzen könnte, wär ich die erste, die das kauft, und dann würde ich Frau N nie mehr mit dem Auto besuchen und dann könnte sie nie mehr im Supermarkt einkaufen. Ach so. Das wär ja auch schlecht.

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Seit ich mal über zwei Jahre zwischen Frankfurt und Essen gependelt bin, hatte ich ja auch sehr lange eine BahnCard 100. Ich hätte das auch günstiger haben können, aber mir gefiel die Flexibilität, deswegen habe ich das bis Herbst 2020 auch behalten. Für einmal die Woche lohnt es aber nicht und Einzeltickets (selbst mit Bahncard 25 oder 50) wären im ICE (was anderes mache ich nicht aus Selbsterhaltungsgrund) immer noch teurer als Benzin (kann man jetzt auch eine politische Diskussion draus machen, ich würde diese aber gerne in Richtung "günstigere Bahntickets" und nicht zu "teureres Benzin" schieben). Mal abgesehen, dass ich eben nicht mehr abends 20 Minuten am Deutzer Bahnhof frieren muss, weil der Zug wieder Verspätung hat. Ich kann Bahnfahren viel abgewinnen, aber an dieser Stelle bin ich jetzt einfach bequem.)

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Oh ja, ein Verkehrsjahresticket wäre super und die Idee mit dem Preis nach Einkommen auch! Hauptsache bequem, dann machen auch viele mit. Aber aktuell stehen Leute grübelnd vor Fahrkartenautomaten oder rätseln, was wohl der Unterschied zwischen Sparpreis und Super-Sparpreis ist und ab wann sich die Bahncard lohnt. So wird das nix.

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Für mich persönlich wäre auch wichtig, dass es nicht zu billig ist. Bei 1.500 Euro im Jahr würde ich nicht zögern, das zu kaufen, würde aber andererseits auch immer denken ?Ach, ich fahr mit der Bahn, hab ja genug bezahlt?. Wenn es zu günstig wäre, hätte ich nicht den Drang, das bestmöglich zu nutzen. Die Höhe des Betrags müsste gestaffelt und gut überlegt sein. Aber ich fände das für mich so richtig.

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Ja, das ist sehr schön. Danke.

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