Donnerstag, 15. Juli 2021
Life is a mess
herzbruch, 13:05h
Ich sitze im Bett, neben mir sitzt mein Kind und versucht mich zu überreden, es doch zur Adoption frei zu geben, es möchte lieber in einem Haushalt mit XBox, PlayStation und Gaming PC leben, und die Herbergsfamilie hat schon zugestimmt. Eventuell bleiben wir einfach beide hier, ich würde ihn ja schon vermissen, und ich bin ja quasi eh naturiert hier.
Wie das gestern passiert ist, möchte ich im Detail gar nicht erklären, mich hat die Situation nach 14 Jahren allerdings deutlich weniger gewundert als die Menschen aus dem Internet, ich kenne das ja bereits. Vor 10 Jahren haben wir alle gemeinsam noch darüber gelacht, dass ich abends ins damals noch gemeinsame Bett ging, Herr H sagte, er wolle noch kurz das Silikon an der Spüle erneuern, und als ich morgens aufstand, war die Küche abgebaut. Abgebaut. Alle Schränke standen im Wohnzimmer und wurden auch sehr sehr lange nicht wieder aufgebaut. Wir können es kurzhalten: Mein Mann ist nicht gut in Projektmanagement, hat ein defizitäres Gefühl für die Dauer von Abläufen und kein Problem, zu spät zu kommen oder etwas Angekündigtes einfach zeitlich nicht zu schaffen. Ich bin der exakte Gegenpol, und in den Jahren seit Übergang von Ehe zu Wohngemeinschaft haben wir das einfach so geregelt, dass wir uns in allen Abläufen voneinander unabhängig gemacht haben. Er darf absolut so sein, wie er möchte, es darf mich nur in keinem einzigen meiner Lebensbereiche in irgendeiner Form betreffen. Wenn wir gemeinsam irgendwo hinfahren, sage ich am Vortag, um welche exakte Uhrzeit ich im Auto sitze und losfahre, um nicht zu spät zu kommen, und dann fahre ich um exakt diese Uhrzeit los, Herr H. schafft es üblicherweise nicht, danebenzusitzen, fährt 20 Minuten später hinterher und kommt zu spät. Das hat den immensen Vorteil, dass mir das dann egal ist. Ich hasse Menschen, die immer zu spät kommen, aber solange ich nicht so ein Mensch werde, weil ich permanent auf Zeitmanagementprofis warten muss, ist ja alles egal.
Ähnlich verhält es sich mit der räumlichen Organisation von Dingen. Auch hier sind wir exakt gegensätzlich positioniert. Ich habe sicherlich ein schon fast krankhaftes Bedürfnis, dass Dinge einen Ort haben, wo sie sind, dass ich diesen Ort kenne und dass ich nie suchen muss. Das liegt teilweise daran, dass ich teils keine gute Wahrnehmung habe, und das bringt mit sich, dass ich Dinge einfach nicht bewusst sehe, wenn ich sie nicht erwarte. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ich blende alles mögliche einfach aus und kann dadurch nur sehr schlecht und mit großer Anstrengung Sachen suchen. Und dann ist es halt praktisch, wenn alles immer da ist, wo es hingehört, dann muss ich nicht suchen. Ich möchte auch keinen Mist mehr in meinem Lebensraum haben. Herr H ist da gelinde gesagt etwas laxer. Er wirft niemals etwas weg und räumt niemals etwas auf. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil er die Notwendigkeit nicht sieht. Wir sind an der Stelle austherapiert, die Psychiaterin sagte, wie Sie wissen, irgendwann den Satz "Wissen Sie, was ich interessant finde? Dass ausgerechnet Sie beide miteinander verheiratet sind." Gegensätze ziehen sich nicht an, Gegensätze finden ein System, wenn es gut läuft.
An dieser Stelle lautet das System seit ein paar Jahren, dass wir strikt getrennte Wohnbereiche haben, dass er seinen allerdings in einem minimal geordneten Zustand halten muss, und dass er in gemeinsam genutzten Räumen (Küche) nichts umräumen, abstellen oder systematisch verändern kann. Das klingt jetzt hart, ist aber besprochen und wenn Sie das Foto des Wohnzimmers nach einer Woche meiner Abwesenheit gesehen haben, wissen Sie, dass das eine gute Lösung ist, wenn man nicht bereit ist, so zu leben, und das bin ich nicht, muss ich auch nicht. Der Preis dafür, dass wir nicht auseinandergezogen sind, sondern Familien-WG machen, ist absolute Unterordnung in einem System, das Ordnung und Vernunft als Primat hat. Es macht nämlich auch überhaupt keinen Sinn, 5 Gramm Lauchzwiebel, die übrig geblieben ist, in einer Tupperdose im Kühlschrank aufzuheben. Wenn das eigene Innere das Wegwerfen von Dingen nicht erlaubt, stehen innerhalb weniger Tage 30 Dosen im Kühlschrank, alle nicht durchsichtig, alle nicht beschriftet, und die sind dann so lange da, bis alles komplett verschimmelt ist, das ist ja nicht der Weg. Nach vielen Jahren war meine finale Lösung an der Stelle, sämtliche Aufbewahrungsdosen wegzuwerfen. Ich bin ein Haushalt ohne eine einzige Gefrierdose. Sowieso habe ich über die Jahre alles, worin etwas aufbewahrt werden könnte, entsorgt. Nur in meinem eigenen Raum stehen ein paar Hutschachteln mit Dingen drin, aber ich laufe auch nicht Gefahr, da jetzt von Kleidung über Pflegeprodukte über geöffnete Lebensmittel alles gleichzeitig drin aufzubewahren, weil es ja "ein Aufbewahrungsort" ist. Mein Mann tut das, in Räumen, die ich benutze, ist das allerdings nicht möglich, daher gibt es keine Aufbewahrungsmöglichkeiten und er darf nichts abstellen. Und nein, das ist nicht übertrieben und er ist nicht "ein bisschen unordentlich". Das hat seine völlige Berechtigung, sonst würden wir alle gemeinsam nach spätestens vier Wochen untergehen.
Was ihm da gestern wohl passiert ist, mag nicht böse gemeint gewesen sein, daher wählte ich direkte Wiederabreise und nicht Detonation, aber es zeigt, dass mein System leider nur funktioniert, solange ich mit in der Wohnung bin. Unsere Verabredung, meine privaten Bereiche nicht zu betreten, muss offensichtlich noch einmal nachbesprochen werden, einen ganzen Raum abzubauen ist nämlich eine Teilmenge von betreten und daher auch nicht in meinem Sinne. Und für längere Abwesenheiten meiner Person werden wir für die zwischenzeitliche Raumnutzung ein neues System finden müssen. Ich werde nie mehr auf dem Zahnfleisch nach Hause kommen, um eine komplett abgebaute und verwüstete Wohnung vorzufinden. Soviel ist klar.
Und jetzt arbeite ich gleich was, Kundentermin heute aus dem fremden Bett ohne Bild, heute abend ist Karaoke, und vielleicht ist meine Wohnung irgendwann wiederhergestellt. Erst mache ich allerdings ein Stündchen vorgezogenen Mittagsschlaf. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Batterien jemals wieder vollkriegen soll. Aber vielleicht ist das die Story of my life. Die hysterische Suche nach weniger Anstrengung und Druck, die furchtbar anstrengend und bedrückend ist.
Wie das gestern passiert ist, möchte ich im Detail gar nicht erklären, mich hat die Situation nach 14 Jahren allerdings deutlich weniger gewundert als die Menschen aus dem Internet, ich kenne das ja bereits. Vor 10 Jahren haben wir alle gemeinsam noch darüber gelacht, dass ich abends ins damals noch gemeinsame Bett ging, Herr H sagte, er wolle noch kurz das Silikon an der Spüle erneuern, und als ich morgens aufstand, war die Küche abgebaut. Abgebaut. Alle Schränke standen im Wohnzimmer und wurden auch sehr sehr lange nicht wieder aufgebaut. Wir können es kurzhalten: Mein Mann ist nicht gut in Projektmanagement, hat ein defizitäres Gefühl für die Dauer von Abläufen und kein Problem, zu spät zu kommen oder etwas Angekündigtes einfach zeitlich nicht zu schaffen. Ich bin der exakte Gegenpol, und in den Jahren seit Übergang von Ehe zu Wohngemeinschaft haben wir das einfach so geregelt, dass wir uns in allen Abläufen voneinander unabhängig gemacht haben. Er darf absolut so sein, wie er möchte, es darf mich nur in keinem einzigen meiner Lebensbereiche in irgendeiner Form betreffen. Wenn wir gemeinsam irgendwo hinfahren, sage ich am Vortag, um welche exakte Uhrzeit ich im Auto sitze und losfahre, um nicht zu spät zu kommen, und dann fahre ich um exakt diese Uhrzeit los, Herr H. schafft es üblicherweise nicht, danebenzusitzen, fährt 20 Minuten später hinterher und kommt zu spät. Das hat den immensen Vorteil, dass mir das dann egal ist. Ich hasse Menschen, die immer zu spät kommen, aber solange ich nicht so ein Mensch werde, weil ich permanent auf Zeitmanagementprofis warten muss, ist ja alles egal.
Ähnlich verhält es sich mit der räumlichen Organisation von Dingen. Auch hier sind wir exakt gegensätzlich positioniert. Ich habe sicherlich ein schon fast krankhaftes Bedürfnis, dass Dinge einen Ort haben, wo sie sind, dass ich diesen Ort kenne und dass ich nie suchen muss. Das liegt teilweise daran, dass ich teils keine gute Wahrnehmung habe, und das bringt mit sich, dass ich Dinge einfach nicht bewusst sehe, wenn ich sie nicht erwarte. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ich blende alles mögliche einfach aus und kann dadurch nur sehr schlecht und mit großer Anstrengung Sachen suchen. Und dann ist es halt praktisch, wenn alles immer da ist, wo es hingehört, dann muss ich nicht suchen. Ich möchte auch keinen Mist mehr in meinem Lebensraum haben. Herr H ist da gelinde gesagt etwas laxer. Er wirft niemals etwas weg und räumt niemals etwas auf. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil er die Notwendigkeit nicht sieht. Wir sind an der Stelle austherapiert, die Psychiaterin sagte, wie Sie wissen, irgendwann den Satz "Wissen Sie, was ich interessant finde? Dass ausgerechnet Sie beide miteinander verheiratet sind." Gegensätze ziehen sich nicht an, Gegensätze finden ein System, wenn es gut läuft.
An dieser Stelle lautet das System seit ein paar Jahren, dass wir strikt getrennte Wohnbereiche haben, dass er seinen allerdings in einem minimal geordneten Zustand halten muss, und dass er in gemeinsam genutzten Räumen (Küche) nichts umräumen, abstellen oder systematisch verändern kann. Das klingt jetzt hart, ist aber besprochen und wenn Sie das Foto des Wohnzimmers nach einer Woche meiner Abwesenheit gesehen haben, wissen Sie, dass das eine gute Lösung ist, wenn man nicht bereit ist, so zu leben, und das bin ich nicht, muss ich auch nicht. Der Preis dafür, dass wir nicht auseinandergezogen sind, sondern Familien-WG machen, ist absolute Unterordnung in einem System, das Ordnung und Vernunft als Primat hat. Es macht nämlich auch überhaupt keinen Sinn, 5 Gramm Lauchzwiebel, die übrig geblieben ist, in einer Tupperdose im Kühlschrank aufzuheben. Wenn das eigene Innere das Wegwerfen von Dingen nicht erlaubt, stehen innerhalb weniger Tage 30 Dosen im Kühlschrank, alle nicht durchsichtig, alle nicht beschriftet, und die sind dann so lange da, bis alles komplett verschimmelt ist, das ist ja nicht der Weg. Nach vielen Jahren war meine finale Lösung an der Stelle, sämtliche Aufbewahrungsdosen wegzuwerfen. Ich bin ein Haushalt ohne eine einzige Gefrierdose. Sowieso habe ich über die Jahre alles, worin etwas aufbewahrt werden könnte, entsorgt. Nur in meinem eigenen Raum stehen ein paar Hutschachteln mit Dingen drin, aber ich laufe auch nicht Gefahr, da jetzt von Kleidung über Pflegeprodukte über geöffnete Lebensmittel alles gleichzeitig drin aufzubewahren, weil es ja "ein Aufbewahrungsort" ist. Mein Mann tut das, in Räumen, die ich benutze, ist das allerdings nicht möglich, daher gibt es keine Aufbewahrungsmöglichkeiten und er darf nichts abstellen. Und nein, das ist nicht übertrieben und er ist nicht "ein bisschen unordentlich". Das hat seine völlige Berechtigung, sonst würden wir alle gemeinsam nach spätestens vier Wochen untergehen.
Was ihm da gestern wohl passiert ist, mag nicht böse gemeint gewesen sein, daher wählte ich direkte Wiederabreise und nicht Detonation, aber es zeigt, dass mein System leider nur funktioniert, solange ich mit in der Wohnung bin. Unsere Verabredung, meine privaten Bereiche nicht zu betreten, muss offensichtlich noch einmal nachbesprochen werden, einen ganzen Raum abzubauen ist nämlich eine Teilmenge von betreten und daher auch nicht in meinem Sinne. Und für längere Abwesenheiten meiner Person werden wir für die zwischenzeitliche Raumnutzung ein neues System finden müssen. Ich werde nie mehr auf dem Zahnfleisch nach Hause kommen, um eine komplett abgebaute und verwüstete Wohnung vorzufinden. Soviel ist klar.
Und jetzt arbeite ich gleich was, Kundentermin heute aus dem fremden Bett ohne Bild, heute abend ist Karaoke, und vielleicht ist meine Wohnung irgendwann wiederhergestellt. Erst mache ich allerdings ein Stündchen vorgezogenen Mittagsschlaf. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Batterien jemals wieder vollkriegen soll. Aber vielleicht ist das die Story of my life. Die hysterische Suche nach weniger Anstrengung und Druck, die furchtbar anstrengend und bedrückend ist.
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anneschuessler,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 13:46
Das mit der Pünktlichkeit ist hier auch ein Problem, ich weiß nicht, wie mein Mann das im Job schafft, da funktioniert es nämlich anscheinend hervorragend. Vielleicht sind seine Pünktlichkeitsreserven damit auch erschöpft, das kann auch sein. Ich bin hingegen superpünktlich, einfach schon, weil es mich mental zu sehr stresst, sozial akzeptable Verspätungen abschätzen zu können, wenn man irgendwo um 19 Uhr verabredet ist, dann ist man um 19 Uhr da, das scheint mir am einfachsten zu sein, darüber muss ich nicht mehr nachdenken.
Wir haben mittlerweile einen Modus gefunden, der fast immer funktioniert, der ein teilweises Entgegenkommen meiner Seite bei weniger wichtigen Dingen und auf seiner Seite bei wichtigeren Dingen beinhaltet. Außerdem wissen Leute in unserem engeren Freundeskreis, wer für eine eventuelle Unpünktlichkeit verantwortlich ist, das reicht mir schon.
Ansonsten bin ich supergut im Aufräumen, was mein Mann jahrelang geleugnet hat, er ist hingegen supergut im Wegräumen, was dazu führt, dass er sich sehr oft beschwert, dass er nichts findet, weil es zu unordentlich ist, aber in Wahrheit findet er es nicht, weil er vergessen hat, wo er es hingelegt hat.
Wir haben allerdings natürlich den Vorteil, dass wir ja gerne zusammen sein wollen und uns dann schon arrangieren. Außerdem habe ich in den letzten anderthalb Jahren festgestellt, dass es natürlich exorbitant einfacher ist, Ordnung zu halten, wenn man sehr viel zu Hause ist, seit Mai letzten Jahres ist hier eigentlich Dauerordnung und was mein Mann in seinem Arbeitszimmer macht, betrifft mich nicht.
Wir haben mittlerweile einen Modus gefunden, der fast immer funktioniert, der ein teilweises Entgegenkommen meiner Seite bei weniger wichtigen Dingen und auf seiner Seite bei wichtigeren Dingen beinhaltet. Außerdem wissen Leute in unserem engeren Freundeskreis, wer für eine eventuelle Unpünktlichkeit verantwortlich ist, das reicht mir schon.
Ansonsten bin ich supergut im Aufräumen, was mein Mann jahrelang geleugnet hat, er ist hingegen supergut im Wegräumen, was dazu führt, dass er sich sehr oft beschwert, dass er nichts findet, weil es zu unordentlich ist, aber in Wahrheit findet er es nicht, weil er vergessen hat, wo er es hingelegt hat.
Wir haben allerdings natürlich den Vorteil, dass wir ja gerne zusammen sein wollen und uns dann schon arrangieren. Außerdem habe ich in den letzten anderthalb Jahren festgestellt, dass es natürlich exorbitant einfacher ist, Ordnung zu halten, wenn man sehr viel zu Hause ist, seit Mai letzten Jahres ist hier eigentlich Dauerordnung und was mein Mann in seinem Arbeitszimmer macht, betrifft mich nicht.
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herzbruch,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 13:56
Entgegenkommen funktioniert hier leider nie. Ich kam zu spät zur Hochzeit meiner Freundin, ich war Trauzeugin, und zwar grundlos, einfach zu spät aufgestanden, zu lange Zeitung gelesen, zu spät duschen gegangen, etc... Ich kam zu spät zu der Promotion einer anderen Freundin, da war ich ein wichtiger Teil der Veranstaltung, aus gleichen Gründen. Er kann es nicht, und das wird sich nicht mehr ändern, und da er sich auch nicht bemüht, wenn es wichtig wäre (er kam ja zu unserer Hochzeit/Taufe 30 Minuten zu spät, die Kirche war schon wieder leer), musste ich halt entscheiden, entweder auch zeitlebens bei allen wichtigen Dingen zu spät zu kommen, oder alleine zu fahren.
Mir ist das völlig unverständlich (im Job ist er nicht viel anders). Ich verstehe auch den Prozess nicht. Seit 15 Jahren arbeitet er in Essen. Seit 13 Jahren wohnt er mit mir in Düsseldorf. Seit 13 Jahren sagt er "ich komme heute abend um 6" und kommt dann um halb 8 mit der Begründung, auf der 52 war Stau. wenn ich doch jeden Abend angeblich Stau habe, dann sage ich doch spätestens nach 10 Jahren "ich komme um halb 8", oder ich fahre einfach früher weg. So ist der Dialog seit Jahren: "Ich komme heute abend um 6" - "Nein", und das ist auch in Ordnung.
In unserem Fall führte das gemeinsame Dauerhomeoffice eher zum Gegenteil, da ich es nicht mehr geschafft habe, das in Zaum zu halten, was in 16 Stunden Mann wach und anwesend an Chaos entsteht. Daher musste er direkt nach der Impfung wieder ins Büro. Ich kann einfach nicht mehr räumen oder aufräumcoachen.
Mir ist das völlig unverständlich (im Job ist er nicht viel anders). Ich verstehe auch den Prozess nicht. Seit 15 Jahren arbeitet er in Essen. Seit 13 Jahren wohnt er mit mir in Düsseldorf. Seit 13 Jahren sagt er "ich komme heute abend um 6" und kommt dann um halb 8 mit der Begründung, auf der 52 war Stau. wenn ich doch jeden Abend angeblich Stau habe, dann sage ich doch spätestens nach 10 Jahren "ich komme um halb 8", oder ich fahre einfach früher weg. So ist der Dialog seit Jahren: "Ich komme heute abend um 6" - "Nein", und das ist auch in Ordnung.
In unserem Fall führte das gemeinsame Dauerhomeoffice eher zum Gegenteil, da ich es nicht mehr geschafft habe, das in Zaum zu halten, was in 16 Stunden Mann wach und anwesend an Chaos entsteht. Daher musste er direkt nach der Impfung wieder ins Büro. Ich kann einfach nicht mehr räumen oder aufräumcoachen.
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anneschuessler,
Freitag, 16. Juli 2021, 12:47
Hier ticken mein Mann und ich auch anders und das treibt mich auch gelegentlich in den Wahnsinn. Wenn ich irgendwann irgendwo sein muss, überlege ich immer erst, was ich noch erledigen muss und mache das dann, damit ich zum Termin hin noch Zeit habe und rumlungern kann. Er lungert erst rum und dann fällt ihm noch ein, was er alles machen wollte. Ich wundere mich auch immer über die Zeitangaben, wenn er "nur fünf Minuten" duschen will, weil er meines Wissens in 20 Jahren Beziehung nicht einmal "nur fünf Minuten" gebraucht hat, zumal man sich danach ja noch anziehen muss. Ich tendiere hingegen zu so Angaben wie "ich bin in acht Minuten da", weil ich im Kopf schon überschlagen haben, dass ich bestimmt länger als fünf Minuten, aber vermutlich keine zehn brauchen werde. Anscheinend gibt es hier auch wieder two kinds of people.
Das mit dem Arbeitsweg scheint mir auch ein Verdrängungsmechanismus zu sein, der ist mir sehr bekannt von meinen Schwiegereltern, die jahrelang nicht wahrhaben wollten, dass wir teilweise zehn Stunden Fahrt zu ihnen brauchten und auf Reisepläne immer mit einer Fahrtzeitkalkulation von maximal sechs Stunden reagierten. "Wir fahren so gegen 14 Uhr los." - "Ah schön, dann machen wir um 20 Uhr Abendessen." Wir haben es auch hier nachweislich exakt zwei Mal in der optimalen Fahrtzeit von etwas unter 6 Stunden geschafft, nämlich einmal wegen Glück und einmal, weil wir nachts gefahren sind, das stellte sich aber aus anderen (offensichtlichen) Gründen als nicht wirklich erholsam raus, deswegen haben wir es nur einmal gemacht. Jetzt wohnen sie woanders und wir können das Spielchen mit neuen Erfahrungswerten auf einer anderen Strecke spielen.
Das mit dem Arbeitsweg scheint mir auch ein Verdrängungsmechanismus zu sein, der ist mir sehr bekannt von meinen Schwiegereltern, die jahrelang nicht wahrhaben wollten, dass wir teilweise zehn Stunden Fahrt zu ihnen brauchten und auf Reisepläne immer mit einer Fahrtzeitkalkulation von maximal sechs Stunden reagierten. "Wir fahren so gegen 14 Uhr los." - "Ah schön, dann machen wir um 20 Uhr Abendessen." Wir haben es auch hier nachweislich exakt zwei Mal in der optimalen Fahrtzeit von etwas unter 6 Stunden geschafft, nämlich einmal wegen Glück und einmal, weil wir nachts gefahren sind, das stellte sich aber aus anderen (offensichtlichen) Gründen als nicht wirklich erholsam raus, deswegen haben wir es nur einmal gemacht. Jetzt wohnen sie woanders und wir können das Spielchen mit neuen Erfahrungswerten auf einer anderen Strecke spielen.
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herzbruch,
Freitag, 16. Juli 2021, 13:06
Vieles ist ja mit "Technik" und Mustererkennung zu bewältigen. Im Studium gehörte ich auch noch zu der Kohorte, die immer zu spät kommt. Irgendwann später hat ein guter Freund und Kollege, den ich wie üblich 20 Minuten verspätet abholte, mir im Auto Folgendes erklärt, lose wiedergegeben: "Also es ist so: Du stellst dir vorher vor, dass du eben zum Auto läufst, das ist ja schnell, dann Luftlinie zum Zielort, schnell noch tanken, das dauert ja auch nur 20 Sekunden, und schon bist du da. Fakt ist, dass der Weg vom 3. Stock runter, mit Gepäck das Auto suchen und Sachen verstauen schon 10 Minuten dauert, dann musst du tanken, da ist ein Auto vor dir und beim Bezahlen noch mal 2 Leute, das sind weitere 10 Minuten, und dann bist du am Ende 20 Minuten zu spät und ganz überrascht."
Und genau so ist das. Leute wie mein Mann oder deine Schwiegereltern rechnen die Dinge drumrum nicht mit ein, Leute wie wir wissen exakt, wie lange sie von der Haustür zum geparkten Auto brauchen und rechnen das minutengenau obendrauf. Ich rechne (je nach Strecke) noch ein bisschen Puffer mit ein und plane die Abläufe im Kopf mit allen Stationen minutengenau. Und natürlich ergeben sich dann Muster. Andererseits wäre ich vielleicht auch total gerne so eine ganz entspannte Person, die 13 Jahre lang jeden Tag aus dem Büro losfährt und dann davon überrascht wird, dass heute mal Stau auf der 52 ist, ein unvorhergesehenes Ereignis...
Und genau so ist das. Leute wie mein Mann oder deine Schwiegereltern rechnen die Dinge drumrum nicht mit ein, Leute wie wir wissen exakt, wie lange sie von der Haustür zum geparkten Auto brauchen und rechnen das minutengenau obendrauf. Ich rechne (je nach Strecke) noch ein bisschen Puffer mit ein und plane die Abläufe im Kopf mit allen Stationen minutengenau. Und natürlich ergeben sich dann Muster. Andererseits wäre ich vielleicht auch total gerne so eine ganz entspannte Person, die 13 Jahre lang jeden Tag aus dem Büro losfährt und dann davon überrascht wird, dass heute mal Stau auf der 52 ist, ein unvorhergesehenes Ereignis...
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arboretum,
Freitag, 16. Juli 2021, 14:58
Meine ältere Schwester Amaryllis hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ADS und dementsprechend verzettelt sie sich nur ständig, sondern vermag auch nicht einzuschätzen, wie viel Zeit man für etwas braucht. Meine jüngere Schwester Rosarium und ich sind inzwischen bei wichtigen Terminen dazu übergegangen, ihr eine frühere Uhrzeit zu nennen, mindestens eine halbe Stunde vorher. Mit etwas Glück ist sie dann pünktlich da, wo sie sein soll.
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frau eff,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 14:28
Ich muss sagen (muss, es ist mir tatsächlich ein unaufschiebbares Bedürfnis), dass ich dies mit fassungsloser Bewunderung lese. Was, grundgütiger Himmel, lässt Sie und Ihren Mann weiterhin unter einem Dach wohnen? Das können bei Ihnen nicht rein organisationstechnische Gründe sein, schätze ich. Und: Wo ist der Hund?
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herzbruch,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 14:44
Das Wissen (meinerseits), dass er alleine nicht besser klar käme und der Wunsch, dass mein Kind zwei funktionstüchtige Eltern hat, solange es klein ist. Zudem habe ich nichts gegen Herrn H, er darf nur mein Leben nicht noch komplizierter machen, daher klare Regeln und auf meiner Seite komplette Unabhängigkeit von allem. Das. (Und der Hund ist bei ihm, die findet Chaos absolut okay!)
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jawl,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 15:41
Ich möchte an dieser Stelle meine ausgesprochene Hochachtung ? und das meine ich vollkommen ernst ? für den Satz ?Zudem habe ich nichts gegen Herrn H? aussprechen.
Sagen wir es euphemistisch so: das hat man schon anders erlebt und da habe ich sehr viel Respekt.
Sagen wir es euphemistisch so: das hat man schon anders erlebt und da habe ich sehr viel Respekt.
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frau eff,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 16:19
"Funktionstüchtig" bekommt in diesem Zusammenhang eine interessante neue Bedeutung.
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herzbruch,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 17:45
@jawl: Es gibt ja immer unterschiedliche Stimmen, aber ich bin nicht so hartherzig und kalt, wie manch einer mich wahrnimmt ;-)
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jawl,
Freitag, 16. Juli 2021, 17:06
? ich weiß. Aber auch unter der Maßgabe habe ich das schon anders erlebt.
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kleinewolke,
Donnerstag, 15. Juli 2021, 14:38
"was mein Mann in seinem Arbeitszimmer macht, betrifft mich nicht"
Ja, getrennte Arbeitszimmer sind hier auch der Schlüssel. Wir sind beide ungefähr gleich (un)ordentlich, trotzdem stören mich bestimmte Dinge ab und an. Dass ich die dann nehmen und im Arbeitszimmer des Mannes deponieren kann, wo sie mich nichts mehr angehen, ist eine große Erleichterung.
Ja, getrennte Arbeitszimmer sind hier auch der Schlüssel. Wir sind beide ungefähr gleich (un)ordentlich, trotzdem stören mich bestimmte Dinge ab und an. Dass ich die dann nehmen und im Arbeitszimmer des Mannes deponieren kann, wo sie mich nichts mehr angehen, ist eine große Erleichterung.
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