Mittwoch, 9. Februar 2022
SO CLOSE
Ich bewege mich ja in so einer Welt, in der jeder Mensch, den ich kenne, dreimal geimpft ist. Also gegen Corona. Windpocken sind mir egal, ich bin immun. Der Corona-Impfstatus interessiert mich, und faktisch ist es ja sowieso so, dass wir seit etwa einem Jahr alle miteinander über nichts anderes mehr sprechen. Ich kenne die nackten Oberarme aller Leute in Deutschland, denke ich. Aus beruflichen Gründen kenne ich mich mit der Impfung gegen COVID-19 ganz hervorragend aus, ich habe permanent alle Zahlen und alle politischen "Entscheidungen" parat. Langweilig, aber irgendwas muss man ja machen.

Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, ist das Inventarisieren aller möglichen Dinge im Themengebiet "Pandemie" und "Politik" eine tagesfüllende Aufgabe, und da meine Freizeit knapp und heilig ist, hatte ich 2010, als ich drei Tage die Woche bei Frau N wohnte und viel arbeitete, entschieden, einige zeitaufwändige Gewerke auszulagern. Putzen zum Beispiel. Kill your darlings. Die Hilfe, die ich fand, war sehr nett, aber dann zog ich 2015 um und dann hatte sie nicht mehr so viel Lust, man trennte sich einvernehmlich.

Ich kürze ab. Wie Sie aus diversen Adventskalenderpodcasts wissen, habe ich keine Ahnung, was seitdem geschah, und Frau N hat die Ahnung, dass vermutlich einfach nichts geschah. Statt öfter zu putzen (ich putze nach wie vor nicht, da ich das lieber outsourcen wollen würde, Herr H. wollte nicht outsourcen, und das Gesetz sagt, dass man dann halt machen muss) kaufte ich einen barrierearmen weil kabellosen Staubsauger und Möbel, die quasi nur noch eine große Fläche hergeben. Bad läuft irgendwo zwischen "selbstreinigend" (hallo? Wasser und Seife den ganzen Tag!) und "oh, Oma kommt, schnell die Armaturen polieren", aber alles in allem sehnte ich mich zurück nach diesem guten Gefühl, wenn man nicht ständig denkt "hier könnte auch mal wieder", sondern einfach einmal in der Woche alles schön ist, damit man es dann die nächsten sechs Tage wieder runterwohnen kann. Das geht ja schnell in so einem tierintensiven Haushalt.

Ich wollte ja abkürzen. Vor einiger Zeit hatte ich beschlossen, dass die Situation angepasst werden muss, dann habe ich aufgeschoben, und letzte Woche habe ich auf ein Inserat geantwortet. Eine Dame, die sich heute vorstellen wollen würde. Es ging ganz einfach. Es gab ein Inserat, ich antwortete auf das Inserat. Sie klingelte exakt zur vereinbarten Uhrzeit, was ich toll fand. Ich arbeite in einer Welt, in der man exakt dann anruft, wann man sich zum telefonieren verabredet hat. Nicht drei Minuten später, sonst schreibt man eine kurze Nachricht, und ganz bestimmt nicht drei Minuten früher. Nun gut, sie klingelte in der perfekten Minute, war sehr nett, verstand sich sofort gut mit dem Hund, sogar der Kater stand aus dem Körbchen auf und setzte sich auf seinen Motzethron, um hallo zu sagen, wir sprachen über die Aufgaben, sie guckte sich alles an, wir sprachen über den Vertrag, man war sich sofort einig, wir sprachen über den Tag, an dem sie kommt, gerne donnerstags, ach echt, perfekt, Donnerstag wäre mein präferierter Tag, wir sprachen über die Reihenfolge, damit das Kinderzimmer gesaugt ist, wenn das Kind nach Hause kommt, sie machte einen Vorschlag, der war klug, und dann rief Herr H. aus der Küche: "Ach so, und natürlich noch: Sie sind geimpft, richtig?"- "Äääh, nein."

Ich habe sie verabschiedet, wirklich schweren Herzens. Ich habe sogar noch gefragt, ob ich dazu etwas sagen dürfte, ich sei ja Doktor (nicht gelogen, ich BIN ja Doktor, Rest tut nix zur Sache). Ich hätte Verständnis, dass man Angst vor Spritzen habe... ach egal. Sie können sich vorstellen, was ich gesagt habe, Sie sind ja alle klug. Seit 2 Jahren treffe ich meine Freunde gar nicht oder eine kleine Auswahl nur noch ganz umständlich. Meine Familie habe ich 1,5 Jahre gar nicht gesehen. Wie sagte eine Freundin gerade? Ich hole mir nicht Patient Zero ins Haus und zahl da noch für. Ich möchte mir um mich und auch um meine Hilfe keine Sorgen machen müssen. Und jetzt muss ich mal nach Herrn H. gucken gehen, der liegt noch in stabiler Seitenlage in der Küche.

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"Ich kenne das Leben/Ich bin im Kino gewesen" (Fehlfarben)

Von daher weiß ich: im Film klopft immer einer an die Scheibe der Schleuse (Raumkapsel, Forschungsstation, egal) und will rein, aber man weiß genau, so kommt das Virus/Alien an Bord. In "Alien" war es übrigens eine Frau, die die Sicherheitsschleuse aus genau dem Grund nicht aufmachen wollte. Aber ein Mann fuchtelte dazwischen und drückte auf "Open", der Rest ist Filmgeschichte.

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Ich kenne mich ja mit Filmen nicht aus, kann aber sagen, dass in der Geschichte immer ich diejenige war, die das Alien reingelassen hat. Aber ich warte auf die steile Lernkurve.

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Ich kann sehr mitfühlen. Wir haben allerdings die waghalsigere Lösung gewählt. Dafür funktioniert die Absprache: sobald ein Fall in ihrem Umkreis auftaucht, kommt sie nicht. Dafür kann ich sie immer fragen, wie Corona sich anfühlt, wenn man nicht geimpft ist.
Grauenhaft muss das sein, mit Erstickungsanfällen und so weiter. Ja, sie ist beratungsresistent. Wegen Gott und so.

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