Mittwoch, 25. Mai 2011
Mal auf den Kalender gucken
wenn die sekretaerin um 14.15h in duesseldorf anruft, weil die kandidatin, deren examensprüfung um 14.30h ist, schon da ist, stellen sich folgende fragen:

a) wieso ruft die sekretaerin ueberhaupt in duesseldorf an? meine anreisezeit betraegt ca. 3 stunden
b) was macht frau h. ungeduscht in duesseldorf. sie sollte geduscht im buero sitzen, und
c) ist das mit der vereinbarkeit von kind und karriere vielleicht doch alles gar nicht so einfach? Und
d) gibt es neben der bekannten stilldemenz auch noch die bronchitisdemenz, die erziehungsberechtigte sich unwillkuerlich zuziehen, wenn das kind mal ein paar tage danz danz krank ist?

immerhin war ich sehr flexibel. 14.15h der erste anruf, 14.40h das letzte telefonat mit dem magisterpruefungsamt, 14.42h fertiggeduscht, 17.51h beginn pruefung. als belohnung fuer die warterei gab es nach zweifel und unentschlossenheit eine notenanpassung zugunsten der besseren.

und gratulation noch mal meinem arbeitgeber zur einstellung einer 54jaehrigen juniorprofessorin, die sich 1999 habilitiert hat. weiter so.

ich sollte bundesbildungsministerIn werden. anders gehts bald nicht mehr.

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Sonntag, 22. Mai 2011
Es war naemlich so:
so, ich habe mich ausreichend gesammelt. und das kranke fieberkind macht mittagsschlaf, was uns auch sehr recht ist.

das problem mit der zusammenfassung des vorsingens ist ja folgendes: um zu verstehen, wie es ueberhaupt soweit eskalieren konnte, muss man die vorgeschichte kennen, sonst wirkt es noch absurder, als es eh schon war. ich versuche mich an einem gleichnis...

die uni pusemuckel bekam mitte letzten jahres fuer einen neuen forschungsschwerpunkt "suesse brotaufstriche" im rahmen der exzellenzinitiative ca. 8 millionen euro geschenkt. den antrag dafuer dirigierte der ultraeinflussreiche professor fuer marmelade im mittelalter, und alle neu eingerichteten stellen wurden dem fachbereich fuer brotaufstriche zugeordnet. alle? nein. eine professur musste ausgelagert werden, damit man seine interdisziplinaritaet demonstrieren kann. der fachbereich, der den neuen professor beherbergen sollte, wurde logischerweise (sic!) der fachbereich fuer verdauungstrakte. die anwesenden professoren fuer verdauungstrakte kamen einstimmig zu dem entschluss, dass sie keinen weiteren professor benoetigten, und schon gar nicht fuer brotaufstriche (unterm strich bedeutet das naemlich in erster linie, dass man die fachbereichsmittel und bueroraeume durch einen lehrstuhl mehr teilen muss, und das will ja keiner). ausserdem hatten die verdauungstraktler schon vor 4 jahren einen brotaufstrichler von externer stelle aufs auge gedrueckt bekommen, und damals wurde das berufungsverfahren aufgrund mangelnder kooperation schlappe 2 jahre einfach verschleppt, letztendlich kam derjenige aber doch und wollte frecherweise sogar noch ein buero mit fenster. das sollte sich so nicht wiederholen.

dennoch wurde die stelle ausgeschrieben als professur fuer brotaufstrichwissenschaft, und herzbruch, ihres zeichens fachfrau fuer marmelade im groesseren kontext der brotaufstriche und zufaellig spezialisiert auf das kernthema des grossprojekts, bewarb sich. trotz aller vorkenntnisse und der tatsache, dass die besetzung der stelle (wenn ueberhaupt) ein hochschulpolitisches kraeftemessen sein wird. und wurde eingeladen. das war - gemessen an dem ausschreibungstext und der 98% passenden vita - noch keine ueberraschung.

vor einigen wochen erfuhr ich ja nun, dass die berufungskommission (sie muessen wissen, dass berufungsverfahren fuer professuren gesetzlich streng geregelt sind und einem strikten protokoll unterliegen) ausschliesslich aus damen und herren vom verdauungstrakt-fachbereich besteht. das war unerfreulich, wie sie sich vorstellen koennen, auf sympathisanten war also nicht zu hoffen. und so kam es, dass der anberaumte termin fuer probevorlesung und kommissionsgespraech zwei tage vorher verschoben wurde, und noch einmal verschoben wurde, und dann spielte man mir auch noch einen text des vorsitzenden der kommission zu, der unter anderem den satz "wenn sie zum vortrag nicht kommen koennen, schicken sie einen vertreter" (protokollarisch hoechst fragwuerdig, da vertreter nicht stimmberechtigt sind), und generell bekam man den eindruck, dass die kommission am reibungslosen ablauf des verfahrens nicht sonderlich interessiert sei.

aber ich ging brav hin. im gepaeck einen vortrag, der so viel verdauungstrakt wie nur eben moeglich beinhaltet, und eine mittlere portion wut im bauch. doch das war zu wenig.

mein publikum bestand aus dem hauptantragsteller, sie erinnern sich, dem ganz wichtigen, dem vorsitzenden der kommission, der frauenbeauftragten, zwei weiteren menschen und einer studentin. die berufungskommission, in der ich selber zur zeit mitglied bin, besteht aus 12 pflichtmitgliedern, die auch immer brav kommen, wenn es was zu gucken gibt. in diesem fall kam quasi keiner. dennoch hielt ich brav meinen vortrag, der grosses interesse beim hauptantragsteller weckte, was ich an den vielen seiten mitschrift in verbindung mit kopfnicken erkennen konnte. dann war die zeit rum, und 30 minuten fragen zum vortrag begannen. oder sollen wir sagen: die farce?

frage 1 kam vom vorsitzenden, professor fuer bauchspeicheldruese. was denn mein theoretische ansatz zur diabetes sei. ich suchte krampfhaft nach anknuepfungspunkten zu meinem vortrag (herstellung von marmelade im mittelalter), doch er unterbrach mich immer wieder und fragte neu. marmelade interessiere ihn nicht, brotaufstriche auch nicht, ich solle was ueber insulin erzaehlen. ich erzaehlte ihm alles, was ich wusste (nicht viel) und beobachtete den hauptantragsteller, der langsam blau anlief. nach 5 minuten brach dieser die quaelerei ab mit dem hinweis, er habe 6 fragen, die er gerne stellen wuerde. er stellte alle 6 ueber marmelade im mittelalter, fragte mich interessehalber nach meiner einschaetzung der probleme, mit denen er gerade zu tun hat, schrieb sich die literaturhinweise auf, die ich ihm nannte, betonte mehrfach, wie relevant das fuer ihn und das projekt sei und liess kurz die hoffnung in mir aufkeimen, dass man die stimmung noch rumreissen koenne. doch dann kam der nicht-oeffentliche teil.

alle nicht-kommissionsmitglieder raus, uebrig blieben 5 (inkl. frauenbeauftragte und nicht stimmberechtigten hauptantragssteller. ein witz!).
erste frage des vorsitzenden: "frau dr. h., wie kommen sie auf die absurde idee, sich auf diese stelle zu bewerben?" herzbruch: hysterisches lachen. dann sammeln, dann die antwort: "sie suchen einen professor fuer brotaufstrichwissenschaft, und da ich in den letzten 10 jahren ausschliesslich zur brotaufstrichwissenschaft gearbeitet habe und zudem noch auf die themenstellung des neuen forschungsschwerpunkt spezialisiert bin, dachte ich mir so: ich bewerb mich mal." typ: "hahahahahaha." herzbruch: "schoen, dass sie sich so gut amuesieren." zu dem zeitpunkt war mir klar, dass nett und wohlwollend hier nicht mehr gefragt ist. typ: "das ist hier der fachbereich fuer verdauungstrakte. was wollen sie hier?" ich: "ich habe mich auf eine bei ihnen ausgeschriebene stelle als brotaufstrichwissenschaftlerin beworben, deren anforderungen exakt meinem profil entsprechen." er: "aber wir interessieren uns nicht fuer brotaufstrichwissenschaft. wir interessieren uns fuer verdauungstrakte." ich: "dann haetten sie eine andere stelle ausschreiben muessen. die, auf die ich mich beworben habe, ist fuer brotaufstrichwissenschaft." typ: "dafuer interessieren wir uns aber nicht." ich: "das ist schade, aber nicht unbedingt mein problem." auftritt hauptantragsteller (mit donnernder stimme): "keifkeifkeifkeifkeif, nicht das problem von frau dr. herzbruch, keifkeif, muss ihr voll und ganz recht geben, keifkeif, stelle fuer brotaufstrichwissenschaft, keifkeif, fertig." ich: "danke schoen." typ: "und dieser "vortrag" (mit luftgaensefuesschen), den sie da gehalten haben. ich habe ueberhaupt nichts verstanden, und unsere studenten wuerden auch ueberhaupt nichts verstehen, sie reden ja immer nur von brotaufstrichen. wir interessieren uns nicht fuer brotaufstriche, unsere studenten wissen da nichts drueber." ich: "das kann man mit einer regelmaessigen veranstaltung einfuehrung in die brotaufstrichwissenschaft ja aendern. sie sind auch herzlich eingeladen." (lacher von der frauenbeauftragten, dann unangenehme stille.) hauptantragsteller: "keifkeif, was heisst denn hier "vortrag"?? das war state of the art brotaufstrichwissenschaft, das was frau dr. h. macht, ist von allergroesster relevanz fuer unseren schwerpunkt, das habe ich ihnen schon mehrfach erklaert." aha. ich bin also der interne kandidat der brotaufstrichfraktion.

das streitgespraech zwischen hauptantragsteller und typ geht einige zeit hin und her, bis ich irgendwann unterbreche mit dem satz: "meine herren? ich denke, ich sollte nicht teil dieser diskussion sein." beide gucken schuldbewusst und kommen zurueck zum "gespraech". typ: "noch einmal: wenn sie nicht zum verdauungstrakt lehren koennen, haben wir keine verwendung fuer sie." hauptantragsteller: "es geht hier doch nicht nur um lehre!" typ: "was die frau forscht, interessiert uns nicht. das ist ja alles nur mit brotaufstrich." ich: "wenn sie einen professor fuer brotaufstrichwissenschaft suchen, der sich nicht fuer brotaufstriche interessiert, werden sie ein problem haben. ich wuensche ihnen viel glueck." lacher frauenbeauftragte.

dann der naechste protokollpunkt: ich darf fragen stellen. ich hatte einige vorbereitet, sehe aber keine notwendigkeit, sie zu stellen. auf typs frage, welche fragen ich an ihn haette, antworte ich: "ich haette fragen gehabt, allerdings haben sie in der letzten halben stunde alles vollumfaenglich beantwortet." panikattacke hauptantragsteller. ob ich nicht doch noch was fragen wolle, vielleicht ihn. ich frage ihn die obligatorischen ausstattungsdinge, er beantwortet alles und bittet mich, noch ein paar dinge sagen zu duerfen. dann erklaert er mir, warum gerade ich so gut in dieses projekt passe. und was die langfristige planung ist. und wie ich da mitarbeiten koennte. ich nicke, sage aber nichts. natuerlich kann ich mit den brotaufstrichleuten gut an einem tisch sitzen. aber das wuerde ich ja die meiste zeit nicht. mein buero waere neben dem von typ, und meine sachmittel muesste ich teilen mit typ. alles ausgeschlossen. undenkbar.

irgendwann werde ich entlassen. ich stehe auf, packe meinen computer auf, grinse noch einmal in die runde, schuettele den kopf, sage "unglaublich" und gehe. der hauptantragsteller sieht mir entsetzt hinterher.

als die tuer zugeht, aergere ich mich, dass ich klapperschuhe anhabe. zu gerne haette ich noch ein bisschen den jeweiligen wutanfaellen gelauscht, doch ich muss ein ueberzeugendes weggehgeraeusch abliefern.

wieder in meinem buero wird die strategie mit meinem chef besprochen. stelle annehmen, selbst wenn der hauptantragsteller sich durchsetzt (es kommen auch noch die externen gutachter, doch mein lebenslauf ist tendenziell besser als die der drei mitbewerber) und ich den ruf bekomme, ist undenkbar. keinen tag koennte ich ohne weinen zu muessen in den verdauungstrakt-trakt gehen. zurueckziehen war kurz eine option, wurde aber sofort ausgeschlossen, da selbst ein abgelehnter ruf oder ein listenplatz zu wichtig im lebenslauf sind. das geplante vorgehen ist nun also so: sollte der ruf kommen, werde ich bei den verhandlungen als unumstoessliche bedingung die verlegung der professur in den anderen fachbereich fordern. da das geld von aussen kommt, kann das theoretisch sogar gemacht werden. sollte das aus gleichwelchen gruenden nicht moeglich sein, bin ich im april die einzige frau auf dem arbeitsamt duesseldorf, die lieber eine integrationsmassnahme mit umschulung zur altenpflegerin machen wollte, als eine professur fuer brotaufstrichwissenschaft. na denn.

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Freitag, 20. Mai 2011
Herr V.,
wie finden sie denn den hier?

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