Donnerstag, 20. August 2020
All mine
Erst der Witz, dann das Ego, dann der Rest, wenn Sie diese Priorisierung konsequent durchziehen, garantiere ich Ihnen, dass die meisten Menschen denken, Sie seien komisch (im Sinne von irre), Sie selber aber ab sofort einen hohen Grad an Amüsement in Ihrem Leben zu verzeichnen haben. Das ist natürlich nur dann gut, wenn Sie Amüsement schätzen. Frau N. und ich haben in den letzten Tagen ein wenig miteinander gespielt, ihr war langweilig, weil sie so viele Dinge weggemanagt hatte, dass sie plötzlich sehr viel Rechenkapazität frei hatte, ich musste prokrastinieren. Also eigentlich haben wir nicht anders gespielt als sonst, aber erstmals haben wir Sie ein wenig zuschauen lassen. Frau N. und ich sind beide hochkompetitive Menschen, ich möchte sagen höchstkompetitiv, aber nur dann, wenn jemand gut gegenhält, dann aber echt, und wenn über so viele Jahre einer immer gegenhält, schaukelt sich das halt alles hoch. Im Umgang miteinander sind wir aktiv-aggressiv, was ja eine ganz erfrischende Abwechslung zur gesamten Außenwelt ist. Passiv-aggressiv finde ich sehr anstrengend, ist aber gesellschaftlich viel akzeptierter. Das ist für Menschen wie N. und mich sehr schade. Also sind wir einfach miteinander aktiv-aggressiv und leben uns da ganz aus, und ich erkläre Ihnen gerne, wie das funktioniert. Wir beide schätzen ein böses Repartee deutlich mehr als persönliche Befindlichkeiten, und wenn der Gag gut ist, aber auf unsere Kosten, müssen wir halt lachen und freuen uns, dass der Anderen so was Lustiges eingefallen ist. Und da wir beide leider sehr maßlos sind in allem, was wir tun, kann es dann halt auch schon mal passieren, dass ich morgens vor 8 serviert kriege, dass man sich nicht sicher sei, ob ich einfach jeden Abend rotzbesoffen bin (nein, nicht rotz, rotz wirklich nicht), und dann muss ich lachen, und dann ist der Tag gut gestartet. Ich sage hingegen manchmal Sachen, die dazu führen, dass Frau N. einfach umfällt. Alles in allem ist das einfach eine sehr gelungene aktiv-aggressive Beziehung.

Und jetzt kommt der Didaktikteil. Das heißt nämlich leider nicht, so lernte ich in den letzten Tagen über mich selber, dass man ein ungefiltert aktiv-aggressives Leben führen kann. Weder kann man einfach überall austeilen im Spaß (gelernt, Check), noch kann man vernünftig einstecken (gelernt, Check). Es ist nämlich so. Zu einer guten, erfüllten, aktiv-aggressiven Beziehung wie der von Frau N. und mir gehört, dass man sich - und ja, ich höre schon die schnippische akiv-aggressive Einlassung darauf - uneingeschränkt schätzt. Dann weiß man nämlich, dass das Gegenüber spielt und den besseren Gag landen möchte. Und dann fällt man vor Lachen um. Das führt mich zu einer Beobachtung, die ich vorher nie gemacht habe: Frau N. Wir brauchen ein Safeword. So wie in der Erotik. In den letzten 12 Jahren ist zum Glück der Moment noch nicht eingetreten, dass das nützlich gewesen wäre, aber wenn sich mein Sektkonsum so weiterentwickelt, wird eine Intervention unausweichlich sein.

Und jetzt kommt der Emoteil. Ich glaube, großer Teil unserer gesunden aktiv-aggressiven Beziehung ist, dass wir beide für die jeweils Andere etwas getan haben, was sie selber nicht tun konnte, aber auch kein anderer. Obacht. Jetzt werde ich sentimental. Die vermutlich wichtigste Email, die ich in meinem Leben geschrieben habe, konnte ich gar nicht schreiben, weil ich mir ihrer Tragweite bewusst war und der Irreversibilität. Tage, nein, wochenlang hat Frau N. zugeguckt und nix gesagt, weil ich ja normalerweise eher Dinge einfach mache statt sie auszusitzen, irgendwann in letzter Sekunde hat sie jedoch eingeworfen, dass ich mal was wegmanagen müsste, und dann habe ich ihr das Passwort für mein Emailpostfach gegeben, habe gesagt "mach Du", und dann bin ich spazieren gegangen und habe wochenlang digitale Entschlackung gemacht. Ich weiß nicht, wie es ausgegangen ist, sie musste danach natürlich auch ein engmaschiges Monitoring meines Postfachs machen, aber soweit ich weiß, bekleide ich gar keinen halbseidenen Lehrstuhl in Ostdeutschland, daher glaube ich, das wurde zufriedenstellend weggemanagt. (Note to self: Gleich mal nachfragen). Viele Jahre später erhielt ich in der Post einen Brief, den ich lesen und entsprechend kommentarlos bearbeiten musste, ausgestellt an Frau N. Die Revanche. Letzte Woche habe ich nach Jahren den Brief mit zu Frau N genommen, um ihn zu transferieren. Das hab ich dann vergessen, jetzt steht er wieder im Gewürzregal, damit ich ihn nicht verliere. Er riecht nach Zimt.

Im philosophischen Teil könnten wir jetzt darüber nachdenken, was es braucht, um zusammen so zu funktionieren. Wenn ich das patentieren lassen würde, wäre ich reich, und das wäre aufgrund "der aktuellen Situation" natürlich super. So richtig weiß ich es aber nicht. Eventuell ist man einfach ganz genau gleich. Gleich irre, sagen Sie jetzt vielleicht, meine Beobachtung ist jedoch (und ich habe leider zeitlebens nur in Umfeldern gearbeitet, wo ausschließlich spezielle Leute rumlaufen, erlaube mir dennoch eine Meinung), dass es keine normalen Menschen gibt. Sie finden sich alle sehr besonders, ich finde mich sehr besonders, und jetzt kommt ein bisschen Logik: Wenn alle total besonders sind, ist halt wieder keiner besonders. Es gibt halt kein Normal, das uns eicht, wobei wir natürlich jetzt abwarten könnten, wie es sich mit dem New Normal entwickelt. Wenn man dann auf eine Person trifft, die genau die gleichen Idiosynkrasien aufweist wie man selber, dann fügt sich der gesamte Rest von selbst. Wenn man jetzt mal überlegt, wie viele Länder ich bewohnt habe, wie viele Jobs ich neu angefangen habe, etc., dann ist n=1 natürlich eine sehr magere Ausbeute. Gegensätze ziehen sich an halte ich übrigens für großen Unsinn. Ich möchte mich gerne mit genau gleichen Menschen umgeben, wenn nämlich keiner normal ist, muss man sich weniger anstrengen, wenn man ähnlich unnormal ist. Man braucht dann auch keine Wörterbücher Frau/Mann. Das müsste man eventuell im Aufklärungsunterricht in der Schule auch mal erklären. Dann würden wir das mit der Geburtenrate
wieder hinkriegen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Frau N. und ich machen zwar keinen Spaß, aber Sie müssen sich nicht sorgen, es geht uns gut. Ein Alkoholproblem habe ich vermutlich auch nicht, ich teste das regelmäßig. Und auch ganz spezielle Leute wie wir alle müssen manchmal banale Sachen machen, ich zum Beispiel beziehe jetzt mein Bett. Ich liebe es, in einem frischbezogenen Bett zu schlafen, aber ich hasse nichts mehr, als das Bett zu beziehen. Das teile ich mit allen Menschen auf der Welt. Das ist normal. Da fällt mir ein, dass ich als Kind in einer Illustrierten mal ein Interview mit Mutter Beimer gelesen habe, in dem sie erklärte, dass sie ihre Betten immer gut lüftet und die Bettwäsche nur einmal im Jahr wechselt. Damals gab es ja noch gar keine Umwelt, ich weiß also nicht, was der Grund dafür gewesen sein könnte. Ich weiß nur, dass mich das immens beeindruckt hat, dass man sich traut, so etwas Abwegiges in einem Illustrierteninterview zu sagen. Ich habe das nie mehr aus dem Kopf gekriegt, und ich spüre seitdem immer ein kleines Schaudern, das mir über den Rücken läuft, wenn ich Mutter Beimer sehe. Ich denke, um ihre Erotik kann es auch nicht gut bestellt sein.

Und jetzt haben wir natürlich die schlechte Situation, dass ich zwar den gesamten Tag einen Ohrwurm habe, ich aber vergessen habe, beim Runterrattern die passende Ausfahrt zu nehmen, um da noch sinnvoll hinzukommen. Ich weiß auch nicht, woher er kam, plötzlich war er da, aber er wird geschätzt, geht viel schlimmer. Da ich es aber geschafft habe, einen Blogeintrag über Frau N. und Mutter Beimer zu schreiben, in dem zweimal das Wort "Erotik" vorkommt, schreibe ich ein anderes, nämlich das allererotischste Lied oben drüber, das ich kenne. Portishead. All Mine.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 19. August 2020
Take Five
Da ist die Werbung alles nix und der Kenner entscheidet, das hört man heutzutage in meiner Branche wirklich oft. Und was soll ich sagen: Richtig ist das. Haben Sie mal versucht, einer Zielgruppe von über-40Jährigen neue Monatshygieneartikel anzupreisen? Ich schon. Totgeburt. Natürlich. Hab ich auch von Sekunde 1 gesagt, als jemand mitten aus der Zielgruppe, aber dann denken Leute ja, ich wäre die Ausnahme, weil ich Veränderung ja selten schätze. Ich habe aber leider in dem Punkte Recht. Etwa mit 20 hat die durchschnittliche Frau verstanden, wie der ganze Themenkomplex untenrum zu verstehen ist, und die nächsten 30 Jahre macht man einfach alles so, wie man das mit 20 überlegt hat, Produkte, Dosierung Ibuprofen, alles immer jeden Monat gleich. Dann kann man seinen Kopf nämlich für andere Dinge benutzen und muss sich auch nicht weiter mit der Evaluation von Werbung beschäftigen. Also ich schon, aber nicht privat. Ich bin die eine Person in Deutschland, die nicht beworben werden kann, ich interessiere mich einfach nicht für Dinge. Heute zum Beispiel kaufte ich einen Nagellack. Chanel Rouge Noir. Den habe ich zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen, seitdem ist das halt mein Nagellack, er ist nämlich hübsch und hält lange. Das war etwa 25 Jahre sehr praktisch, wenngleich - und damit bin ich über jeden Zweifel des Product Placements erhaben - das ein mittelgutes Produkt ist. Es gibt bessere. An jeder Arbeitsstätte und an jedem Wohnort (auch bei Frau N.), sowie auf jeder Staatsexamensklausur, die ich je korrigiert habe, sind dunkelrote Striche, die werden nämlich hinterlassen. Das ist nicht gut, es gibt aber leider keine Alternative, denn nach 25 Jahren scheidet jede andere Farbe aus, sonst gucke ich auf meine Hände und denke "OMG, von wem sind die denn?" Ich habe dann mal in einem Kundenumfeld aus der Rubrik Bunt und Schön gearbeitet, da war die Geschäftsführerin so gepolt, dass sie beim Kennenlernen an Menschen roch. Nun neige ich nicht zu BO, aber das war schon sehr anstrengend, da eine Note zu finden, die gleichzeitig Kompetenz und Verlässlichkeit ausstrahlte. Zudem sollten, so das Briefing, die Nägel lackiert sein, aber bitte nicht rot, das sei nuttig. Seitdem habe ich noch die Variante "oxidierte Leberwurst", die war gepflegt und unaufdringlich genug. Ich kam mit der Geschäftsführerin gut klar.

Ich weiß jetzt auch nicht wirklich, wieso ich diese Richtung eingeschlagen habe, aufgrund meiner absoluten Festgelegtheit bin ich ja sehr wenig mit den entsprechenden Themen befasst. Schuhe waren da in der Vergangenheit schon schwieriger. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber ich hatte, nicht ganz frauenuntypisch, so ein Ding mit Schuhen. Sehr früh habe ich verstanden, dass die Bild/Ton-Schere zu sehr günstigen Überraschungseffekten führt, wenn jemand in guten hohen Schuhen (immer geschmackvoll, bitte) über formale Logik spricht. Ich saß mal in der ersten Reihe in einem Vortrag eines bedeutenden niederländischen Fernsehphilosophen, der mittendrin mein Schuhwerk komplimentierte (für Frau Schüssler: Fluevog Merrilee. Ich bin bis heute sehr stolz auf meine Reaktion. Ich habe gelangweilt geguckt und genickt.) Zudem trug ich gern und viel Schwarz, und das konnte man ein wenig - beim Friseur würde man sagen - aufpeppen. Doch dann passierte leider vor 3 Jahren was Dummes, ich fiel die Treppe runter und freute mich sehr, dass ich mich nicht am Küchentresen dekapitiert hatte, doch leider hatte ich (Medizinchinesisch, allerdings in dem Fall sehr explicit) eine Komplettsprengung des Fußgelenks erlitten, das heißt stark vereinfacht: Alle Knochen durch, alle Bänder durch. Im Prinzip ist das Fuß ab mit noch Haut drum. Nun profiliere ich mich ja ungern durch Leid, aber das war trotz vieler Schrauben und allem ein sehr schwieriger Prozess, der letztlich zu dem Entschluss geführt hat, als ich nach 10 Monaten die Krücken in den Keller brachte, dass ich vermutlich ab sofort im Schnitt 8 cm kleiner bin. Und damit lebe ich gut. Turnschuhe habe ich ja vorher schon gerne getragen, ich brauchte nur eine businesstaugliche Variante, und die fand ich in dreifarbigen Schnürschuhen englischen Formats. Ich möchte sagen: Ich habe die Clownschuhe nach Deutschland gebracht, denn nicht nur besitze ich selber jetzt eine mittlere zweistellige Anzahl an dreifarbigen Clownschuhen, sondern ich missioniere auf Nachfrage auch eifrig. Auf Branchenveranstaltungen tragen jedes Jahr mehr Frauen Clownschuhe und kommen dann zu mir und sagen "guck mal, ich hab die jetzt auch". Schade eigentlich, dass man aufgrund der aktuellen Situation gar keine Schuhe mehr braucht.

So, das mit dem von Frau N. vorgegebenen Satz hätten wir jetzt wohl erledigt, dann kann ich auch noch was schreiben, wozu ich Lust habe. Ich habe mir ein System überlegt, wie ich mit den Überschriften verfahre. Ich denke mir ja gerne Hintergrundmusik zu Situationen, wenn es sich einrichten lässt, höre ich die dann sogar. Ich würde für den Moment als Überschrift immer den Titel eines Liedes nehmen, das mir zum Thema einfällt. Mal sehen, ob das trägt. Ich habe heute gleich drei Lieder gehabt, die mir gut den Tag strukturiert haben. (Vielleicht gönne ich mir einfach den Luxus, die allabendliche Frage von Frau N. hier in Buchform zu beantworten. Obwohl, nein.)

1) Ich saß mit meinem Kompagnon in der Küche an der Theke und wir spielten Agentur. Dann erhielt ich eine Email von einem Kollegen. Ich kann nicht viel zitieren, aber ein kleines bisschen: "Schön, dass du dich engagierst und halte es bitte aus, mit Menschen zu tun zu haben, die nicht mit geistreichen Impulsen von Frauen (schlimm, dass man das so auf den Punkt schreiben muss) umgehen gelernt haben. Holla." Ich denke, es ist alles gesagt. Was mich ein bisschen irritiert, ist ja folgende Frage: Mit 25 war ich wissenschaftliche Assistentin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 35 war ich Professorin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 44 bin ich offiziell erwachsen, und okay, jetzt streite ich mich mit 70Jährigen, aber die eigentliche Frage ist ja die: Wo zur Hölle sind denn bitte die anderen Alterskohorten? Ich möchte mal mit 40Jährigen arbeiten. Oder mit 50Jährigen. Warum muss ich mein ganzes Leben lang nur mit Fossilen arbeiten? Und wie alt muss ich denn werden, um nicht mehr das Mädchen zu sein? Ich verstehe es nicht, sehe aber, dass wir das in dem Rahmen hier nicht besprechen können. Mein Kompagnon machte dann Musik an. Samuel Barber, Adagio for Strings. Das war gut gegen Puls und wurde bei der Beerdigung von Kennedy schon gespielt, das kann auch die Hintergrundmusik sein, wenn wir die Emanzipation beerdigen. Why not.

2) Das zweite Lied kam mir kurz danach zugeflogen, die Assoziationskette kann ich nicht mehr genau herleiten, aber vermutlich lief es über Schuhe und irgendwas mit Feminismus und Pink, und dann fiel mir Pink Moon von Nick Drake ein. Dann habe ich die CD gesucht (gelogen, CDs sind im Keller) und Pink Moon gehört, und dann dachte ich 'toll, ich hör das jetzt wieder ganz durch", dann wurde mir Mitte des zweiten Liedes, das ja wie das erste und das dritte klingt, langweilig, und ich hörte was anderes. Alle 10 Jahre kann ich Pink Moon hören und finde es eine Runde lang toll, für mehr reicht meine New-Media geschädigte Aufmerksamkeitsspanne leider nicht mehr.

3) Ich finde es ja immer sehr befriedigend, wenn man den Bogen wieder zurückgeschlagen kriegt, und ein Vorteil, wenn man 8 Jahre nicht gebloggt hat (oder so ähnlich) ist ja, dass Sie alles nicht miterlebt haben. So zum Beispiel die Beerdigung meines Vaters vor 12 Monaten. Damit kann ich jetzt 1) und die Clownschuhe zusammenführen. Kein Beileid, alles gut, er hat lange darauf hingearbeitet, somit war das alles in Ordnung. Mein Vater war im Herzen Musiker, hat Jazztrompete studiert, um dann später für den Broterwerb was anderes zu machen, aber für seine Beerdigung hat er sich einen Trompeter gewünscht. Liedwahl hat er mir überlassen, of all people. Ich habe Autumn Leaves gewählt bei der Beisetzung, aber das war gar nicht sein Lied, der Trompeter konnte aber nicht viel trotz teuer. Für sein Lied, das wir ihm nach der Predigt in der Kirche gespielt habe, habe ich mir Schuhe gekauft, nämlich die Clownschuhe, die ich sonst in dreifarbig trage in einfarbig, schwarz Lack. Das fand ich passend. Nach dem letzten Kirchenfirlefanz haben wir ihn also überrascht und sein Lied (vom Band, Trompeter war ja schlecht) spielen lassen, welches 50 Jahre lang sein Lied war, und während viele Leute ein wenig verstört waren und meine Mutter sich auflöste, haben meine Schwestern, Ona und ich das gemacht, was er sich gewünscht hätte. Augen zu, lächeln und Rhythmus.

... link (9 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 18. August 2020
Ich bin bereit
So, Tag 3 mit neuem alten Blog hatte ich mir anders vorgestellt, hatte ich doch diese wirklich undankbare Arbeit, die ich in den letzten Tagen so erfolgreich in die Länge gezogen habe, endlich abgeschlossen, es war still, der Hund schlief, also entschied ich, doch noch mal ein Liedchen für Frau N. einzuspielen, dann hätte ich das für heute bereits erledigt mit der Content Creation. Dieses Mal habe ich auch nur ein einziges Mal aufnehmen müssen, danach habe ich nämlich beschlossen, dass das Unsinn ist, das mache ich nicht mehr. Ich funktioniere anders: Wenn ich im Wohnzimmer sitze, übe ich. Wenn ich für Leute spiel(t)e, möchte ich sehen, ob die das lustig finden oder nicht, und da ich mich von Gelächter unangemessen schnell anstecken lasse, ist es eher die Ausnahme als die Regel, dass ich pannenfrei irgendwas zu Ende kriege. Üblicherweise muss ich kurz lachen, dann halb lachend weitersingen, und da es sich ehemals meistens um Kneipenmusik handelte, war es vollkommen akzeptiert, wenn man lacht statt sauber spielt oder den Ton trifft. In meinem Wohnzimmer ist das natürlich anders, da würde man ja einfach mal etwas durchspielen, und zwar ordentlich und mit Ton treffen, aber das scheint gar nicht meine Kernkompetenz zu sein, und mit 8 Jahren Trainingsrückstand noch viel weniger. Also habe ich das Liedchen gespeichert, sollte ich einst mal eine fürchterliche Krankheit haben und nicht bloggen können, wenn Sie mich dann bitte daran erinnern würden, dass ich noch ein Liedchen für Frau N auf dem Telefon habe. Das kommt ja übrigens noch dazu. Es gibt ein paar Konzertmitschnitte (naja, "Konzert"), da hat man aber ja überall Mikros und das getestet und sitzt nicht neben der Kirche mit dem Uhrenschlag, etc. Die Telefonaufnahme klingt grauenhaft. Oder so klingt es halt, aber dann sollte ich eh besser öffentlich stricken.

Somit musste ich jetzt also doch was schreiben, ich kenne mich nämlich. Sobald etwas einreißt, bin ich verloren. Ich hab mal einen sehr echten Job angefangen und mir selber versprochen, dass ich da nicht in Adidas Samba auflaufe, nach einer Woche habe ich aus irgendeinem wirklich triftigen Grund eine Ausnahme gemacht, und zack, gab es Casual Weekday. Also muss ich wenigstens eine Woche und einen Tag durchhalten, sonst hat das hier alles direkt keine Zukunft mehr.

Apropos Zukunft. Wir haben noch nicht geklärt, wie ich das mit den Überschriften handhabe. Ich kann das ja wie mit meinen Ablageordnern auf dem Desktop halten und einfach alles Misc nennen. Sie müssten sich dann an dem Datum orientieren. Ich mache das seit immer so. Viel schwerwiegender ist allerdings die Frage, wie in Gottes Namen ich immer Themen finden muss. Nun funktioniert mein Innenleben ja so, dass ich sehr einfache Assoziationsketten bilde, die mit irgendetwas anfangen, und da ich schnell tippen kann, ist dann ruckzuck irgendwas geschrieben, woran ich mich Jahre später nicht erinnere. Ich bräuchte also eigentlich nur den ersten Satz, den Rest machen die Finger. Und ein bisschen Wettbewerb tut mir ja auch sehr gut, daher habe ich mir (noch unabgesprochen) ein sehr gutes System überlegt. Frau N. könnte mir ja abends zu einem vereinbarten Zeitpunkt eine Auswahl an ersten Sätzen zur Verfügung stellen, die dann anstoßen, was immer in mir schlummert und raus will. Das weiß ich ja vorher oft nicht. Ich hätte dann ab Anfangssatztransfer eine noch zu vereinbarende Zeit zur Verfügung, in der ich etwas veröffentlicht haben muss, sonst habe ich verloren. Gegen mich selber, und das ist ja, wie wir durch Friends wissen, der allerbeste Wettbewerb: Der gegen uns selbst. Da Frau N. aber die einzige Person auf der Welt ist, die ich außer mir kenne, die in einer Wettbewerbssituation mit äußerster Härte und Kaltblütigkeit agiert, dürfte sie nicht wirklich am Wettbewerb teilnehmen, sonst würde ich ja durchgehend nur vollkommen bekloppte Anfangssätze bekommen. So habe ich mir das jetzt gedacht.

Und jetzt fällt mir auch noch ein, was ich heute morgen als mögliches Thema identifiziert hatte: Die aktuelle Situation. Ich bestellte neulich Dinge im Internet, die dann doof waren leider, also schickte ich sie zurück und bekam auch postwendend die Eingangsbestätigung der Retoure. Zwei Monate vergingen, dann kam die erste Mahnung, dann die zweite, dann die Übergabe an das Inkassobüro. Das schrieb ich dann also an, der Händler hatte meine Botschaft ja nicht gut verstanden, und erläuterte die Situation in einem Satz. Daraufhin heute morgen die Mail des Inkassobüros:

-----

Sehr geehrte Frau Herzbruch,
vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie Ware retourniert haben. Aufgrund der aktuellen finanziellen Situation bei Händler XY kommt es jedoch leider zu Verzögerungen in den üblichen Prozessen.

Bis zur abschließenden Klärung des Sachverhalts haben wir selbstverständlich einen Mahnstopp für Sie hinterlegt und wir werden uns darum kümmern Ihr Anliegen so rasch wie möglich für Sie zu lösen.

Weiters werden wir Sie umgehend informieren sobald wir Neuigkeiten hierzu erhalten.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Information weitergeholfen zu haben und verbleiben

mit freundlichen Grüßen XY

------

Ich fand die ein oder andere Formulierung falsch, zum Beispiel, dass ich eine Anfrage gestellt hätte, oder dass man mir hoffentlich mit dieser Information weitergeholfen hätte, oder dass man für mich irgendwas lösen müsse, ich bin ja in dem Sachverhalt die Person ganz ohne ein Problem. Dass jetzt aber "die aktuelle finanzielle Situation" bei großen Onlinehandelshäusern so gelöst wird, bei mir Geld einzutreiben, das ich ja nicht ausgeben muss, weil ich ja gar nichts gekauft habe, geht zu weit. Ich bin bereit für das New Normal. Ich bin bereit.

... link (0 Kommentare)   ... comment