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Samstag, 22. August 2020
It's the end of the world
herzbruch, 00:05h
Aaah, schade, Woche nicht vollgekriegt. Heute vor einer Woche begann unser kleines Internetexperiment, und der krönende Abschluss hätte ja heute sein können, wenn ich um 8 einen Satz von Frau N. bekommen hätte und dann von Freitag bis Freitag mit dem Bloggen am Abend durchgehalten hätte. War halt nicht. Läuft nicht immer.
Jedenfalls können alle wieder entspannen, wir sind zurück auf 0, Frau N. ist die Direktorin, ich bin die mit dem noch viel schlimmeren Emonamen, wir sind auch nicht mehr freundlich, sondern new normal. Ich verschwinde in Teilen wieder dorthin, wo ich hergekommen bin, in der Realität nämlich, Frau N. macht das, was sie möchte, das macht sie eh immer.
Ich wollte gerne sehen, ob ich wieder bloggen wollen würde, und es gibt ein klares Urteil: Eventuell. Ich hab in der letzten Woche viel Spaß gehabt, und an der ein oder anderen Stelle tat Ablenkung gut. Was ich auch gesehen habe, Obacht, Emoalarm, ich brauche hin und wieder mal ein Outlet, aus dem ein bisschen Ich rauskommt. Und das hat hervorragend geklappt, soviel ist klar. Ich komme jetzt öfter, nicht täglich, aber öfter. Und dann erzähle ich Ihnen eine lustige Geschichte, die Sie nicht kennen, aber kennen sollten.
So, und da ich ja gelernt habe, entscheide ich um und erzähle die jetzt, sonst frage ich mich in 8 Jahren mal, ob ich wieder bloggen soll, und dann finde ich den Cliffhanger, und schwer davon ausgehend, dass mit fortschreitendem Alter die Merkfähigkeit ja auch nicht besser wird, (und lügen wir uns bitte nix in die Tasche: Sie sind da auch alle keine Hilfe), würde man sich ja am Ende nur wieder ärgern.
Es war jedenfalls so, dass mein Kompagnon und ich eine berufliche Abendveranstaltung in - Fanfarenchor - Bocholt hatten. Bocholt zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass es nah genug an Düsseldorf ist, um da eben rüber zu fahren, das ist aber auch wirklich schon alles, was man über Bocholt wissen muss. Wir aßen zu Abend, in voller Arbeitsmontur, das gehört sich so, da, wo man in Bocholt halt isst: im Imbiss mit Draußensitzgelegenheit. 19 Uhr Termin, also 18.45 da parken, wo man landet, wenn man in Bocholt immer dem P hinterher fährt. Ein Parkplatz, der halb unterirdisch lag, aber nicht im geringsten wirkte wie ein Parkhaus (Spoiler). Es gab einen Parkscheinautomaten, wo man noch für 15 Minuten ein Ticket ziehen konnte, ab in die total komplizierte Halterung (ich fahre ein Auto eines schwedischen Herstellers mit Penissymbol als Logo, damit ich weiß, wo mein Platz ist, seine Lampen heißen Thor's Hammer, das fand ich sehr anregend auf eine absurde Art und Weise, und das wohl allerdistinktivste Alleinstellungsmerkmal dieser Autos ist ein vollkommen überflüssiger Plastikpinöppel, hinter den man seinen Parkschein klemmen kann. Das ist etwa 4000 mal komplizierter und zeitaufwändiger, als den Parkschein einfach hinter die Windschutzscheibe zu legen und anschließend, wie es sich gehört, in den Fußraum fallen zu lassen, aber nein, wenn man so ein Ding hat, muss man es auch benutzen, soviel Zeit muss sein, auch wenn man sich jedes Mal furchtbar aufregt). Wo war ich? Ach so. Imbiss, essen, ein Bier, Business, fertig. 22.15 Ankunft Parkplatz. Der "Parkplatz" hatte sich inzwischen allerdings in eine abgeschlossene Tiefgarage mit einem Gitterrolltor verwandelt. Praktischerweise war direkt daneben das große Schild mit den Notfallnummern ab 21 Uhr, wenn das neuerdings ja Parkhaus zu ist. Ich muss sagen, dass ich direkt etwas skeptisch war, als ich eine Festnetznummer las, die nach kurzer Recherche eine Durchwahl im Bocholter Rathaus zu sein schien. Wie Sie sich denken können, ging ein Anrufbeantworter dran, der erklärte, man möge am nächsten Tag um 7 Uhr wieder anrufen. Nun hatte ich allerdings am nächsten Tag um 10 Uhr einen wirklich wirklich unaufschiebbaren Termin in Düsseldorf, für den ich mich und mein Auto brauchte, und das Volumen meiner Blase gab die Überbrückung der Zeit auch nicht her. Also irrten wir ein wenig ratlos herum, schauten uns die Busfahrpläne an (22.30 in Bocholt, ich muss das nicht erklären), und dann bemerkten wir, dass wir neben einem Hotel standen. Eventuell sogar neben DEM Hotel von Bocholt. Die Automatiktür öffnete sich, dahinter war der Empfang, und an dem stand das Schild, dass man bitte morgen wiederkommen solle. Ich bin mir sehr sicher, dass es noch ein Zimmer gegeben hätte oder zwei, aber leider gab es keinen Weg, das herauszufinden. Also setzten wir uns dahin, wo man sich in Bocholt hinsetzt, wenn man nach 22 Uhr noch richtig einen draufmachen möchte, in den Vorraum der Deutschen Bank auf den Fußboden, denn wir hatten keine Jacken und es wurde langsam etwas frisch. Dort noch mal die verschiedenen Optionen evaluiert, nach 3 Sekunden festgestellt, dass es eigentlich ja gar keine Optionen gibt außer Taxi für 42.000 Euro, und dann den Gatten angerufen. Euphorie klingt anders, aber mit etwas gutem Zureden konnte ich ihn bewegen, uns abzuholen und am nächsten Morgen um 7 wieder hinzubringen, denn der einzige Autoschlüssel des Kollegen befand sich natürlich in meinem Handschuhfach, wir hatten also direkt zwei Autos lahmgelegt.
Nach 60 Minuten schellte das Telefon, er führe jetzt auf die Autobahn. Da wir etwa 5 Minuten von der Autobahnauffahrt entfernt leben, war die Überraschung groß, aber die Erklärung, nämlich Großveranstaltung mit Heidi Klum zwischen Heim und der Autobahn, Tausende von Autos, die aus dem Parkhaus wollen und der Mann mittendrin, erklärten das gut. Und wir waren ja gut aufgehoben in der Deutschen Bank.
Irgendwann - ich weiß nicht, wer es als erster sah - fiel uns ein gewisser Schädlingsbefall in der Bank auf, was uns zu dem Entschluss brachte, es sei ja so kalt auch wieder nicht. Nach etwa einer weiteren Stunde kam der Mann, lachte uns aus, und an dieser Stelle hätte die Geschichte hervorragend zu Ende sein können, war es ja bereits nach 1 Uhr morgens. Wir wollten jedoch gerade einsteigen, als ein Anwohnerauto auf das Parkhaus zufuhr, eine alleinreisende Dame. Wie eine Irre rannte ich hinter dem Auto her und der Kompagnon hinter mir, was sie anscheinend falsch interpretierte, jedenfalls verbarrikadierte sie sich im Auto, wir klopften wie zwei Verrückte an die Scheiben (ja, das hätte entspannter laufen müssen, aber wir dachten, das hier und jetzt wäre unser einziger Shot), fuhr, als das Tor endlich oben war, wie Tom Selleck in die Tiefgarage, irgendwo in den hinteren Teil, und ward nie mehr gesehen. Wir fühlten uns dennoch sehr am Ziel angekommen, gingen schnell zum Auto, setzten uns rein, ich fuhr los, auf das inzwischen wieder geschlossene Tor zu.
Ich kürze wieder ab. Das Tor war zu. Alle Ausgänge aus der Tiefgarage waren auch zu. Wir standen wie im Affenkäfig vor dem Gitter, und ich bin mir nicht sicher, ob mein Mann in seinem Leben jemals mehr gelacht hat als in der Nacht. Die ersten 15 Minuten hat er abwechselnd gelacht und uns fotografiert. Dann kamen etwa alle Taxifahrer hinzu, die am Taxistand standen und seit Menschengedenken noch nie einen Fahrgast nach 22 Uhr hatten, und lachten mit. Dann fingen sie an, uns fernzusteuern. Es gäbe ja auch einen Ausgang XY, den sollten wir suchen. Wir suchten: Zu. Wir sollten einfach mal auf den roten Knopf vom Rolltor drücken. Hab ich gemacht. Everybody's dream. Sie wären sehr enttäuscht. Wenn Sie nachts um 2 in Bocholt auf den roten Knopf vom Rolltor drücken, passiert exakt nichts. Irgendwann war es auch schon 3, alle hatten ihren Spaß gehabt, es wurde langsam langweilig, uns Eingesperrten war ja schon länger eher langweilig, da beschloss mein Mann, dass mein Plan, jetzt einfach bis um 8 im Auto zu pennen und am nächsten Morgen wieder rauszufahren, nicht akzeptabel sei und rief die Polizei. Die kam dann und musste lachen.
Praktischerweise ist es in Bocholt aber auch so, und das ist das Gute an Kleinstadt, dass man sich vom Kegelclub kennt, und einer der Polizisten hatte die Handynummer von jemandem in der Verwaltung, der hatte auch wieder die Handynummer von jemandem, und der hatte die Handynummer von der Person, die das Rolltor aufmachen kann. Der Herr ging natürlich erst einmal nicht ans Telefon, hatte man ja nicht auf seinem Dienstfestnetz angerufen, aber irgendwann ging er ran, versuchte zu erfragen, ob es eine sinnvolle Option sei, bis 8 zu warten, das fand ich allerdings keine sinnvolle Option, und dann wurde am Ende alles gut, der Herr kam, öffnete das Rolltor und ließ uns heraus. Ohne Lachen.
So. Cliffhanger weg. Alles gut. Bis die Tage.
Jedenfalls können alle wieder entspannen, wir sind zurück auf 0, Frau N. ist die Direktorin, ich bin die mit dem noch viel schlimmeren Emonamen, wir sind auch nicht mehr freundlich, sondern new normal. Ich verschwinde in Teilen wieder dorthin, wo ich hergekommen bin, in der Realität nämlich, Frau N. macht das, was sie möchte, das macht sie eh immer.
Ich wollte gerne sehen, ob ich wieder bloggen wollen würde, und es gibt ein klares Urteil: Eventuell. Ich hab in der letzten Woche viel Spaß gehabt, und an der ein oder anderen Stelle tat Ablenkung gut. Was ich auch gesehen habe, Obacht, Emoalarm, ich brauche hin und wieder mal ein Outlet, aus dem ein bisschen Ich rauskommt. Und das hat hervorragend geklappt, soviel ist klar. Ich komme jetzt öfter, nicht täglich, aber öfter. Und dann erzähle ich Ihnen eine lustige Geschichte, die Sie nicht kennen, aber kennen sollten.
So, und da ich ja gelernt habe, entscheide ich um und erzähle die jetzt, sonst frage ich mich in 8 Jahren mal, ob ich wieder bloggen soll, und dann finde ich den Cliffhanger, und schwer davon ausgehend, dass mit fortschreitendem Alter die Merkfähigkeit ja auch nicht besser wird, (und lügen wir uns bitte nix in die Tasche: Sie sind da auch alle keine Hilfe), würde man sich ja am Ende nur wieder ärgern.
Es war jedenfalls so, dass mein Kompagnon und ich eine berufliche Abendveranstaltung in - Fanfarenchor - Bocholt hatten. Bocholt zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass es nah genug an Düsseldorf ist, um da eben rüber zu fahren, das ist aber auch wirklich schon alles, was man über Bocholt wissen muss. Wir aßen zu Abend, in voller Arbeitsmontur, das gehört sich so, da, wo man in Bocholt halt isst: im Imbiss mit Draußensitzgelegenheit. 19 Uhr Termin, also 18.45 da parken, wo man landet, wenn man in Bocholt immer dem P hinterher fährt. Ein Parkplatz, der halb unterirdisch lag, aber nicht im geringsten wirkte wie ein Parkhaus (Spoiler). Es gab einen Parkscheinautomaten, wo man noch für 15 Minuten ein Ticket ziehen konnte, ab in die total komplizierte Halterung (ich fahre ein Auto eines schwedischen Herstellers mit Penissymbol als Logo, damit ich weiß, wo mein Platz ist, seine Lampen heißen Thor's Hammer, das fand ich sehr anregend auf eine absurde Art und Weise, und das wohl allerdistinktivste Alleinstellungsmerkmal dieser Autos ist ein vollkommen überflüssiger Plastikpinöppel, hinter den man seinen Parkschein klemmen kann. Das ist etwa 4000 mal komplizierter und zeitaufwändiger, als den Parkschein einfach hinter die Windschutzscheibe zu legen und anschließend, wie es sich gehört, in den Fußraum fallen zu lassen, aber nein, wenn man so ein Ding hat, muss man es auch benutzen, soviel Zeit muss sein, auch wenn man sich jedes Mal furchtbar aufregt). Wo war ich? Ach so. Imbiss, essen, ein Bier, Business, fertig. 22.15 Ankunft Parkplatz. Der "Parkplatz" hatte sich inzwischen allerdings in eine abgeschlossene Tiefgarage mit einem Gitterrolltor verwandelt. Praktischerweise war direkt daneben das große Schild mit den Notfallnummern ab 21 Uhr, wenn das neuerdings ja Parkhaus zu ist. Ich muss sagen, dass ich direkt etwas skeptisch war, als ich eine Festnetznummer las, die nach kurzer Recherche eine Durchwahl im Bocholter Rathaus zu sein schien. Wie Sie sich denken können, ging ein Anrufbeantworter dran, der erklärte, man möge am nächsten Tag um 7 Uhr wieder anrufen. Nun hatte ich allerdings am nächsten Tag um 10 Uhr einen wirklich wirklich unaufschiebbaren Termin in Düsseldorf, für den ich mich und mein Auto brauchte, und das Volumen meiner Blase gab die Überbrückung der Zeit auch nicht her. Also irrten wir ein wenig ratlos herum, schauten uns die Busfahrpläne an (22.30 in Bocholt, ich muss das nicht erklären), und dann bemerkten wir, dass wir neben einem Hotel standen. Eventuell sogar neben DEM Hotel von Bocholt. Die Automatiktür öffnete sich, dahinter war der Empfang, und an dem stand das Schild, dass man bitte morgen wiederkommen solle. Ich bin mir sehr sicher, dass es noch ein Zimmer gegeben hätte oder zwei, aber leider gab es keinen Weg, das herauszufinden. Also setzten wir uns dahin, wo man sich in Bocholt hinsetzt, wenn man nach 22 Uhr noch richtig einen draufmachen möchte, in den Vorraum der Deutschen Bank auf den Fußboden, denn wir hatten keine Jacken und es wurde langsam etwas frisch. Dort noch mal die verschiedenen Optionen evaluiert, nach 3 Sekunden festgestellt, dass es eigentlich ja gar keine Optionen gibt außer Taxi für 42.000 Euro, und dann den Gatten angerufen. Euphorie klingt anders, aber mit etwas gutem Zureden konnte ich ihn bewegen, uns abzuholen und am nächsten Morgen um 7 wieder hinzubringen, denn der einzige Autoschlüssel des Kollegen befand sich natürlich in meinem Handschuhfach, wir hatten also direkt zwei Autos lahmgelegt.
Nach 60 Minuten schellte das Telefon, er führe jetzt auf die Autobahn. Da wir etwa 5 Minuten von der Autobahnauffahrt entfernt leben, war die Überraschung groß, aber die Erklärung, nämlich Großveranstaltung mit Heidi Klum zwischen Heim und der Autobahn, Tausende von Autos, die aus dem Parkhaus wollen und der Mann mittendrin, erklärten das gut. Und wir waren ja gut aufgehoben in der Deutschen Bank.
Irgendwann - ich weiß nicht, wer es als erster sah - fiel uns ein gewisser Schädlingsbefall in der Bank auf, was uns zu dem Entschluss brachte, es sei ja so kalt auch wieder nicht. Nach etwa einer weiteren Stunde kam der Mann, lachte uns aus, und an dieser Stelle hätte die Geschichte hervorragend zu Ende sein können, war es ja bereits nach 1 Uhr morgens. Wir wollten jedoch gerade einsteigen, als ein Anwohnerauto auf das Parkhaus zufuhr, eine alleinreisende Dame. Wie eine Irre rannte ich hinter dem Auto her und der Kompagnon hinter mir, was sie anscheinend falsch interpretierte, jedenfalls verbarrikadierte sie sich im Auto, wir klopften wie zwei Verrückte an die Scheiben (ja, das hätte entspannter laufen müssen, aber wir dachten, das hier und jetzt wäre unser einziger Shot), fuhr, als das Tor endlich oben war, wie Tom Selleck in die Tiefgarage, irgendwo in den hinteren Teil, und ward nie mehr gesehen. Wir fühlten uns dennoch sehr am Ziel angekommen, gingen schnell zum Auto, setzten uns rein, ich fuhr los, auf das inzwischen wieder geschlossene Tor zu.
Ich kürze wieder ab. Das Tor war zu. Alle Ausgänge aus der Tiefgarage waren auch zu. Wir standen wie im Affenkäfig vor dem Gitter, und ich bin mir nicht sicher, ob mein Mann in seinem Leben jemals mehr gelacht hat als in der Nacht. Die ersten 15 Minuten hat er abwechselnd gelacht und uns fotografiert. Dann kamen etwa alle Taxifahrer hinzu, die am Taxistand standen und seit Menschengedenken noch nie einen Fahrgast nach 22 Uhr hatten, und lachten mit. Dann fingen sie an, uns fernzusteuern. Es gäbe ja auch einen Ausgang XY, den sollten wir suchen. Wir suchten: Zu. Wir sollten einfach mal auf den roten Knopf vom Rolltor drücken. Hab ich gemacht. Everybody's dream. Sie wären sehr enttäuscht. Wenn Sie nachts um 2 in Bocholt auf den roten Knopf vom Rolltor drücken, passiert exakt nichts. Irgendwann war es auch schon 3, alle hatten ihren Spaß gehabt, es wurde langsam langweilig, uns Eingesperrten war ja schon länger eher langweilig, da beschloss mein Mann, dass mein Plan, jetzt einfach bis um 8 im Auto zu pennen und am nächsten Morgen wieder rauszufahren, nicht akzeptabel sei und rief die Polizei. Die kam dann und musste lachen.
Praktischerweise ist es in Bocholt aber auch so, und das ist das Gute an Kleinstadt, dass man sich vom Kegelclub kennt, und einer der Polizisten hatte die Handynummer von jemandem in der Verwaltung, der hatte auch wieder die Handynummer von jemandem, und der hatte die Handynummer von der Person, die das Rolltor aufmachen kann. Der Herr ging natürlich erst einmal nicht ans Telefon, hatte man ja nicht auf seinem Dienstfestnetz angerufen, aber irgendwann ging er ran, versuchte zu erfragen, ob es eine sinnvolle Option sei, bis 8 zu warten, das fand ich allerdings keine sinnvolle Option, und dann wurde am Ende alles gut, der Herr kam, öffnete das Rolltor und ließ uns heraus. Ohne Lachen.
So. Cliffhanger weg. Alles gut. Bis die Tage.
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Interjektion
herzbruch, 11:52h
Ich habe mir selber eine 35-Stundenwoche verordnet, und dann darf man freitags morgens auch mal außer der Reihe bloggen, wenn die Ereignisse das hergeben. Das Thema Schule ist ja ein rutschiges Gebiet, und bevor sich alle warmlaufen (ich bleibe allerdings auch sehr an der Oberfläche, ich denke, ich habe zu Schule "in der aktuellen Situation" alles gesagt, jetzt sitze ich einfach und warte ab, was um mich herum passiert), halten wir es doch einfach zeitlebens in diesem Medium wie folgt: Wann immer ich mich despektierlich über eine bestimmte Zielgruppe äußere, egal ob implizit oder explizit, meine ich natürlich nur einen Ausschnitt, nämlich den, den ich kenne. Natürlich gibt es in jedem Set ganz hervorragende Kandidaten, zum Beispiel Sie, fühlen Sie sich bitte ganz persönlich ausgenommen. Und ja, ich weiß, dass es ganz hervorragende Lehrer und Erzieher gibt, ich kenne sogar welche persönlich.
Gestern Abend hat die Schule ihre neu erworbenen Kompetenzen getestet: Mail schreiben wie normale Leute, also mit Text in der Mail, nicht leer mit angehängtem Word Dokument. In dem Textkörper wurde die Frage gestellt, ob Eltern Lust hätten, sich zu engagieren und bei dem Testen via Rachenabstrich zu helfen. Ich möchte das auch 12 Stunden später einfach unkommentiert stehenlassen. Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich mich im Rahmen der Ausbildung meines Sohnes noch nie für irgendwas engagiert habe. Ich habe an dem kollektiven Osterhasenbacken nicht teilgenommen, da war ich beruflich eingespannt. In der Grundschule gab es die schöne Tradition, dass die Eltern einmal im Monat die Klassenräume inklusive allem, was man sich vorstellen kann, putzen kamen. Ich habe mich ein paarmal weggeduckt und irgendwann der Klassenlehrerin einen freundlichen Brief geschrieben, dass ich das leider zeitlich wirklich nicht abbilden könne, 12 Urlaubstage im Jahr zu nehmen, um in der Schule meines Kindes die Fenster zu putzen, ich könnte mich aber sehr gerne als Sponsor für einen professionellen Fensterputzer anbieten. Das habe ich netter formuliert, und seitdem wurden die Fenster in Onas Grundschule auf meine Kosten gereinigt. Auch das lasse ich mal unkommentiert stehen.
Zu dem ganzen Themenkomplex sei übrigens gesagt, dass ich ja einst aufgehört habe, über Jonathan zu schreiben, weil ich ihn nicht sinnstiftend fragen konnte, ob das okay ist. Jetzt kann ich das, und ich lasse mir Geschichten von ihm autorisieren, so auch diese hier. (Die Verhandlung war hart, sollte doch ein Instagramprofil verlinkt werden, um die lang ersehnte Karriere als Influencer doch noch Wirklichkeit werden zu lassen. Ich habe mich dagegen entschieden.)
Kommen wir zurück zur Schule, genauer gesagt zur Grundschule. Dort habe ich mit meinem Mann folgendes System festgelegt: Ich gehe nicht zu schulischen Veranstaltungen, und zwar genau so lange nicht, bis ich ein Anschreiben von der Lehrerin bekomme, in dem Grammatik, Interpunktion und Orthographie tipptopp ist. Ich wähnte mich (zurecht) für die Dauer der gesamten Grundschulzeit in Sicherheit, und mit Perlen wie Kenntniß und Packet hatte der Mann keine gute Verhandlungsgrundlage.
Einmal musste ich wirklich hin, das konnte ich mir nur schlecht verkneifen, da ich die (wie gestern erwähnt) aktiv-aggressive Rolle gut spiele, mein Mann jedoch Großmeister in passiv-aggressiv ist, was man ja nicht brauchen kann. Und das kam so.
Der Sommerurlaub, als Jonathan 8 war, ging wie eigentlich immer außer "in der aktuellen Situation" mit dem Auto nach Spanien, Fliegen ist aus Umweltgründen ja nicht so sinnvoll. Das dauert lange, deshalb braucht man ein Hörbuch, und da man das Kind endlich groß genug hatte, nicht mehr ausschließlich und immer das Lied mit dem Hähnchen zu hören, fiel die Wahl auf die Känguru Chroniken von Marc-Uwe Kling. Jonathan hat sich sehr schnell alle (teils nicht mehr so weltliteraturartigen) Känguru Teile zueigen gemacht und fand sich grundsätzlich in der Gedankenwelt des kommunistischen Kängurus gut zurecht.
Eines Tages kam er freitags von der Schule und erzählte, er habe heute eine Demo veranstaltet. Auf meine Frage, wogegen denn demonstriert worden wäre, antwortete er "Hitler", ich nahm meinen Terminkalender und strich schon mal alle unwichtigen Termine, um Zeit für das Lehrergespräch zu schaffen. Montags fand ich dann in seiner Postmappe die Einladung zu einem Gesprächstermin, allerdings nicht von der Lehrerin, sondern von der Leiterin der OGS. Wobei das eigentlich keinen Unterschied macht. Ich ließ mir die Situation noch einmal genau erklären ("In der großen Pause bin ich auf den Schulhof gegangen und habe zum Spaß gerufen DE-MO DE-MO, dann sind ein paar Kinder hinterher, dann sind alle 120 hinterher, und dann hat eine Erzieherin gefragt, wogegen wir denn demonstrieren, und dann hab ich überlegt, was das schlechteste ist, was ich kenne, und dann hab ich Hitler gesagt.") und nahm gemeinsam mit meinem Mann den Termin wahr, um bestmöglich beide Eltern zu verbrennen.
Ich kürze an dieser Stelle ab, da das Gespräch auch in Minute 3 bereits so entgleiste, dass mein Kopf aus Selbstschutzgründen das meiste nicht mehr weiß. Es begann mit der Problemstellung, das Kind spreche nicht altersangemessen (zitiertes Beispiel: anderes Kind "Das ist mein Auto!" - Ona: "Meins, deins, das sind doch alles bürgerliche Kategorien."), was ich als Zitat aus einem Stück Literatur enttarnte, die Fragestellung, wie denn genau ein Achtjähriger zu sprechen habe, um altersangemessen zu sein, fände ich jedoch sehr interessant, gefolgt von meinem von langer Hand vorbereiteten Satz "Das nächste Mal bestellen Sie mich doch bitte erst dann ein, wenn mein Sohn FÜR Hitler demonstriert", gefolgt von einem hart unter der Gürtellinie platzierten "Leider ist ihr Sohn ja nur ein Einzelkind", gefolgt von Gesprächsabbruch durch Aufstehen und Gehen. Mich persönlich hat das nicht getroffen. Das Einzelkind hat einen Hund, der mehr wiegt als die allermeisten 11Jährigen, wir kommen klar. Aber man muss auch wissen, wann ein Gespräch beendet ist. (Wir haben die Übermittagsbetreuung dann privat geregelt.)
Sie sehen: Ich engagiere mich nicht in der Schule. Ich putze nicht, ich backe nicht, ich diskutiere nicht, ich möchte kein Amt (anders als mein Mann, der sammelt alles ein, was er an Aufgaben finden kann, das Universum ist also wieder im Gleichgewicht) und ganz, ganz bestimmt mache ich keinen Rachenabstrich.

Gestern Abend hat die Schule ihre neu erworbenen Kompetenzen getestet: Mail schreiben wie normale Leute, also mit Text in der Mail, nicht leer mit angehängtem Word Dokument. In dem Textkörper wurde die Frage gestellt, ob Eltern Lust hätten, sich zu engagieren und bei dem Testen via Rachenabstrich zu helfen. Ich möchte das auch 12 Stunden später einfach unkommentiert stehenlassen. Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich mich im Rahmen der Ausbildung meines Sohnes noch nie für irgendwas engagiert habe. Ich habe an dem kollektiven Osterhasenbacken nicht teilgenommen, da war ich beruflich eingespannt. In der Grundschule gab es die schöne Tradition, dass die Eltern einmal im Monat die Klassenräume inklusive allem, was man sich vorstellen kann, putzen kamen. Ich habe mich ein paarmal weggeduckt und irgendwann der Klassenlehrerin einen freundlichen Brief geschrieben, dass ich das leider zeitlich wirklich nicht abbilden könne, 12 Urlaubstage im Jahr zu nehmen, um in der Schule meines Kindes die Fenster zu putzen, ich könnte mich aber sehr gerne als Sponsor für einen professionellen Fensterputzer anbieten. Das habe ich netter formuliert, und seitdem wurden die Fenster in Onas Grundschule auf meine Kosten gereinigt. Auch das lasse ich mal unkommentiert stehen.
Zu dem ganzen Themenkomplex sei übrigens gesagt, dass ich ja einst aufgehört habe, über Jonathan zu schreiben, weil ich ihn nicht sinnstiftend fragen konnte, ob das okay ist. Jetzt kann ich das, und ich lasse mir Geschichten von ihm autorisieren, so auch diese hier. (Die Verhandlung war hart, sollte doch ein Instagramprofil verlinkt werden, um die lang ersehnte Karriere als Influencer doch noch Wirklichkeit werden zu lassen. Ich habe mich dagegen entschieden.)
Kommen wir zurück zur Schule, genauer gesagt zur Grundschule. Dort habe ich mit meinem Mann folgendes System festgelegt: Ich gehe nicht zu schulischen Veranstaltungen, und zwar genau so lange nicht, bis ich ein Anschreiben von der Lehrerin bekomme, in dem Grammatik, Interpunktion und Orthographie tipptopp ist. Ich wähnte mich (zurecht) für die Dauer der gesamten Grundschulzeit in Sicherheit, und mit Perlen wie Kenntniß und Packet hatte der Mann keine gute Verhandlungsgrundlage.
Einmal musste ich wirklich hin, das konnte ich mir nur schlecht verkneifen, da ich die (wie gestern erwähnt) aktiv-aggressive Rolle gut spiele, mein Mann jedoch Großmeister in passiv-aggressiv ist, was man ja nicht brauchen kann. Und das kam so.
Der Sommerurlaub, als Jonathan 8 war, ging wie eigentlich immer außer "in der aktuellen Situation" mit dem Auto nach Spanien, Fliegen ist aus Umweltgründen ja nicht so sinnvoll. Das dauert lange, deshalb braucht man ein Hörbuch, und da man das Kind endlich groß genug hatte, nicht mehr ausschließlich und immer das Lied mit dem Hähnchen zu hören, fiel die Wahl auf die Känguru Chroniken von Marc-Uwe Kling. Jonathan hat sich sehr schnell alle (teils nicht mehr so weltliteraturartigen) Känguru Teile zueigen gemacht und fand sich grundsätzlich in der Gedankenwelt des kommunistischen Kängurus gut zurecht.
Eines Tages kam er freitags von der Schule und erzählte, er habe heute eine Demo veranstaltet. Auf meine Frage, wogegen denn demonstriert worden wäre, antwortete er "Hitler", ich nahm meinen Terminkalender und strich schon mal alle unwichtigen Termine, um Zeit für das Lehrergespräch zu schaffen. Montags fand ich dann in seiner Postmappe die Einladung zu einem Gesprächstermin, allerdings nicht von der Lehrerin, sondern von der Leiterin der OGS. Wobei das eigentlich keinen Unterschied macht. Ich ließ mir die Situation noch einmal genau erklären ("In der großen Pause bin ich auf den Schulhof gegangen und habe zum Spaß gerufen DE-MO DE-MO, dann sind ein paar Kinder hinterher, dann sind alle 120 hinterher, und dann hat eine Erzieherin gefragt, wogegen wir denn demonstrieren, und dann hab ich überlegt, was das schlechteste ist, was ich kenne, und dann hab ich Hitler gesagt.") und nahm gemeinsam mit meinem Mann den Termin wahr, um bestmöglich beide Eltern zu verbrennen.
Ich kürze an dieser Stelle ab, da das Gespräch auch in Minute 3 bereits so entgleiste, dass mein Kopf aus Selbstschutzgründen das meiste nicht mehr weiß. Es begann mit der Problemstellung, das Kind spreche nicht altersangemessen (zitiertes Beispiel: anderes Kind "Das ist mein Auto!" - Ona: "Meins, deins, das sind doch alles bürgerliche Kategorien."), was ich als Zitat aus einem Stück Literatur enttarnte, die Fragestellung, wie denn genau ein Achtjähriger zu sprechen habe, um altersangemessen zu sein, fände ich jedoch sehr interessant, gefolgt von meinem von langer Hand vorbereiteten Satz "Das nächste Mal bestellen Sie mich doch bitte erst dann ein, wenn mein Sohn FÜR Hitler demonstriert", gefolgt von einem hart unter der Gürtellinie platzierten "Leider ist ihr Sohn ja nur ein Einzelkind", gefolgt von Gesprächsabbruch durch Aufstehen und Gehen. Mich persönlich hat das nicht getroffen. Das Einzelkind hat einen Hund, der mehr wiegt als die allermeisten 11Jährigen, wir kommen klar. Aber man muss auch wissen, wann ein Gespräch beendet ist. (Wir haben die Übermittagsbetreuung dann privat geregelt.)
Sie sehen: Ich engagiere mich nicht in der Schule. Ich putze nicht, ich backe nicht, ich diskutiere nicht, ich möchte kein Amt (anders als mein Mann, der sammelt alles ein, was er an Aufgaben finden kann, das Universum ist also wieder im Gleichgewicht) und ganz, ganz bestimmt mache ich keinen Rachenabstrich.
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Donnerstag, 20. August 2020
All mine
herzbruch, 22:22h
Erst der Witz, dann das Ego, dann der Rest, wenn Sie diese Priorisierung konsequent durchziehen, garantiere ich Ihnen, dass die meisten Menschen denken, Sie seien komisch (im Sinne von irre), Sie selber aber ab sofort einen hohen Grad an Amüsement in Ihrem Leben zu verzeichnen haben. Das ist natürlich nur dann gut, wenn Sie Amüsement schätzen. Frau N. und ich haben in den letzten Tagen ein wenig miteinander gespielt, ihr war langweilig, weil sie so viele Dinge weggemanagt hatte, dass sie plötzlich sehr viel Rechenkapazität frei hatte, ich musste prokrastinieren. Also eigentlich haben wir nicht anders gespielt als sonst, aber erstmals haben wir Sie ein wenig zuschauen lassen. Frau N. und ich sind beide hochkompetitive Menschen, ich möchte sagen höchstkompetitiv, aber nur dann, wenn jemand gut gegenhält, dann aber echt, und wenn über so viele Jahre einer immer gegenhält, schaukelt sich das halt alles hoch. Im Umgang miteinander sind wir aktiv-aggressiv, was ja eine ganz erfrischende Abwechslung zur gesamten Außenwelt ist. Passiv-aggressiv finde ich sehr anstrengend, ist aber gesellschaftlich viel akzeptierter. Das ist für Menschen wie N. und mich sehr schade. Also sind wir einfach miteinander aktiv-aggressiv und leben uns da ganz aus, und ich erkläre Ihnen gerne, wie das funktioniert. Wir beide schätzen ein böses Repartee deutlich mehr als persönliche Befindlichkeiten, und wenn der Gag gut ist, aber auf unsere Kosten, müssen wir halt lachen und freuen uns, dass der Anderen so was Lustiges eingefallen ist. Und da wir beide leider sehr maßlos sind in allem, was wir tun, kann es dann halt auch schon mal passieren, dass ich morgens vor 8 serviert kriege, dass man sich nicht sicher sei, ob ich einfach jeden Abend rotzbesoffen bin (nein, nicht rotz, rotz wirklich nicht), und dann muss ich lachen, und dann ist der Tag gut gestartet. Ich sage hingegen manchmal Sachen, die dazu führen, dass Frau N. einfach umfällt. Alles in allem ist das einfach eine sehr gelungene aktiv-aggressive Beziehung.
Und jetzt kommt der Didaktikteil. Das heißt nämlich leider nicht, so lernte ich in den letzten Tagen über mich selber, dass man ein ungefiltert aktiv-aggressives Leben führen kann. Weder kann man einfach überall austeilen im Spaß (gelernt, Check), noch kann man vernünftig einstecken (gelernt, Check). Es ist nämlich so. Zu einer guten, erfüllten, aktiv-aggressiven Beziehung wie der von Frau N. und mir gehört, dass man sich - und ja, ich höre schon die schnippische akiv-aggressive Einlassung darauf - uneingeschränkt schätzt. Dann weiß man nämlich, dass das Gegenüber spielt und den besseren Gag landen möchte. Und dann fällt man vor Lachen um. Das führt mich zu einer Beobachtung, die ich vorher nie gemacht habe: Frau N. Wir brauchen ein Safeword. So wie in der Erotik. In den letzten 12 Jahren ist zum Glück der Moment noch nicht eingetreten, dass das nützlich gewesen wäre, aber wenn sich mein Sektkonsum so weiterentwickelt, wird eine Intervention unausweichlich sein.
Und jetzt kommt der Emoteil. Ich glaube, großer Teil unserer gesunden aktiv-aggressiven Beziehung ist, dass wir beide für die jeweils Andere etwas getan haben, was sie selber nicht tun konnte, aber auch kein anderer. Obacht. Jetzt werde ich sentimental. Die vermutlich wichtigste Email, die ich in meinem Leben geschrieben habe, konnte ich gar nicht schreiben, weil ich mir ihrer Tragweite bewusst war und der Irreversibilität. Tage, nein, wochenlang hat Frau N. zugeguckt und nix gesagt, weil ich ja normalerweise eher Dinge einfach mache statt sie auszusitzen, irgendwann in letzter Sekunde hat sie jedoch eingeworfen, dass ich mal was wegmanagen müsste, und dann habe ich ihr das Passwort für mein Emailpostfach gegeben, habe gesagt "mach Du", und dann bin ich spazieren gegangen und habe wochenlang digitale Entschlackung gemacht. Ich weiß nicht, wie es ausgegangen ist, sie musste danach natürlich auch ein engmaschiges Monitoring meines Postfachs machen, aber soweit ich weiß, bekleide ich gar keinen halbseidenen Lehrstuhl in Ostdeutschland, daher glaube ich, das wurde zufriedenstellend weggemanagt. (Note to self: Gleich mal nachfragen). Viele Jahre später erhielt ich in der Post einen Brief, den ich lesen und entsprechend kommentarlos bearbeiten musste, ausgestellt an Frau N. Die Revanche. Letzte Woche habe ich nach Jahren den Brief mit zu Frau N genommen, um ihn zu transferieren. Das hab ich dann vergessen, jetzt steht er wieder im Gewürzregal, damit ich ihn nicht verliere. Er riecht nach Zimt.
Im philosophischen Teil könnten wir jetzt darüber nachdenken, was es braucht, um zusammen so zu funktionieren. Wenn ich das patentieren lassen würde, wäre ich reich, und das wäre aufgrund "der aktuellen Situation" natürlich super. So richtig weiß ich es aber nicht. Eventuell ist man einfach ganz genau gleich. Gleich irre, sagen Sie jetzt vielleicht, meine Beobachtung ist jedoch (und ich habe leider zeitlebens nur in Umfeldern gearbeitet, wo ausschließlich spezielle Leute rumlaufen, erlaube mir dennoch eine Meinung), dass es keine normalen Menschen gibt. Sie finden sich alle sehr besonders, ich finde mich sehr besonders, und jetzt kommt ein bisschen Logik: Wenn alle total besonders sind, ist halt wieder keiner besonders. Es gibt halt kein Normal, das uns eicht, wobei wir natürlich jetzt abwarten könnten, wie es sich mit dem New Normal entwickelt. Wenn man dann auf eine Person trifft, die genau die gleichen Idiosynkrasien aufweist wie man selber, dann fügt sich der gesamte Rest von selbst. Wenn man jetzt mal überlegt, wie viele Länder ich bewohnt habe, wie viele Jobs ich neu angefangen habe, etc., dann ist n=1 natürlich eine sehr magere Ausbeute. Gegensätze ziehen sich an halte ich übrigens für großen Unsinn. Ich möchte mich gerne mit genau gleichen Menschen umgeben, wenn nämlich keiner normal ist, muss man sich weniger anstrengen, wenn man ähnlich unnormal ist. Man braucht dann auch keine Wörterbücher Frau/Mann. Das müsste man eventuell im Aufklärungsunterricht in der Schule auch mal erklären. Dann würden wir das mit der Geburtenrate
wieder hinkriegen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Frau N. und ich machen zwar keinen Spaß, aber Sie müssen sich nicht sorgen, es geht uns gut. Ein Alkoholproblem habe ich vermutlich auch nicht, ich teste das regelmäßig. Und auch ganz spezielle Leute wie wir alle müssen manchmal banale Sachen machen, ich zum Beispiel beziehe jetzt mein Bett. Ich liebe es, in einem frischbezogenen Bett zu schlafen, aber ich hasse nichts mehr, als das Bett zu beziehen. Das teile ich mit allen Menschen auf der Welt. Das ist normal. Da fällt mir ein, dass ich als Kind in einer Illustrierten mal ein Interview mit Mutter Beimer gelesen habe, in dem sie erklärte, dass sie ihre Betten immer gut lüftet und die Bettwäsche nur einmal im Jahr wechselt. Damals gab es ja noch gar keine Umwelt, ich weiß also nicht, was der Grund dafür gewesen sein könnte. Ich weiß nur, dass mich das immens beeindruckt hat, dass man sich traut, so etwas Abwegiges in einem Illustrierteninterview zu sagen. Ich habe das nie mehr aus dem Kopf gekriegt, und ich spüre seitdem immer ein kleines Schaudern, das mir über den Rücken läuft, wenn ich Mutter Beimer sehe. Ich denke, um ihre Erotik kann es auch nicht gut bestellt sein.
Und jetzt haben wir natürlich die schlechte Situation, dass ich zwar den gesamten Tag einen Ohrwurm habe, ich aber vergessen habe, beim Runterrattern die passende Ausfahrt zu nehmen, um da noch sinnvoll hinzukommen. Ich weiß auch nicht, woher er kam, plötzlich war er da, aber er wird geschätzt, geht viel schlimmer. Da ich es aber geschafft habe, einen Blogeintrag über Frau N. und Mutter Beimer zu schreiben, in dem zweimal das Wort "Erotik" vorkommt, schreibe ich ein anderes, nämlich das allererotischste Lied oben drüber, das ich kenne. Portishead. All Mine.
Und jetzt kommt der Didaktikteil. Das heißt nämlich leider nicht, so lernte ich in den letzten Tagen über mich selber, dass man ein ungefiltert aktiv-aggressives Leben führen kann. Weder kann man einfach überall austeilen im Spaß (gelernt, Check), noch kann man vernünftig einstecken (gelernt, Check). Es ist nämlich so. Zu einer guten, erfüllten, aktiv-aggressiven Beziehung wie der von Frau N. und mir gehört, dass man sich - und ja, ich höre schon die schnippische akiv-aggressive Einlassung darauf - uneingeschränkt schätzt. Dann weiß man nämlich, dass das Gegenüber spielt und den besseren Gag landen möchte. Und dann fällt man vor Lachen um. Das führt mich zu einer Beobachtung, die ich vorher nie gemacht habe: Frau N. Wir brauchen ein Safeword. So wie in der Erotik. In den letzten 12 Jahren ist zum Glück der Moment noch nicht eingetreten, dass das nützlich gewesen wäre, aber wenn sich mein Sektkonsum so weiterentwickelt, wird eine Intervention unausweichlich sein.
Und jetzt kommt der Emoteil. Ich glaube, großer Teil unserer gesunden aktiv-aggressiven Beziehung ist, dass wir beide für die jeweils Andere etwas getan haben, was sie selber nicht tun konnte, aber auch kein anderer. Obacht. Jetzt werde ich sentimental. Die vermutlich wichtigste Email, die ich in meinem Leben geschrieben habe, konnte ich gar nicht schreiben, weil ich mir ihrer Tragweite bewusst war und der Irreversibilität. Tage, nein, wochenlang hat Frau N. zugeguckt und nix gesagt, weil ich ja normalerweise eher Dinge einfach mache statt sie auszusitzen, irgendwann in letzter Sekunde hat sie jedoch eingeworfen, dass ich mal was wegmanagen müsste, und dann habe ich ihr das Passwort für mein Emailpostfach gegeben, habe gesagt "mach Du", und dann bin ich spazieren gegangen und habe wochenlang digitale Entschlackung gemacht. Ich weiß nicht, wie es ausgegangen ist, sie musste danach natürlich auch ein engmaschiges Monitoring meines Postfachs machen, aber soweit ich weiß, bekleide ich gar keinen halbseidenen Lehrstuhl in Ostdeutschland, daher glaube ich, das wurde zufriedenstellend weggemanagt. (Note to self: Gleich mal nachfragen). Viele Jahre später erhielt ich in der Post einen Brief, den ich lesen und entsprechend kommentarlos bearbeiten musste, ausgestellt an Frau N. Die Revanche. Letzte Woche habe ich nach Jahren den Brief mit zu Frau N genommen, um ihn zu transferieren. Das hab ich dann vergessen, jetzt steht er wieder im Gewürzregal, damit ich ihn nicht verliere. Er riecht nach Zimt.
Im philosophischen Teil könnten wir jetzt darüber nachdenken, was es braucht, um zusammen so zu funktionieren. Wenn ich das patentieren lassen würde, wäre ich reich, und das wäre aufgrund "der aktuellen Situation" natürlich super. So richtig weiß ich es aber nicht. Eventuell ist man einfach ganz genau gleich. Gleich irre, sagen Sie jetzt vielleicht, meine Beobachtung ist jedoch (und ich habe leider zeitlebens nur in Umfeldern gearbeitet, wo ausschließlich spezielle Leute rumlaufen, erlaube mir dennoch eine Meinung), dass es keine normalen Menschen gibt. Sie finden sich alle sehr besonders, ich finde mich sehr besonders, und jetzt kommt ein bisschen Logik: Wenn alle total besonders sind, ist halt wieder keiner besonders. Es gibt halt kein Normal, das uns eicht, wobei wir natürlich jetzt abwarten könnten, wie es sich mit dem New Normal entwickelt. Wenn man dann auf eine Person trifft, die genau die gleichen Idiosynkrasien aufweist wie man selber, dann fügt sich der gesamte Rest von selbst. Wenn man jetzt mal überlegt, wie viele Länder ich bewohnt habe, wie viele Jobs ich neu angefangen habe, etc., dann ist n=1 natürlich eine sehr magere Ausbeute. Gegensätze ziehen sich an halte ich übrigens für großen Unsinn. Ich möchte mich gerne mit genau gleichen Menschen umgeben, wenn nämlich keiner normal ist, muss man sich weniger anstrengen, wenn man ähnlich unnormal ist. Man braucht dann auch keine Wörterbücher Frau/Mann. Das müsste man eventuell im Aufklärungsunterricht in der Schule auch mal erklären. Dann würden wir das mit der Geburtenrate
wieder hinkriegen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Frau N. und ich machen zwar keinen Spaß, aber Sie müssen sich nicht sorgen, es geht uns gut. Ein Alkoholproblem habe ich vermutlich auch nicht, ich teste das regelmäßig. Und auch ganz spezielle Leute wie wir alle müssen manchmal banale Sachen machen, ich zum Beispiel beziehe jetzt mein Bett. Ich liebe es, in einem frischbezogenen Bett zu schlafen, aber ich hasse nichts mehr, als das Bett zu beziehen. Das teile ich mit allen Menschen auf der Welt. Das ist normal. Da fällt mir ein, dass ich als Kind in einer Illustrierten mal ein Interview mit Mutter Beimer gelesen habe, in dem sie erklärte, dass sie ihre Betten immer gut lüftet und die Bettwäsche nur einmal im Jahr wechselt. Damals gab es ja noch gar keine Umwelt, ich weiß also nicht, was der Grund dafür gewesen sein könnte. Ich weiß nur, dass mich das immens beeindruckt hat, dass man sich traut, so etwas Abwegiges in einem Illustrierteninterview zu sagen. Ich habe das nie mehr aus dem Kopf gekriegt, und ich spüre seitdem immer ein kleines Schaudern, das mir über den Rücken läuft, wenn ich Mutter Beimer sehe. Ich denke, um ihre Erotik kann es auch nicht gut bestellt sein.
Und jetzt haben wir natürlich die schlechte Situation, dass ich zwar den gesamten Tag einen Ohrwurm habe, ich aber vergessen habe, beim Runterrattern die passende Ausfahrt zu nehmen, um da noch sinnvoll hinzukommen. Ich weiß auch nicht, woher er kam, plötzlich war er da, aber er wird geschätzt, geht viel schlimmer. Da ich es aber geschafft habe, einen Blogeintrag über Frau N. und Mutter Beimer zu schreiben, in dem zweimal das Wort "Erotik" vorkommt, schreibe ich ein anderes, nämlich das allererotischste Lied oben drüber, das ich kenne. Portishead. All Mine.
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Mittwoch, 19. August 2020
Take Five
herzbruch, 22:08h
Da ist die Werbung alles nix und der Kenner entscheidet, das hört man heutzutage in meiner Branche wirklich oft. Und was soll ich sagen: Richtig ist das. Haben Sie mal versucht, einer Zielgruppe von über-40Jährigen neue Monatshygieneartikel anzupreisen? Ich schon. Totgeburt. Natürlich. Hab ich auch von Sekunde 1 gesagt, als jemand mitten aus der Zielgruppe, aber dann denken Leute ja, ich wäre die Ausnahme, weil ich Veränderung ja selten schätze. Ich habe aber leider in dem Punkte Recht. Etwa mit 20 hat die durchschnittliche Frau verstanden, wie der ganze Themenkomplex untenrum zu verstehen ist, und die nächsten 30 Jahre macht man einfach alles so, wie man das mit 20 überlegt hat, Produkte, Dosierung Ibuprofen, alles immer jeden Monat gleich. Dann kann man seinen Kopf nämlich für andere Dinge benutzen und muss sich auch nicht weiter mit der Evaluation von Werbung beschäftigen. Also ich schon, aber nicht privat. Ich bin die eine Person in Deutschland, die nicht beworben werden kann, ich interessiere mich einfach nicht für Dinge. Heute zum Beispiel kaufte ich einen Nagellack. Chanel Rouge Noir. Den habe ich zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen, seitdem ist das halt mein Nagellack, er ist nämlich hübsch und hält lange. Das war etwa 25 Jahre sehr praktisch, wenngleich - und damit bin ich über jeden Zweifel des Product Placements erhaben - das ein mittelgutes Produkt ist. Es gibt bessere. An jeder Arbeitsstätte und an jedem Wohnort (auch bei Frau N.), sowie auf jeder Staatsexamensklausur, die ich je korrigiert habe, sind dunkelrote Striche, die werden nämlich hinterlassen. Das ist nicht gut, es gibt aber leider keine Alternative, denn nach 25 Jahren scheidet jede andere Farbe aus, sonst gucke ich auf meine Hände und denke "OMG, von wem sind die denn?" Ich habe dann mal in einem Kundenumfeld aus der Rubrik Bunt und Schön gearbeitet, da war die Geschäftsführerin so gepolt, dass sie beim Kennenlernen an Menschen roch. Nun neige ich nicht zu BO, aber das war schon sehr anstrengend, da eine Note zu finden, die gleichzeitig Kompetenz und Verlässlichkeit ausstrahlte. Zudem sollten, so das Briefing, die Nägel lackiert sein, aber bitte nicht rot, das sei nuttig. Seitdem habe ich noch die Variante "oxidierte Leberwurst", die war gepflegt und unaufdringlich genug. Ich kam mit der Geschäftsführerin gut klar.
Ich weiß jetzt auch nicht wirklich, wieso ich diese Richtung eingeschlagen habe, aufgrund meiner absoluten Festgelegtheit bin ich ja sehr wenig mit den entsprechenden Themen befasst. Schuhe waren da in der Vergangenheit schon schwieriger. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber ich hatte, nicht ganz frauenuntypisch, so ein Ding mit Schuhen. Sehr früh habe ich verstanden, dass die Bild/Ton-Schere zu sehr günstigen Überraschungseffekten führt, wenn jemand in guten hohen Schuhen (immer geschmackvoll, bitte) über formale Logik spricht. Ich saß mal in der ersten Reihe in einem Vortrag eines bedeutenden niederländischen Fernsehphilosophen, der mittendrin mein Schuhwerk komplimentierte (für Frau Schüssler: Fluevog Merrilee. Ich bin bis heute sehr stolz auf meine Reaktion. Ich habe gelangweilt geguckt und genickt.) Zudem trug ich gern und viel Schwarz, und das konnte man ein wenig - beim Friseur würde man sagen - aufpeppen. Doch dann passierte leider vor 3 Jahren was Dummes, ich fiel die Treppe runter und freute mich sehr, dass ich mich nicht am Küchentresen dekapitiert hatte, doch leider hatte ich (Medizinchinesisch, allerdings in dem Fall sehr explicit) eine Komplettsprengung des Fußgelenks erlitten, das heißt stark vereinfacht: Alle Knochen durch, alle Bänder durch. Im Prinzip ist das Fuß ab mit noch Haut drum. Nun profiliere ich mich ja ungern durch Leid, aber das war trotz vieler Schrauben und allem ein sehr schwieriger Prozess, der letztlich zu dem Entschluss geführt hat, als ich nach 10 Monaten die Krücken in den Keller brachte, dass ich vermutlich ab sofort im Schnitt 8 cm kleiner bin. Und damit lebe ich gut. Turnschuhe habe ich ja vorher schon gerne getragen, ich brauchte nur eine businesstaugliche Variante, und die fand ich in dreifarbigen Schnürschuhen englischen Formats. Ich möchte sagen: Ich habe die Clownschuhe nach Deutschland gebracht, denn nicht nur besitze ich selber jetzt eine mittlere zweistellige Anzahl an dreifarbigen Clownschuhen, sondern ich missioniere auf Nachfrage auch eifrig. Auf Branchenveranstaltungen tragen jedes Jahr mehr Frauen Clownschuhe und kommen dann zu mir und sagen "guck mal, ich hab die jetzt auch". Schade eigentlich, dass man aufgrund der aktuellen Situation gar keine Schuhe mehr braucht.
So, das mit dem von Frau N. vorgegebenen Satz hätten wir jetzt wohl erledigt, dann kann ich auch noch was schreiben, wozu ich Lust habe. Ich habe mir ein System überlegt, wie ich mit den Überschriften verfahre. Ich denke mir ja gerne Hintergrundmusik zu Situationen, wenn es sich einrichten lässt, höre ich die dann sogar. Ich würde für den Moment als Überschrift immer den Titel eines Liedes nehmen, das mir zum Thema einfällt. Mal sehen, ob das trägt. Ich habe heute gleich drei Lieder gehabt, die mir gut den Tag strukturiert haben. (Vielleicht gönne ich mir einfach den Luxus, die allabendliche Frage von Frau N. hier in Buchform zu beantworten. Obwohl, nein.)
1) Ich saß mit meinem Kompagnon in der Küche an der Theke und wir spielten Agentur. Dann erhielt ich eine Email von einem Kollegen. Ich kann nicht viel zitieren, aber ein kleines bisschen: "Schön, dass du dich engagierst und halte es bitte aus, mit Menschen zu tun zu haben, die nicht mit geistreichen Impulsen von Frauen (schlimm, dass man das so auf den Punkt schreiben muss) umgehen gelernt haben. Holla." Ich denke, es ist alles gesagt. Was mich ein bisschen irritiert, ist ja folgende Frage: Mit 25 war ich wissenschaftliche Assistentin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 35 war ich Professorin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 44 bin ich offiziell erwachsen, und okay, jetzt streite ich mich mit 70Jährigen, aber die eigentliche Frage ist ja die: Wo zur Hölle sind denn bitte die anderen Alterskohorten? Ich möchte mal mit 40Jährigen arbeiten. Oder mit 50Jährigen. Warum muss ich mein ganzes Leben lang nur mit Fossilen arbeiten? Und wie alt muss ich denn werden, um nicht mehr das Mädchen zu sein? Ich verstehe es nicht, sehe aber, dass wir das in dem Rahmen hier nicht besprechen können. Mein Kompagnon machte dann Musik an. Samuel Barber, Adagio for Strings. Das war gut gegen Puls und wurde bei der Beerdigung von Kennedy schon gespielt, das kann auch die Hintergrundmusik sein, wenn wir die Emanzipation beerdigen. Why not.
2) Das zweite Lied kam mir kurz danach zugeflogen, die Assoziationskette kann ich nicht mehr genau herleiten, aber vermutlich lief es über Schuhe und irgendwas mit Feminismus und Pink, und dann fiel mir Pink Moon von Nick Drake ein. Dann habe ich die CD gesucht (gelogen, CDs sind im Keller) und Pink Moon gehört, und dann dachte ich 'toll, ich hör das jetzt wieder ganz durch", dann wurde mir Mitte des zweiten Liedes, das ja wie das erste und das dritte klingt, langweilig, und ich hörte was anderes. Alle 10 Jahre kann ich Pink Moon hören und finde es eine Runde lang toll, für mehr reicht meine New-Media geschädigte Aufmerksamkeitsspanne leider nicht mehr.
3) Ich finde es ja immer sehr befriedigend, wenn man den Bogen wieder zurückgeschlagen kriegt, und ein Vorteil, wenn man 8 Jahre nicht gebloggt hat (oder so ähnlich) ist ja, dass Sie alles nicht miterlebt haben. So zum Beispiel die Beerdigung meines Vaters vor 12 Monaten. Damit kann ich jetzt 1) und die Clownschuhe zusammenführen. Kein Beileid, alles gut, er hat lange darauf hingearbeitet, somit war das alles in Ordnung. Mein Vater war im Herzen Musiker, hat Jazztrompete studiert, um dann später für den Broterwerb was anderes zu machen, aber für seine Beerdigung hat er sich einen Trompeter gewünscht. Liedwahl hat er mir überlassen, of all people. Ich habe Autumn Leaves gewählt bei der Beisetzung, aber das war gar nicht sein Lied, der Trompeter konnte aber nicht viel trotz teuer. Für sein Lied, das wir ihm nach der Predigt in der Kirche gespielt habe, habe ich mir Schuhe gekauft, nämlich die Clownschuhe, die ich sonst in dreifarbig trage in einfarbig, schwarz Lack. Das fand ich passend. Nach dem letzten Kirchenfirlefanz haben wir ihn also überrascht und sein Lied (vom Band, Trompeter war ja schlecht) spielen lassen, welches 50 Jahre lang sein Lied war, und während viele Leute ein wenig verstört waren und meine Mutter sich auflöste, haben meine Schwestern, Ona und ich das gemacht, was er sich gewünscht hätte. Augen zu, lächeln und Rhythmus.
Ich weiß jetzt auch nicht wirklich, wieso ich diese Richtung eingeschlagen habe, aufgrund meiner absoluten Festgelegtheit bin ich ja sehr wenig mit den entsprechenden Themen befasst. Schuhe waren da in der Vergangenheit schon schwieriger. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber ich hatte, nicht ganz frauenuntypisch, so ein Ding mit Schuhen. Sehr früh habe ich verstanden, dass die Bild/Ton-Schere zu sehr günstigen Überraschungseffekten führt, wenn jemand in guten hohen Schuhen (immer geschmackvoll, bitte) über formale Logik spricht. Ich saß mal in der ersten Reihe in einem Vortrag eines bedeutenden niederländischen Fernsehphilosophen, der mittendrin mein Schuhwerk komplimentierte (für Frau Schüssler: Fluevog Merrilee. Ich bin bis heute sehr stolz auf meine Reaktion. Ich habe gelangweilt geguckt und genickt.) Zudem trug ich gern und viel Schwarz, und das konnte man ein wenig - beim Friseur würde man sagen - aufpeppen. Doch dann passierte leider vor 3 Jahren was Dummes, ich fiel die Treppe runter und freute mich sehr, dass ich mich nicht am Küchentresen dekapitiert hatte, doch leider hatte ich (Medizinchinesisch, allerdings in dem Fall sehr explicit) eine Komplettsprengung des Fußgelenks erlitten, das heißt stark vereinfacht: Alle Knochen durch, alle Bänder durch. Im Prinzip ist das Fuß ab mit noch Haut drum. Nun profiliere ich mich ja ungern durch Leid, aber das war trotz vieler Schrauben und allem ein sehr schwieriger Prozess, der letztlich zu dem Entschluss geführt hat, als ich nach 10 Monaten die Krücken in den Keller brachte, dass ich vermutlich ab sofort im Schnitt 8 cm kleiner bin. Und damit lebe ich gut. Turnschuhe habe ich ja vorher schon gerne getragen, ich brauchte nur eine businesstaugliche Variante, und die fand ich in dreifarbigen Schnürschuhen englischen Formats. Ich möchte sagen: Ich habe die Clownschuhe nach Deutschland gebracht, denn nicht nur besitze ich selber jetzt eine mittlere zweistellige Anzahl an dreifarbigen Clownschuhen, sondern ich missioniere auf Nachfrage auch eifrig. Auf Branchenveranstaltungen tragen jedes Jahr mehr Frauen Clownschuhe und kommen dann zu mir und sagen "guck mal, ich hab die jetzt auch". Schade eigentlich, dass man aufgrund der aktuellen Situation gar keine Schuhe mehr braucht.
So, das mit dem von Frau N. vorgegebenen Satz hätten wir jetzt wohl erledigt, dann kann ich auch noch was schreiben, wozu ich Lust habe. Ich habe mir ein System überlegt, wie ich mit den Überschriften verfahre. Ich denke mir ja gerne Hintergrundmusik zu Situationen, wenn es sich einrichten lässt, höre ich die dann sogar. Ich würde für den Moment als Überschrift immer den Titel eines Liedes nehmen, das mir zum Thema einfällt. Mal sehen, ob das trägt. Ich habe heute gleich drei Lieder gehabt, die mir gut den Tag strukturiert haben. (Vielleicht gönne ich mir einfach den Luxus, die allabendliche Frage von Frau N. hier in Buchform zu beantworten. Obwohl, nein.)
1) Ich saß mit meinem Kompagnon in der Küche an der Theke und wir spielten Agentur. Dann erhielt ich eine Email von einem Kollegen. Ich kann nicht viel zitieren, aber ein kleines bisschen: "Schön, dass du dich engagierst und halte es bitte aus, mit Menschen zu tun zu haben, die nicht mit geistreichen Impulsen von Frauen (schlimm, dass man das so auf den Punkt schreiben muss) umgehen gelernt haben. Holla." Ich denke, es ist alles gesagt. Was mich ein bisschen irritiert, ist ja folgende Frage: Mit 25 war ich wissenschaftliche Assistentin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 35 war ich Professorin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 44 bin ich offiziell erwachsen, und okay, jetzt streite ich mich mit 70Jährigen, aber die eigentliche Frage ist ja die: Wo zur Hölle sind denn bitte die anderen Alterskohorten? Ich möchte mal mit 40Jährigen arbeiten. Oder mit 50Jährigen. Warum muss ich mein ganzes Leben lang nur mit Fossilen arbeiten? Und wie alt muss ich denn werden, um nicht mehr das Mädchen zu sein? Ich verstehe es nicht, sehe aber, dass wir das in dem Rahmen hier nicht besprechen können. Mein Kompagnon machte dann Musik an. Samuel Barber, Adagio for Strings. Das war gut gegen Puls und wurde bei der Beerdigung von Kennedy schon gespielt, das kann auch die Hintergrundmusik sein, wenn wir die Emanzipation beerdigen. Why not.
2) Das zweite Lied kam mir kurz danach zugeflogen, die Assoziationskette kann ich nicht mehr genau herleiten, aber vermutlich lief es über Schuhe und irgendwas mit Feminismus und Pink, und dann fiel mir Pink Moon von Nick Drake ein. Dann habe ich die CD gesucht (gelogen, CDs sind im Keller) und Pink Moon gehört, und dann dachte ich 'toll, ich hör das jetzt wieder ganz durch", dann wurde mir Mitte des zweiten Liedes, das ja wie das erste und das dritte klingt, langweilig, und ich hörte was anderes. Alle 10 Jahre kann ich Pink Moon hören und finde es eine Runde lang toll, für mehr reicht meine New-Media geschädigte Aufmerksamkeitsspanne leider nicht mehr.
3) Ich finde es ja immer sehr befriedigend, wenn man den Bogen wieder zurückgeschlagen kriegt, und ein Vorteil, wenn man 8 Jahre nicht gebloggt hat (oder so ähnlich) ist ja, dass Sie alles nicht miterlebt haben. So zum Beispiel die Beerdigung meines Vaters vor 12 Monaten. Damit kann ich jetzt 1) und die Clownschuhe zusammenführen. Kein Beileid, alles gut, er hat lange darauf hingearbeitet, somit war das alles in Ordnung. Mein Vater war im Herzen Musiker, hat Jazztrompete studiert, um dann später für den Broterwerb was anderes zu machen, aber für seine Beerdigung hat er sich einen Trompeter gewünscht. Liedwahl hat er mir überlassen, of all people. Ich habe Autumn Leaves gewählt bei der Beisetzung, aber das war gar nicht sein Lied, der Trompeter konnte aber nicht viel trotz teuer. Für sein Lied, das wir ihm nach der Predigt in der Kirche gespielt habe, habe ich mir Schuhe gekauft, nämlich die Clownschuhe, die ich sonst in dreifarbig trage in einfarbig, schwarz Lack. Das fand ich passend. Nach dem letzten Kirchenfirlefanz haben wir ihn also überrascht und sein Lied (vom Band, Trompeter war ja schlecht) spielen lassen, welches 50 Jahre lang sein Lied war, und während viele Leute ein wenig verstört waren und meine Mutter sich auflöste, haben meine Schwestern, Ona und ich das gemacht, was er sich gewünscht hätte. Augen zu, lächeln und Rhythmus.
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