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Freitag, 30. Oktober 2020
There is a light that never goes out (The Smiths)
herzbruch, 20:11h
Es ist nicht leicht. Ich bin ja noch nicht einmal Hobbyvirologin, aber ein mathematisch begabter Mensch. Und als solcher möchte ich zumindest eine Augenbraue anlässlich der am Montag in Kraft tretenden, deutschlandweiten neuen Maßnahmen zur Unterbrechung des exponentiellen Wachstums (an dieser Stelle stellte sich mir kurz die Frage, ob der Satz noch verschachtelter werde müsse, weil ich noch einschieben muss, was hier gerade exponentiell wächst, aber ich denke, das können Sie sich selber herleiten, danke) heben. Und nun ist es nicht so, als würde ich mir einen Lockdown herbeisehnen, es ist auch eigentlich nicht einmal so, dass ich mich mit "der aktuellen Situation" auch nur annähernd abgefunden hätte. Ich möchte jetzt bitte kein Corona mehr. Ich wollte auch im Jahr 2000 noch immer keinen Euro. Ich wollte König Willem-Alexander nicht. Ich sage noch immer Raider, wenn ich mich nicht sehr konzentriere. Grundsätzlich komme ich mit Veränderungen schlecht zurecht, und eine globale Pandemie ist jetzt auch keine Veränderung in eine erstrebenswerte Richtung, wenngleich ich jede Form von körperlichem Abstand ja sehr feiere. Darüberhinaus gilt: Pandemie ist scheiße. Aber das ist bekannt.
Ich hatte ja noch bevor ich wieder regelmäßiger gebloggt habe einmal sehr viel Dampf abgelassen, da ich fand, dass die Digitalisierung in deutschen Schulen unverhältnismäßig wenig gewollt ist (inzwischen kann man es nicht mehr anders erklären: NIEMAND kann so unfähig sein, dass es nach über einem halben Jahr immer noch nicht weiter gediehen ist als "wenn ihr in Quarantäne müsst, schicken wir euch die Hausaufgaben zu", und ja, Sie kennen den Text, es gibt Tolle unter Ihnen etc., aber an der einen Schule, die ich von innen kenne, ist es halt so. Wenn man sich übrigens ein Bein gebrochen hat und deshalb nicht in die Schule kommen kann, darf man an Onas Schule explizit am digitalen Lernen nicht teilnehmen. Egal, aus welchem Grund man verhindert ist: Das Arbeitsblatt kriegt man nur dann geschickt, wenn es offizielle Corona-Quarantäne ist. Diesbezüglich gibt es etwa zweitäglich eine Mail, um das noch mal klar zu kommunizieren. Kein digitales Lernen ohne das Gesundheitsamt. Denn: Eigentlich möchte man das ja generell nicht, wenn man sich das Bein bricht, gibt es halt keine Schule. War früher ja auch so, was soll die Diskussion. Aus uns ist ja auch was geworden, wie man an all den begnadeten Projektmanagern in deutschen Schulen und Kultusministerien sieht. Ein Traum.
Aber ich schweife ab. Ich habe die folgende blöde Befürchtung: Die Maßnahmen werden original nix tun. Naja, vielleicht ein wenig, aber nichts, was bis Weihnachten trägt. Vom großen Familienweihnachten ersten Grades habe ich mich sowieso schon verabschiedet, jedes Jahr sitzen wir zu elft in meinem Wohnzimmer, das sehe ich nicht, ist mir aber auch recht, es geht um Oma, dann ist das halt so. Aber: Es geht mir nicht weit genug, und da spreche ich als selbständige Unternehmerin. Also nicht die Zielgruppe, die dem Lockdown hinterherhechelt. Aber die zweiwöchigen Herbst-Schulferien noch schnell für die Fernreise zu nutzen um dann direkt im Anschluss zu sagen "und jetzt machen wir mal die Kneipen zu, aber die fast 9 Millionen Schüler:innen lassen wir morgens mit der U-Bahn in die Schule fahren, und dann sitzen sie halt mit 30 Kindern in einer Klasse, es gibt ja ein Lüftungskonzept" finde ich verrückt. Das Föderalismusargument, dass die Herbstferien ja unterschiedlich verteilt sind, finde ich... oh entschuldigen Sie, ich war kurz eingeschlafen. Da wir in den mathematischen Modellen ja erklärt bekommen, dass wir einfach kurz 75% unserer Kontaktsituationen einsparen müssen, finde ich das total folgerichtig, jeden Morgen 9 Millionen Menschen in U-Bahnen und dann zu dreißigst in Klassenräume zu stecken. Warum nicht. Aber auch hier kommt man mit meinem Lieblingshandwerkszeug, der Grundschulmathematik, ja sehr schnell an den Punkt, wo man anzweifelt, ob das jetzt so funktioniert. In unserem Fall sieht es übrigens so aus, dass permanent Lehrer in Quarantäne sind und deshalb in allererster Linie Vertretungsunterricht stattfindet. Mit "wir gucken einen Film". Gegenvorschlag. Warum denkt sich denn die für mich zuständige Schulministerin Gebauer nicht einfach eine Liste von sechstklässlertauglichen Filmen aus und schickt die als offenes Word Dokument im Emailanhang, und dann lassen wir die Kinder zuhause (die Älteren! Ja, klar, ich hab gut reden, mein Kind beschäftigt sich allein und ich kann arbeiten, aber das ist ja immerhin mindestens die Hälfte der deutschen Schulkinder, die älter sind als 10) und zeigen ihnen einfach im Kinderzimmer auf irgendeinem Endgerät die Filme, die sie sonst in der Schule gucken, weil der Sportlehrer Vertretung macht, da der Lateinlehrer in Quarantäne ist. Das wär doch mal eine Idee. Und wer das zuhause nicht hinkriegt, kann das ja anders handhaben. Dann sind halt ein paar Kinder in der Schule. Meins ist zuhause. Und die meisten anderen in meinem privaten Umfeld auch. Beschulen kann ich den nicht. Einen Sitzplatz anbieten allerdings problemlos.
So wird es allerdings eventuell ganz einfach so sein: Wir fahren jetzt weitere vier Wochen kleine und große Unternehmen vor die Wand, um dann am Ende festzustellen, dass wir leider doch eher zu wenig erreicht haben. Mathematisch halte ich das für ein wahrscheinliches Szenario. Und dann - das kann ich schon mal vorsichtig ankündigen - bin ich wirklich sauer, und wenn ich wirklich sauer bin, kann ich sehr unangenehm werden.
Das alles macht mich wirklich verrückt. Das und Herbst. Und Trump. Und die Situation. Und die Tatsache, dass ich mal raus musste und wollte und jetzt nicht kann, weil man nicht mehr beherbergt wird. Mit meinem Fluchtnaturell, vom Kompagnon einst so treffend beschrieben als halb Frau, halb Pferd, ist vermutlich das Schlimmste, was mir passieren kann, dass ich irgendwo nicht wegkann. Und sei es zuhause.
Auch mein Umfeld wird verrückt, ganz normale, schlaue Menschen, eskalieren, gar nicht zwingend mir gegenüber, sondern einfach grundsätzlich. Die, die schon vorher irre aber liebenswert waren, sind halt noch immer verrückt. Frau N. ist allerdings auch ein wenig angestrengter als sonst. Ja. Es ist anstrengend. Ich bin anstrengend. Leben ist anstrengend. Ich war nie ernsthaft gefährdet, aber sollte ich das Themengebiet Depression für mich noch erschließen wollen: Jetzt ist der Moment. Der Schritt ist ein kleiner.
Immerhin bin ich heute nicht in einem Frontalzusammenstoß gestorben, und Ona auch nicht. Das verdanke ich meinem schlauen Auto, das ja einfach ganz alleine vollbremst, wenn es sich nicht sicher ist, ob ich die Situation noch im Griff habe. Ich war abgelenkt weil Ona fuchtelte auf dem Beifahrersitz und ich sah nicht, dass mir jemand fälschlicherweise entgegenkommt, und dann kam die automatische Vollbremsung, gefolgt von Schreck, gefolgt von richtigem Ausweichmanöver, gefolgt von Nichtstraßenverkehrstod.
Es ist nicht alles schlecht.
Ich hatte ja noch bevor ich wieder regelmäßiger gebloggt habe einmal sehr viel Dampf abgelassen, da ich fand, dass die Digitalisierung in deutschen Schulen unverhältnismäßig wenig gewollt ist (inzwischen kann man es nicht mehr anders erklären: NIEMAND kann so unfähig sein, dass es nach über einem halben Jahr immer noch nicht weiter gediehen ist als "wenn ihr in Quarantäne müsst, schicken wir euch die Hausaufgaben zu", und ja, Sie kennen den Text, es gibt Tolle unter Ihnen etc., aber an der einen Schule, die ich von innen kenne, ist es halt so. Wenn man sich übrigens ein Bein gebrochen hat und deshalb nicht in die Schule kommen kann, darf man an Onas Schule explizit am digitalen Lernen nicht teilnehmen. Egal, aus welchem Grund man verhindert ist: Das Arbeitsblatt kriegt man nur dann geschickt, wenn es offizielle Corona-Quarantäne ist. Diesbezüglich gibt es etwa zweitäglich eine Mail, um das noch mal klar zu kommunizieren. Kein digitales Lernen ohne das Gesundheitsamt. Denn: Eigentlich möchte man das ja generell nicht, wenn man sich das Bein bricht, gibt es halt keine Schule. War früher ja auch so, was soll die Diskussion. Aus uns ist ja auch was geworden, wie man an all den begnadeten Projektmanagern in deutschen Schulen und Kultusministerien sieht. Ein Traum.
Aber ich schweife ab. Ich habe die folgende blöde Befürchtung: Die Maßnahmen werden original nix tun. Naja, vielleicht ein wenig, aber nichts, was bis Weihnachten trägt. Vom großen Familienweihnachten ersten Grades habe ich mich sowieso schon verabschiedet, jedes Jahr sitzen wir zu elft in meinem Wohnzimmer, das sehe ich nicht, ist mir aber auch recht, es geht um Oma, dann ist das halt so. Aber: Es geht mir nicht weit genug, und da spreche ich als selbständige Unternehmerin. Also nicht die Zielgruppe, die dem Lockdown hinterherhechelt. Aber die zweiwöchigen Herbst-Schulferien noch schnell für die Fernreise zu nutzen um dann direkt im Anschluss zu sagen "und jetzt machen wir mal die Kneipen zu, aber die fast 9 Millionen Schüler:innen lassen wir morgens mit der U-Bahn in die Schule fahren, und dann sitzen sie halt mit 30 Kindern in einer Klasse, es gibt ja ein Lüftungskonzept" finde ich verrückt. Das Föderalismusargument, dass die Herbstferien ja unterschiedlich verteilt sind, finde ich... oh entschuldigen Sie, ich war kurz eingeschlafen. Da wir in den mathematischen Modellen ja erklärt bekommen, dass wir einfach kurz 75% unserer Kontaktsituationen einsparen müssen, finde ich das total folgerichtig, jeden Morgen 9 Millionen Menschen in U-Bahnen und dann zu dreißigst in Klassenräume zu stecken. Warum nicht. Aber auch hier kommt man mit meinem Lieblingshandwerkszeug, der Grundschulmathematik, ja sehr schnell an den Punkt, wo man anzweifelt, ob das jetzt so funktioniert. In unserem Fall sieht es übrigens so aus, dass permanent Lehrer in Quarantäne sind und deshalb in allererster Linie Vertretungsunterricht stattfindet. Mit "wir gucken einen Film". Gegenvorschlag. Warum denkt sich denn die für mich zuständige Schulministerin Gebauer nicht einfach eine Liste von sechstklässlertauglichen Filmen aus und schickt die als offenes Word Dokument im Emailanhang, und dann lassen wir die Kinder zuhause (die Älteren! Ja, klar, ich hab gut reden, mein Kind beschäftigt sich allein und ich kann arbeiten, aber das ist ja immerhin mindestens die Hälfte der deutschen Schulkinder, die älter sind als 10) und zeigen ihnen einfach im Kinderzimmer auf irgendeinem Endgerät die Filme, die sie sonst in der Schule gucken, weil der Sportlehrer Vertretung macht, da der Lateinlehrer in Quarantäne ist. Das wär doch mal eine Idee. Und wer das zuhause nicht hinkriegt, kann das ja anders handhaben. Dann sind halt ein paar Kinder in der Schule. Meins ist zuhause. Und die meisten anderen in meinem privaten Umfeld auch. Beschulen kann ich den nicht. Einen Sitzplatz anbieten allerdings problemlos.
So wird es allerdings eventuell ganz einfach so sein: Wir fahren jetzt weitere vier Wochen kleine und große Unternehmen vor die Wand, um dann am Ende festzustellen, dass wir leider doch eher zu wenig erreicht haben. Mathematisch halte ich das für ein wahrscheinliches Szenario. Und dann - das kann ich schon mal vorsichtig ankündigen - bin ich wirklich sauer, und wenn ich wirklich sauer bin, kann ich sehr unangenehm werden.
Das alles macht mich wirklich verrückt. Das und Herbst. Und Trump. Und die Situation. Und die Tatsache, dass ich mal raus musste und wollte und jetzt nicht kann, weil man nicht mehr beherbergt wird. Mit meinem Fluchtnaturell, vom Kompagnon einst so treffend beschrieben als halb Frau, halb Pferd, ist vermutlich das Schlimmste, was mir passieren kann, dass ich irgendwo nicht wegkann. Und sei es zuhause.
Auch mein Umfeld wird verrückt, ganz normale, schlaue Menschen, eskalieren, gar nicht zwingend mir gegenüber, sondern einfach grundsätzlich. Die, die schon vorher irre aber liebenswert waren, sind halt noch immer verrückt. Frau N. ist allerdings auch ein wenig angestrengter als sonst. Ja. Es ist anstrengend. Ich bin anstrengend. Leben ist anstrengend. Ich war nie ernsthaft gefährdet, aber sollte ich das Themengebiet Depression für mich noch erschließen wollen: Jetzt ist der Moment. Der Schritt ist ein kleiner.
Immerhin bin ich heute nicht in einem Frontalzusammenstoß gestorben, und Ona auch nicht. Das verdanke ich meinem schlauen Auto, das ja einfach ganz alleine vollbremst, wenn es sich nicht sicher ist, ob ich die Situation noch im Griff habe. Ich war abgelenkt weil Ona fuchtelte auf dem Beifahrersitz und ich sah nicht, dass mir jemand fälschlicherweise entgegenkommt, und dann kam die automatische Vollbremsung, gefolgt von Schreck, gefolgt von richtigem Ausweichmanöver, gefolgt von Nichtstraßenverkehrstod.
Es ist nicht alles schlecht.
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Mittwoch, 28. Oktober 2020
Statt Urlaub
herzbruch, 09:37h
holland (m4a, 1,545 KB)
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Samstag, 24. Oktober 2020
Klopapier-Lied
herzbruch, 22:41h
Ich befinde mich in der einzigartigen Situation, dass ich für Sie da draußen ganz alleine testen kann (schon mal für die dritte Welle), welche Klopapierstrategie insgesamt die vernünftigste in "der aktuellen Situation" ist. Und da ich insgesamt in den letzten Tagen sehr angestrengt bin und Frau N. auch, gebe ich Ihnen sehr freundlich mit auf den Weg, dass ich die Diskussion, die Deutschen würden jetzt alle Regale leerkaufen, weil irgendein Blogger ein paar Hundert Leute auf die Idee bringt, man müsse jetzt Klopapier horten, für zu spät halte. Die Deutschen horten bereits Klopapier, und daran bin ganz sicher nicht ich schuld.
Ich halte mich für sehr vernunftbegabt. Ich habe in formaler Logik promoviert (naja, und anderen Dingen, aber formale Logik war ein Teil davon), und das gibt mir immer eine gewisse Grundsicherheit, wenn die Frage geklärt werden muss, ob etwas logisch sei oder nicht. Und wenn meine Kenntnisse versagen, gibt es ein dreiminütiges Telefonat mit Frau N., das wir wiederkehrend in beide Richtungen führen. Es beginnt immer mit "Hallo, ich brauche kurz einen Realitätscheck", dann schaltet die Andere alle verfügbare Ratio ein, man schildert Problem und Lösung, üblicherweise sagt man dann "Ja, super, so machen", und dann weiß man, dass ein anderer vernunftbegabter Mensch das auch so lösen würde, und dann macht man das halt. Das funktioniert seit vielen Jahren mit gutem Ergebnis.
Manchmal ist es allerdings so, dass es gar nicht hilft, wenn man selber so furchtbar vernünftig ist, da alle um einen rum sehr unvernünftig sind. Das erfuhr ich zu Beginn des ersten Lockdowns.
Sie alle erinnern sich, vielleicht waren Sie sogar Teil des Problems: Es gab kein Klopapier mehr. Ich dachte initial, als das Thema sich abzeichnete, kurz darüber nach, was das für mich bedeutet, und kam zu dem Ergebnis: Nichts. Es ist so, dass ich bislang keinen Tag meines Lebens mit der Organisation von Klopapier beschäftigt war. Ich mache samstags einen großen Wocheneinkauf, und wenn ich das Gefühl habe, es könnte an der Zeit sein, dann kaufe ich Klopapier. Mit diesem System fahre ich seit 26 Jahren mit eigenem Haushalt sehr gut. Es gab nie einen Engpass, und ich hatte nie signifikante Vorräte. So kam es also, dass plötzlich das Klopapier im Supermarkt des Vertrauens ausverkauft war, und ein kleiner Check sagte mir, dass es diese Woche noch keinen Handlungsbedarf gebe. In der nächsten Woche war es auch ausverkauft, ich war aber noch immer entspannt, riet aber dazu, die Nase hochzuziehen oder am Pulli abzuputzen, also eigentlich das zu machen, was so ein 11Jähriger eh macht, wenn keiner guckt.
In der Woche drauf wurde ich langsam hektisch. Also steuerte ich verschiedene Supermärkte an, ohne Erfolg, und stand dann später aufgelöst in der Stammapotheke, in der ich immer recht viel Geld für Pflegeprodukte lasse und jammerte, was dazu führte, dass die Chefin mir ein 8er Paket Hakle mit Duft und Farbe (naja, was will man machen) überließ. Das fand ich nett. In der kommenden Woche schwante mir langsam, dass ich mit meiner laissez-fairen Art, wir sollten uns doch einfach mal alle in den Griff kriegen und normal sein, an der Stelle nicht weiterkam, denn das Publikum, das diese Botschaft hätte hören sollen, die TP Hoarder, waren ja offensichtlich immer schon sehr viel früher als ich unterwegs. Also ging ich eines Abends in den nächsten Discounter und sprach mit dem Filialleiter. Es war 10 Minuten vor Geschäftsschluss, und meine Frage als berufstätige Mehrfachbelastete war recht einfach: Wann genau muss ich in diesem Scheißladen sein wenn ich für meine Familie Scheißklopapier kaufen will? Ich kann nicht 40 mal am Tag vorbeikommen.
Die Antwort war bestechend einfach: Wenn ich wirklich keins mehr hätte, dürfte ich kurz heimlich mit ins Lager kommen, da stehen natürlich ganze Paletten Klopapier, die nur nicht rausgebracht werden. So geschah es also, dass ich kurz vor Geschäftsschluss mit einem Paket Klopapier unter dem Rolltor hervorkrabbelte, und das, was sich im Anschluss im Laden abspielte (der Filialleiter hatte seine Anweisung "Aber sagen Sie nicht, woher Sie das haben" nicht zuende gedacht), möchte ich gar nicht vorwegnehmen, sollte mein Leben einst verfilmt werden, ist das sicherlich eine Schlüsselszene.
Nun hatte ich also wieder acht Rollen, da es sich aber um ein Verbrauchsgut handelt, musste ich recht schnell wieder los. Dieses Mal fuhr ich morgens um 7.30 los und steuerte sämtliche Supermärkte, die mir einfielen, nacheinander an. Auf der Liste stand Klopapier, Küchenrolle, Taschentücher, frische Hefe, Roggenmehl und Weizenmehl. In insgesamt 8 Läden gelang es mir, zwei Pakete Klopapier, zwei Pakete Weizenmehl und vier Würfel Hefe zu ergattern. Danach musste ich mich hinlegen, es war sehr anstrengend.
Der Mann guckte sehr strafend, dass ich direkt in zwei Läden Klopapier gekauft hatte, was aber an mir wie an Teflon abperlte, denn die Logik, dass es jetzt ja weniger Klopapier gebe, weil ich auch hamsterte, fand ich defizitär. Dann war ja irgendwann alles wieder gut, es gab wieder alles, und jetzt ist alles wieder schlecht. Danke, Deutschland.
Ich habe in den letzten Tagen mehrfach Klopapier gekauft. Und Taschentücher. Und Mehl. Und Hefe. Und ich besitze jetzt sogar zwei Dosen Suppe. Der Mann guckt nach wie vor strafend, aber aufgrund einer hervorragenden Situation ist das nicht nur vollkommen unerheblich, sondern sogar ein perfekter Versuchsaufbau. Es ist nämlich so.
Wir teilen keine Toilette. Es gibt insgesamt 3 Toiletten in verschiedenen Wohneinheiten, eine davon nutzen Ona und ich, eine andere in einer anderen Einheit nutzt der Mann. Zusätzlich kaufen wir unterschiedliches Klopapier. Ich ruhe mich seit 11 Jahren auf dem Argument der natürlichen Geburt aus, wenn ich nur Produkte kaufe, auf denen "extraweich" oder "flauschig" steht, er bevorzugt umweltschonende Produkte, was ich natürlich in der Theorie vollkommen unterstütze, in der Praxis an diesem Ende aber nicht mitgehe. So kommt es also, dass es wirklich überhaupt keine Überschneidung von Klopapiernutzung in diesem Haushalt gibt, außer von Ona und mir, und das ist ja okay, der hat zum Hamstern ja keine Meinung. Ich habe also in der letzten Woche sehr viel flauschig-weiches Toilettenpapier gekauft und fühle mich zwar *in der Sache* irrational, aber logisch richtig aufgestellt, ich will ja nicht wieder die einzige Person in Düsseldorf sein, die nix hat, wenn alle wieder Corona und Noro verwechseln. Corona ist kein Virus des Darmtrakts, möchte ich rufen, aber es hört ja eh keiner zu. Und die, die das wissen, müssen ja hamstern, weil alle anderen sonst alles weghamstern. Ein Teufelskreis.
Mein Mann hat kein Klopapier gekauft, obwohl es welches gab. Ich habe ihn sogar heute aus dem Supermarkt angerufen. Seins war noch da, Rest war weg. Nein, er habe noch sechs Rollen.
Ich wünsche ihm viel Erfolg, werde explizit nicht teilen und beizeiten wieder berichten.

Ich halte mich für sehr vernunftbegabt. Ich habe in formaler Logik promoviert (naja, und anderen Dingen, aber formale Logik war ein Teil davon), und das gibt mir immer eine gewisse Grundsicherheit, wenn die Frage geklärt werden muss, ob etwas logisch sei oder nicht. Und wenn meine Kenntnisse versagen, gibt es ein dreiminütiges Telefonat mit Frau N., das wir wiederkehrend in beide Richtungen führen. Es beginnt immer mit "Hallo, ich brauche kurz einen Realitätscheck", dann schaltet die Andere alle verfügbare Ratio ein, man schildert Problem und Lösung, üblicherweise sagt man dann "Ja, super, so machen", und dann weiß man, dass ein anderer vernunftbegabter Mensch das auch so lösen würde, und dann macht man das halt. Das funktioniert seit vielen Jahren mit gutem Ergebnis.
Manchmal ist es allerdings so, dass es gar nicht hilft, wenn man selber so furchtbar vernünftig ist, da alle um einen rum sehr unvernünftig sind. Das erfuhr ich zu Beginn des ersten Lockdowns.
Sie alle erinnern sich, vielleicht waren Sie sogar Teil des Problems: Es gab kein Klopapier mehr. Ich dachte initial, als das Thema sich abzeichnete, kurz darüber nach, was das für mich bedeutet, und kam zu dem Ergebnis: Nichts. Es ist so, dass ich bislang keinen Tag meines Lebens mit der Organisation von Klopapier beschäftigt war. Ich mache samstags einen großen Wocheneinkauf, und wenn ich das Gefühl habe, es könnte an der Zeit sein, dann kaufe ich Klopapier. Mit diesem System fahre ich seit 26 Jahren mit eigenem Haushalt sehr gut. Es gab nie einen Engpass, und ich hatte nie signifikante Vorräte. So kam es also, dass plötzlich das Klopapier im Supermarkt des Vertrauens ausverkauft war, und ein kleiner Check sagte mir, dass es diese Woche noch keinen Handlungsbedarf gebe. In der nächsten Woche war es auch ausverkauft, ich war aber noch immer entspannt, riet aber dazu, die Nase hochzuziehen oder am Pulli abzuputzen, also eigentlich das zu machen, was so ein 11Jähriger eh macht, wenn keiner guckt.
In der Woche drauf wurde ich langsam hektisch. Also steuerte ich verschiedene Supermärkte an, ohne Erfolg, und stand dann später aufgelöst in der Stammapotheke, in der ich immer recht viel Geld für Pflegeprodukte lasse und jammerte, was dazu führte, dass die Chefin mir ein 8er Paket Hakle mit Duft und Farbe (naja, was will man machen) überließ. Das fand ich nett. In der kommenden Woche schwante mir langsam, dass ich mit meiner laissez-fairen Art, wir sollten uns doch einfach mal alle in den Griff kriegen und normal sein, an der Stelle nicht weiterkam, denn das Publikum, das diese Botschaft hätte hören sollen, die TP Hoarder, waren ja offensichtlich immer schon sehr viel früher als ich unterwegs. Also ging ich eines Abends in den nächsten Discounter und sprach mit dem Filialleiter. Es war 10 Minuten vor Geschäftsschluss, und meine Frage als berufstätige Mehrfachbelastete war recht einfach: Wann genau muss ich in diesem Scheißladen sein wenn ich für meine Familie Scheißklopapier kaufen will? Ich kann nicht 40 mal am Tag vorbeikommen.
Die Antwort war bestechend einfach: Wenn ich wirklich keins mehr hätte, dürfte ich kurz heimlich mit ins Lager kommen, da stehen natürlich ganze Paletten Klopapier, die nur nicht rausgebracht werden. So geschah es also, dass ich kurz vor Geschäftsschluss mit einem Paket Klopapier unter dem Rolltor hervorkrabbelte, und das, was sich im Anschluss im Laden abspielte (der Filialleiter hatte seine Anweisung "Aber sagen Sie nicht, woher Sie das haben" nicht zuende gedacht), möchte ich gar nicht vorwegnehmen, sollte mein Leben einst verfilmt werden, ist das sicherlich eine Schlüsselszene.
Nun hatte ich also wieder acht Rollen, da es sich aber um ein Verbrauchsgut handelt, musste ich recht schnell wieder los. Dieses Mal fuhr ich morgens um 7.30 los und steuerte sämtliche Supermärkte, die mir einfielen, nacheinander an. Auf der Liste stand Klopapier, Küchenrolle, Taschentücher, frische Hefe, Roggenmehl und Weizenmehl. In insgesamt 8 Läden gelang es mir, zwei Pakete Klopapier, zwei Pakete Weizenmehl und vier Würfel Hefe zu ergattern. Danach musste ich mich hinlegen, es war sehr anstrengend.
Der Mann guckte sehr strafend, dass ich direkt in zwei Läden Klopapier gekauft hatte, was aber an mir wie an Teflon abperlte, denn die Logik, dass es jetzt ja weniger Klopapier gebe, weil ich auch hamsterte, fand ich defizitär. Dann war ja irgendwann alles wieder gut, es gab wieder alles, und jetzt ist alles wieder schlecht. Danke, Deutschland.
Ich habe in den letzten Tagen mehrfach Klopapier gekauft. Und Taschentücher. Und Mehl. Und Hefe. Und ich besitze jetzt sogar zwei Dosen Suppe. Der Mann guckt nach wie vor strafend, aber aufgrund einer hervorragenden Situation ist das nicht nur vollkommen unerheblich, sondern sogar ein perfekter Versuchsaufbau. Es ist nämlich so.
Wir teilen keine Toilette. Es gibt insgesamt 3 Toiletten in verschiedenen Wohneinheiten, eine davon nutzen Ona und ich, eine andere in einer anderen Einheit nutzt der Mann. Zusätzlich kaufen wir unterschiedliches Klopapier. Ich ruhe mich seit 11 Jahren auf dem Argument der natürlichen Geburt aus, wenn ich nur Produkte kaufe, auf denen "extraweich" oder "flauschig" steht, er bevorzugt umweltschonende Produkte, was ich natürlich in der Theorie vollkommen unterstütze, in der Praxis an diesem Ende aber nicht mitgehe. So kommt es also, dass es wirklich überhaupt keine Überschneidung von Klopapiernutzung in diesem Haushalt gibt, außer von Ona und mir, und das ist ja okay, der hat zum Hamstern ja keine Meinung. Ich habe also in der letzten Woche sehr viel flauschig-weiches Toilettenpapier gekauft und fühle mich zwar *in der Sache* irrational, aber logisch richtig aufgestellt, ich will ja nicht wieder die einzige Person in Düsseldorf sein, die nix hat, wenn alle wieder Corona und Noro verwechseln. Corona ist kein Virus des Darmtrakts, möchte ich rufen, aber es hört ja eh keiner zu. Und die, die das wissen, müssen ja hamstern, weil alle anderen sonst alles weghamstern. Ein Teufelskreis.
Mein Mann hat kein Klopapier gekauft, obwohl es welches gab. Ich habe ihn sogar heute aus dem Supermarkt angerufen. Seins war noch da, Rest war weg. Nein, er habe noch sechs Rollen.
Ich wünsche ihm viel Erfolg, werde explizit nicht teilen und beizeiten wieder berichten.
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