Mittwoch, 11. November 2020
Thank you
Schon wieder drei Stunden waldgebadet. So weichgespült kann ich nicht gut bloggen, ich brauche scheinbar eine gewisse Grundaufgeregtheit, um hier gut zu performen, und ich bin derzeit so sehr damit beschäftigt, meine Grundaufgeregtheit wegzubaden, dass abends einfach nix mehr übrig ist. Wenn ich so weitermache, werde ich eventuell so ein ganz ausgeglichener Mensch, wie Frau N..

Ich arbeite mit so einer Person, und ich finde das toll. Sie arbeitet zusammen mit einer anderen Kollegin, die so misanthrop auftritt, dass ich sie heiraten würde, wenn sie androgyner wäre (eine Beobachtung, wird Frau N. ergänzen, die eigentlich auf sie zutrifft). Die Kombination zweier solcher gegensätzlicher Menschen ist ein perfektes Team, wenn sie sich mögen. Sie haben im alten Job zusammenarbeiten müssen, im neuen Job haben sie sich direkt vorbereitend zusammengesetzt. Ich beobachte das mit Begeisterung. Ich bin ja beide in einer Person, das ist beizeiten anstrengend, wenn das Umfeld sich erst mal daran gewöhnt hat, ist es nur noch für mich anstrengend.

Und so bade ich derzeit schwierige Dinge im Wald weg, stricke einen Schal, mache viel Musik und arbeite. Wenn es jetzt sehr schlecht läuft, hole ich bald die Nähmaschine aus dem Keller. Ich versuche allerdings noch, das abzuwenden. Da kann man ja nicht noch täglich bloggen. Danke.

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Dienstag, 10. November 2020
The Forest (das müssen Sie wissen, sonst sind Sie hier falsch)
Man geht ja heute Waldbaden, habe ich gehört, es ist quasi ubiquitär, und normalerweise interessiere ich mich ja für neuen heißen Scheiß, selten, um ihn mitzumachen, aber häufig, um zu wissen, an welchen Stellen ich in Smalltalk Situationen auf die imaginäre Armbanduhr gucken muss und erschrocken "ups, schon so spät" rufen.

Interessanterweise ist Waldbaden wirklich komplett an mir vorbeigegangen, und das, obwohl ich genau die Zielgruppe bin. Beruflich stark eingebunden, mehrfachbelastet, immer unter Strom, Städter. Ich hätte die Erste sein müssen, die ruft "Ja, ich gehe waldbaden, ich sauge Grün und Braun und Moos und Farn in mir auf, dann gehe ich nach Hause und mach da Marie Kondo." Das ist aber ausgeblieben, und heute morgen fiel mir erstmals auf, warum ich diese Welle verpasst habe: Ich habe ja gar keinen Mangel an Wald. Ich wohne direkt am Waldrand, dahinter ist ein riesengroßer, in weiten Teilen recht naturbelassener Wald mit allem, was meinen Hund so anspricht: Reitwege, Entengrützenteiche, eine riesige Ballspielwiese, die eigentlich ein Segelflugplatz ist, und keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt die Frauensteine, eine okkulte Hexen-Opferstelle, von der man *super* den Ball den Hang runter werfen kann, der Hund muss ihn dann unten suchen, beim 3. Mal findet er ihn nicht mehr und dann kauft man einen neuen (oder schickt Jonathan als Nachhut am nächsten Tag suchen, dessen Nase ist deutlich besser als Fienes), und an der meinem Mann einst mal rausgerutscht ist "ja, hier findste's schön, klar". Auch er kann witzig sein. Ein klitzekleiner Nachteil, der mich nervt, ist, dass es die ersten 20 Minuten konstant bergauf geht, so dass man sich den schönen Teil der Strecke erst erarbeiten kann, der Hund aber mit seinen vier Beinen und dem insgesamt sehr sportlichen Auftreten die ganze Zeit wimmert, weil ich einfach nicht so schnell den Berg raufrennen kann wie ein Labrador, der oben ballspielen möchte.

Heute musste ich beruflich sehr nachdenken, und da habe ich einfach mal bei allerbestem Wetter alle alternativen Waldrunden hintereinander abgespult. Wir kamen auf 12 Kilometer in 3 Stunden (mit Fotos, Frisbeespielen, etc.). Und ich habe mich gezwungen, mal genau hinzusehen. Pilze, Farne, Moos, sehr viel Sonne, alles da. Und viele Senioren. Und manche haben mich angesprochen, und ganz entgegen meiner Gewohnheit war ich anscheinend so waldgebadet, dass ich sogar die Ohrstöpsel rausgenommen habe und ihnen den Weg erklärt habe. Ich fand sie nett. Das macht Waldbaden mit mir.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe sehr viel Glück gehabt, dass ich als total urbaner Typ jeden Tag im Wald rumrennen kann. Und wenn ich mir das auch so im Kopf konstruiere, ist das wohl sehr gut für mich. (Fiene musste übrigens nachmittags noch 6 Kilometer mit Ona joggen. Der arme Hund.)

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Montag, 9. November 2020
Suit & Tie
Ich hatte heute einen emotional sehr anstrengenden Tag, daher ist meine Begeisterung, jetzt ausführlich und ansprechend formuliert bloggen zu sollen, gemildert. Ich hatte aber natürlich schon sehr lange angekündigt, dass ich erzähle, wie ich einen bekannten Kölner Hobbythek Moderator einst unangenehmerweise kennenlernte.

Ich habe in den üblichen 30 Sekunden Vorbereitungszeit, die ich pro Blogbeitrag investiere, darüber nachgedacht, wie man die Geschichte schriftlich lustig hinkriegt, und ich fürchte, das Ergebnis ist: Gar nicht. Daher werde ich einen rein faktisch orientierten Blickwinkel wählen.

2004 trat ich eine Stelle an einer honorigen Universität in den Niederlanden an, und wie Sie besser wissen werden als ich, war 2004 ja auch - moment, ich google - Fußball EM. Ich interessiere mich ja bekanntlich nicht für Fußball, verwandele mich allerdings bei internationalen Meisterschaften in eine Person mit einem Trikot, einer Fahne und einem Bier in der Hand. Es gibt Fotos von mir, da bediene ich eine Vuvuzela. Ich denke, dass der bewegendste Moment in meinem gesamten Leben nicht die Geburt meines Kindes war, sondern der Abend, an dem bei der Fußball - moment - WM vor ein paar Jahren Deutschland gegen dieses eine südamerikanische Land 7 zu 1 gewonnen hat. Das hat mich sehr berührt.

Jedenfalls war es so, dass ich also diesen Job antrat, zeitgleich mit einer anderen deutschen Kollegin, und irgendwann kam irgendjemand in hoher administrativer Unifunktion (meine Güte, mein Kopf ist in etwa so ein Schweizer Käse wie die neuesten Corona Erklärungen) auf die Kollegin und mich zu und bat uns, doch bitte an einem Event in der Deutschen Boschaft teilzunehmen. Die hatten sich nämlich Folgendes überlegt: Das emotional ja anstrengende Spiel Deutschland-Niederlande sollte live in der Botschaft geguckt werden, geladen werden 100 Deutsche, die in den Niederlanden leben und 100 Niederländer, die in Deutschland leben. So weit, so gut. Wir waren also geladen. Auf der Einladungskarte stand "um Abendgarderobe wird gebeten", und ich hatte einiges an Garderobe zu bieten, entschloss mich aber, damals war das so, einen orangen Feincord Hosenanzug mit sehr hohen Schuhen zu wählen. Das fand ich lustig.

Wie das so ist, wenn man geladen ist, fühlt man sich sehr wichtig, und tatsächlich waren auch das ein oder andere entfernt bekannte Gesicht dort, alle Anwesenden gaben sich jedoch sehr viel Mühe, sich selber auch sehr wichtig zu finden und daher sehr auserwählt mit einem kleinen Sekt in der Hand im schwarzen Cocktailwurstdress in der Ecke zu stehen und - wie das bei so insgesamt wirklich *unfassbar* langweiligen Veranstaltungen nun mal so ist - auf die Eröffnung des Buffets zu warten. 199 Menschen trugen Schwarz, ich trug Orange.

Irgendwann öffnete sich die Tür und hinein kam besagter Moderator mit einer großen Entourage an Fernsehcrew. Er trat in den Raum, etwas dreckige Jeans, Turnschuhe, T-Shirt und ein wirklich großkariertes 80er Jahre Jackett (kennen Sie eigentlich Gottlieb Wendehals noch?), blickte einmal erwartungsvoll durch den Raum und bereitete sich auf Autogrammanfragen vor. Niemand nahm von ihm Notiz, zumindest nicht mehr, nachdem jeder Gast seinem Nachbarn einen dummen Spruch über den Aufzug zugetuschelt hatte, stand doch *extra* in der Einladung, dass Abendgarderobe gefordert sei. Ich bin mir darüberhinaus nicht einmal sicher, ob außer mir, dem Kind vom Rhein, irgendjemand ihn überhaupt erkannt hatte. Seine Entourage sah allerdings nett und lustig aus, vielleicht 10 Leute, mit denen die Kollegin und ich dann den Rest des Abends lekker Sekt tranken. Die hatten allerdings sehr schlimme Dinge zu berichten. Sie filmten mit dem Star eine Doku in den Niederlanden, und wie es hieß, war er nur so mittel nett zu begleiten. Insgesamt ein herausfordernder Charakter, daher mischte die Entourage sich auch sofort unters Volk, und der Star stand alleine rum. Das Gesicht verriet, dass er sich das anders vorgestellt hatte, er wirkte not amused, betrogen um seinen Starfaktor.

Irgendwann wurde das Buffet eröffnet, ich stellte mich in die Schlange, hinter mir der Star. Die erste Station war der Salat, Eisberg, Salatgurke und Paprika. Nichts, was zu abwegig schien. Ich griff beherzt zu, und da sprach er mich an. Ich schreibe in Großbuchstaben, stellen Sie sich bitte vor, dass er sehr laut und sehr langsam und sehr akzentuiert sprach. "IST DAS EINE NIEDERLÄNDISCHE SPEZIALITÄT?" - "Nein. Dat is Eisbergsalat mit Paprika und Gurke, dat gibbet in Deutschland auch." - "OH, SIE SPRECHEN ABER GUT DEUTSCH." - "Sie auch. Ich bin übrigens Deutsche." - "Dann haben Sie aber den falschen Anzug an." - "Immerhin HABE ich einen Anzug an."

So. Das war's schon. Das Gespräch ebbte daraufhin ab, das Gespräch mit seinem Kameramann gewann hingegen deutlich an Fahrt.

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