Donnerstag, 4. Februar 2021
Back to school
Ich habe längere Zeit diesen Ort nicht besucht, was daran liegt, dass ich beruflich sehr eingespannt bin, und zwar mit einerseits eintöniger, andererseits hochkomplizierter Arbeit, die sich auch noch wie ein immer größer werdender Haufen vor mir auftürmt. Ich muss mich extrem konzentrieren, was mir sehr leicht fällt, wenn die Aufgabe spannend ist, und sehr schwer, wenn es mir zu eintönig wird. Wäre ich ein Kind, hätte man mir bestimmt schon irgendeinen Stempel aufgedrückt und meinen Eltern das Ritalin Rezept untergemogelt. Ich bin aber erwachsen und fertig ausgebildet, da ist das dann eher mein Privatvergnügen. Ich halte ein solches Verhalten auch für vollkommen unpathologisch, da mein Kopf einfach Besseres gewöhnt ist.

Hilfreich in der aktuellen Spezialsituation ist auch, dass ich jetzt einfach mutterseelenallein im Garten sitze und mich immer dann konzentrieren kann, wenn meine Bürokolleginnen N und C mich dazu genötigt haben, jetzt mal ordentlich Gas zu geben. Insgesamt haben wir ein sehr schönes System gefunden, uns gegenseitig am Leben zu halten. Frau C sagt in sehr regelmäßigen Abständen zu mir "TRINKEN", dann nehme ich ein Glas Wasser und trinke. Sollte ich gelegentlich unelizitiert von ganz alleine trinken, revanchiere ich mich freundlicherweise und rufe auch "TRINKEN". Frau N hingegen möchte neuerdings daran erinnert werden, dass sie zwischendurch ein wenig aufräumt, um den Feierabend besser genießen zu können. Heute ist sie allerdings mit uns in ihrem Büro und ignoriert uns zu einem Grad, dass wir sie zwar die ganze Zeit sehen, sie uns allerdings nicht mehr wahrnimmt. Bereits dreimal habe ich sie heute angerufen, um ihr zum Beispiel mitzuteilen, dass sie sich bitte stummstellen möge, wenn sie was schreddert.

Ja, so ist das hier in dem neuen Büro. Eben bin ich zum ersten Mal erschöpft in den Sessel gewechselt und direkt eingeschlafen, bis die Sonne plötzlich so stand, dass ich erwachte und kurz befürchtete, dass das Mutterschiff mich holen kommt, so hell und ufoförmig war alles um mich herum. Jetzt sitze ich zwar wieder am Schreibtisch, und die Datensätze, die es noch zu bearbeiten gilt, sind für das heutige Mindestziel gar nicht mehr so viele, aufraffen kann ich mich aber nicht.

Ich kenne dieses Gefühl aus den meisten Stadien meines Berufslebens... Wenn man über einen langen Zeitraum sehr anstrengende Dinge mit dem Kopf macht, fühlt man sich hinterher sehr erledigt. Wenn der Kopf müde ist, der Körper aber noch nicht einen Millimeter bewegt wurde, wird es noch schlimmer, das macht mich unzufrieden und unausgeglichen. Zeit für einen Spaziergang gibt es jedoch nicht, und wenn ich nicht dieses Anstrengende mache, möchte mein Kopf nur noch schlafen. Wie gerade im Sessel.

Morgen früh um 9 besiegele ich eventuell ein Schicksal, das ich so auch gar nicht mehr auf mich zurückfallen sah: Ich gehe höchstwahrscheinlich nebenberuflich (haha) wieder in den akademischen Betrieb zurück. Was ich daran sehr schade finde: Bei meinen letzten Unijobs konnte ich sehr ungehemmt über Studenten (ja, damals sagten wir so) schreiben, über Kollegen, über die allgemeine Unfähigkeit an deutschen Universitäten. Heute ginge das nicht mehr, dafür bin ich vermutlich inzwischen zu leicht zurückzuverfolgen. Immerhin kann ich dann aber demnächst eine schöne Tradition wieder aufleben lassen. Keine Ahnung, ob sich überhaupt noch eine*r erinnert.

"FERTIGGELEHRT!"

Ja, das war alles in allem so das schönste Gefühl, das ich beruflich - vielleicht sogar in meinem Leben - kennenlernen durfte: Wenn alle Vorlesungen und Seminare für die Woche durch sind. So in etwa stelle ich mir das vor, wenn die Pandemie vorbei ist. "FERTIGGELOCKDOWNT".

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Samstag, 30. Januar 2021
Uptown Babies don't Cry
So, ab Montag wird alles ganz hervorragend. Ich habe nämlich einfach vergessen, etwas zu regeln, das ist nun passiert und zack, alles wieder fast schön.

Ich möchte heute etwas über Corona schreiben, das klingt ja fast albern, da wir ja seit fast einem Jahr über nichts anderes schreiben. Dass mir sehr die Decke auf den Kopf fällt, ist auch bekannt, dass ich finde, bei mir zuhause wohnen zu viele Menschen, ist auch bekannt, es ist so, Sie kennen das ja. Ich muss ein großes Loblied auf mein Kind singen, das dieses Jahr in den Kopfnoten einen kleinen Leistungsabfall hatte, ansonsten aber ungetrübt sein Ding macht in der Schule, und ja, sein Ding, nicht meins. Nach wie vor bin ich noch immer Pre-Homeschooler, habe mich bislang genau einmal um etwas gekümmert, nämlich um die Einweisung in die Druckerbenutzung. Das sitzt, den Rest macht er selbst. Ich weiß gar nicht, ob Ona das anders wollen würde, ich denke allerdings, dass er vor allem eines nicht möchte: Mit mir zusammen lernen. Vielleicht ist das ein guter Tip: Stellen Sie sich so doof an und werden Sie maximal ungeduldig, dass Ihr Kind lieber in den sauren Apfel beißt und sich alleine anstrengt, als mit Ihnen zu homeschoolen. Mir ist das gelungen.

Nichtsdestotrotz braucht so ein kleiner Mensch Ansprache, und da brach mir in der letzten Woche oft das Herz. Etwa 2000 Mal hatten wir folgende Situation: "MAMAMAMA, ICH HAB MATHE FERTIG, ICH BIN SO FROH" - "PSSST, KUNDE AM TELEFON." Zwischen morgens 8 und abends 6 habe ich mit wenigen Ausnahmen für Waldspaziergänge oder Mittagessen kochen wenig Anderes gesagt. Das ist nicht toll. Mein Mann war die Woche über häufig absent, was aber tatsächlich keinen Unterschied macht, ich habe nämlich nicht aufgepasst in den letzten Monaten. Jetzt aber.

Im Garten steht ein kleiner Bungalow. Also nicht so ein Gartenhäuschen, das steht da auch, da steht der Rasenmäher drin. Also ein Bungalow, etwas über 30 Quadratmeter mit Bad, normale Wohnausstattung. Dort stehen Backup-Kleiderschränke, der Gartenkühlschrank (Bier und Sekt und vergessene Essensreste), dann ein Bett, in dem mein Mann schläft, und im Januar 2019 habe ich mir dort ein Büro eingerichtet. Komplett mit allem. Ein guter Schreibtisch, Lampen, Rollcontainer, Monitor, Regale, Drucker, alles. Ich habe sogar Schreibtischdeko gekauft. Dank eines WLAN Verstärkers war dort alles schön. Aber irgendwie habe ich letzten März, als alle, die hier wohnen, ins Homeoffice wechselten, nicht gemerkt, dass mein Mann jetzt da arbeitet. Vielleicht ist das so ein Mutterding, das können wir hier nicht diskutieren, aber seit März materialisiert der Mann abends gegen 18 Uhr in der Küche und sagt "was essen wir heute?" Wenngleich ich das absurderweise gar nicht in Frage gestellt habe, ist mir in der letzten Woche, in der ich eigentlich jeden einzelnen Tag sehr konzentriert hätte durcharbeiten müssen, aufgefallen, dass ich die einzige Ansprechpartnerin für Ona bin tagsüber, also in der Zeit, in der ich das Geld für unser Obdach verdiene, und das habe ich jetzt umgedreht.

Ich habe kurz angekündigt, dass die nächsten 11 Monate der Schreibtisch inklusive der gesamten Infrastruktur (Regale, Ablagekörbe, etc.) von mir genutzt werden wird. Aus allen Gründen, da gab es wenig zu diskutieren. In den nächsten 11 Monaten des Lockdowns geht Frau N also in die TARDIS, ich ziehe mich an und gehe um 9 ins Büro. Und das ist nicht in meiner Küche. Ich bin sehr aufgeregt. Ich werde wieder einen Posteingangskorb haben.

Und dann ist heute noch ein unvorhergesehener Pflegenotstand eingetroffen. Wie Sie sich vielleicht erinnern, bin ich ja alt und grau geworden, habe das graue Haar im ersten Lockdown ein halbes Jahr rauswachsen lassen, um dann im Oktober in einem Anfall vollkommener Fehlgeleitetheit alles wieder zu färben und mich einen Tag später darüber wieder zu ärgern. Also lasse ich wieder wachsen. Mein Haar wächst schnell, daher ist mein Ansatz inzwischen gut und gerne 5 cm. Ich hoffe inständig, dass der Lockdown noch mindestens vier Monate... äh nein.

Jedenfalls kann ich das graue Haar noch nicht so gut einordnen, ich weiß nicht, wie man mit altem Haar verfährt. Es ist kompliziert. Zudem sind Locken (momentan mal ja, mal nein) ja gerne trocken, kaputt gehen meine Haare auch nicht, ich habe also in 44 Jahren vielleicht 3 Haarkuren gemacht, vermutlich alle in der Pubertät. Heute morgen strich ich mir mit der rechten Hand die Haare hinters Ohr und blieb stecken. Also meine Finger blieben in meinen Haaren stecken. Das war neu. Dazu muss man sagen, dass ich meine Haare nicht kämme, also nie, bis dato gab es dazu keinen Anlass. Jedenfalls ging ich auf die Suche nach dem Grund, warum meine Finger stecken blieben und entdeckte, dass sich in dem grauen Teil der Haare an der Schläfe so eine Filzmaus bildete. Langsam, aber fühlbar. Einfach sehr verknotete Haare. Stellen Sie sich vor, ich hätte das nicht bemerkt. Am Ende der Pandemie wäre ich wieder normal unter Leute gegangen, und hinter mir hätten alle getuschelt "Naja, sie hat das alles ja ganz gut überstanden, aber hatte sie vorher auch schon Rastas?" Nein, das war nie das Ziel. Also suchte ich in allen möglichen Schubladen, ob ich nicht doch irgendwo so ein Haarprodukt hätte und fand eine Flasche "Pretty Hair Olivenölkonzentrat" das mir in einem orientalischen Friseursalon geschenkt wurde, in dem ich war, als mir am Tag vor der Beerdigung meines Vaters eingefallen war, dass ich vielleicht auch noch zum Friseur gehen müsste. Also schüttete ich Pretty Hair über das Problem, und schwupps konnte ich alles entwirren und - jawohl - kämmen, allerdings sehe ich jetzt aus wie ein Mensch, der sich gerade Olivenöl auf den Kopf geschüttet hat. Das kann ich aber morgen einfach wieder rauswaschen, besser als Rasta finde ich das allenthalben.

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Donnerstag, 28. Januar 2021
Disaster
Heute war Frau N beleidigt, ich musste nämlich mit anderen Menschen arbeiten. Ich habe mich bislang nicht getraut, Twitter zurückzulesen, wer weiß, wie sehr man dort diffamiert wurde.

Der Kopf ist jedenfalls leer, ich habe gute Sachen gemacht die letzten drei Tage, aber eben auch denkintensive. Jetzt ist es 18.50h und ich werde einfach schlafen gehen. Morgen ist ein neuer Tag, aber die Dinge, die ich nach außen hin tun muss, waren heute für diese Woche (hoffentlich) abgeschlossen. Morgen gibt es auch immens viel zu tun, inklusive Kindertaxi wegen Zeugnisausgabe und Überlandfahrt, weil man so einen inkompetenten Steuerberater hat. Hatte. Ab Februar...

Insgesamt geben sich Up and Down gerade die Klinke in die Hand. Beruflich laufen ein paar Sachen wirklich gut, privat halt so, wie man sie intrapandemisch erwartet. Ich bin noch immer gespannt wie ein Luchs, wann mein Mann sich auch in die Kinderbetreuung einschalten wird, er ist ja nunmehr auch seit April im Homeoffice, es kann nicht mehr lange dauern. Muss aber arbeiten, und das wiegt beim einen schwerer als bei der anderen, auch wenn die andere deutlich mehr zu tun hat. Mein Kind malt halt jetzt, wenn ich an so Tagen wie heute 10 Stunden telefoniere, dann kann man halt nicht sprechen. Und heute bleibt die Küche kalt, Mutti ist müde. Dass ich in 2,5 Wochen in Urlaub fahre, habe ich noch nicht verkündet. Das wird eine lustige Überraschung.

Auch andere Kommunikation ist anstrengend, seit Tagen möchte ich mit der Frau des berühmtesten Düsseldorfer Künstlers telefonieren, aber ich schlafe immer vorher ein. Andere Kommunikatoren scheinen selbst zu beschäftigt, also ist es halt so, man drängt sich ja nicht auf. 2021 spreche ich beruflich, reicht mir an Abenden wie diesem auch. Mit Ona spreche ich, sobald mein Mann auch mal mit dem spricht, und beim Steuerberater lasse ich morgen lediglich einen sehr lauten Brüll und bin dann pandemiebedingt wieder weg. Und dann ist Wochenende. Dann erwarte ich, dass das Wetter wieder gut ist. Ich brauche Schafbaby.

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