Donnerstag, 6. Mai 2021
Tag 3
Tag 2 endete irgendwann damit, dass ich zum gemütlichen Teil des Abends übergehen wollte, so mit nichtsmachen, Zeitung lesen, rumsitzen, ausruhen, und als ich mich gerade auf ein paar Stunden Qualitätszeit mit mir selber einstellen wollte, fiel mir auf: Es ist 22 Uhr. Du musst theoretisch jetzt schlafen.

Seit vielen, vielen Jahren, vermutlich seit 10, ist mein Leben zu voll. Ich habe mich daran gewöhnt, habe klare Grenzen gezogen an den Stellen, an denen ich fand, dass ich das nicht auch noch in meinen Tagesplan integrieren müsste (Haushalt zum Beispiel), aber es gibt natürlich Dinge, die müssen geschehen. Einkaufen zum Beispiel. Lieferservice für Nahrung habe ich immer kategorisch ausgeschlossen, ich möchte mir selber aussuchen können, welchen Apfel ich kaufe, aber wenn es nach mir gehen würde, würden meine Getränke geliefert, der Haushaltsbewohner, der das ablehnte, ist seitdem für die Beschaffung und Logistik rund um Getränke allein verantwortlich.

Nun sind wir ja in Quarantäne, und wenn alles gut läuft, dürfen immerhin Ona und ich morgen wieder raus. Einkaufen ist im Prinzip geregelt, doch plötzlich fiel mir gestern abend spät ein, dass der Kater, der ja sehr wählerisch ist und ausschließlich Trockenfutter oder Schleckis, also so Astronautennahrung (Geschmacksrichtung zum Beispiel pürierte Leberwurst) isst, demnächst auf die Schleckis verzichten muss, die sind nämlich fast alle. Also suchte ich in diesem großen Online Versandhaus danach, fand sie und bestellte. Angeboten wurde mir ein Spar Abo. Ich weiß, dass Frau N das hat, ich hatte ihr neulich eine Zahnbürste geinfluenct, die sie dann in einem solchen bestellte. Im Sparabo war es scheinbar auch noch günstiger, also rechnete ich schnell aus, wieviel der Kater braucht und bestellte im monatlichen Turnus Schleckis.

Dann erklärte das Warenhaus mir, wenn ich noch Produkte hinzufügen würde für die Spar Abo Lieferung, würde ich ab 5 pro Lieferung auch noch 15% Rabatt bekommen. Also folgte ich dem Beispiel von Frau N und fügte eine Zahnbürste hinzu. Dann fiel mir auf, dass erstens noch immer Produkte fehlten und ich zweitens ja direkt das gesamte Thema Zähneputzen erledigen könnte und bestellte Zahncreme dazu. Da ich die Zahnbürste aber nicht monatlich brauche, gab es ein Rabattproblem für alle geraden Monate. Ich begann mich zu interessieren.

An der Stelle kürze ich ab. Um 3 Uhr morgens fiel das Internet aus irgendwelchen Gründen aus und ich entschied, dass ich mein Leben eventuell auch für den Moment genug gemikromanagt hätte. Ich muss höchstwahrscheinlich nur noch zu dekorativen Zwecken in eine Drogerie, und ja, wir könnten jetzt diskutieren, wie wenig nachhaltig und einzelhandelstötend das Spar Abo ist, auf dem Auge bin ich gar nicht blind, aber ich brauche faktisch viel, viel weniger Aufgaben. Und dass ich jetzt einfach in verschiedenen Zeitabständen Waschmittel (Universal, schwarz, Wolle, abwechselnd geliefert), Deo, Reiniger, Spülmaschinentabs, Schwammtücher, Schleckis, Spülmittel, Glasreiniger, Wattestäbchen, Zahnpflegeartikel und ein Kilo Lammkopfhaut geliefert bekomme, ganz ohne dass ich da etwas für denken muss, begeistert mich unglaublich. Und von all den Dingen kann ich sehr einfach ausrechnen, wie oft sie geliefert werden müssen, da ich genau weiß, wie weit ich mit 80 Spülmaschinentabs komme, wenn ich einmal pro Tag einen brauche.

Ich sehe auch schon sehr deutlich vor mir, wie begeistert ich an jedem einzelnen 15. des Monats sein werde, wenn die Lieferung kommt, die ich komplett vergessen hatte, und ich dann weiß: Hey, ich muss mich nicht daran erinnern, Spülmittel zu kaufen. Das wird toll.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 6. Mai 2021
Tag 2
Zu kurz.

Aber ich möchte sagen: Nie war es so aufgeräumt.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 4. Mai 2021
Tag 1
Nussecken-Quarantäne voller Tag Nummer 1. Und direkt wird offenbar, woran es in den nächsten zwei Wochen hapern wird: Ansprache fürs Kind. 8 Uhr geht die Schule los, eigentlich bin ich morgens nicht involviert, jetzt doch, frühstücken will er nicht, lieber um 9 Uhr in der Pause eine Tomatensuppe, das finde ich alles schwierig, ich will aber ja auch nicht frühstücken, nun gut. Dann Mathearbeit, während ich einen Termin habe, so kann ich weder vorher angemessen beruhigen noch hinterher angemessen mit freuen, dass es gut gelaufen ist. Nachmittags die Nachricht der Lehrerin, sie hat schon korrigiert, er hat alles richtig, ich bin am Telefon, freue mich gerne später mit, wenn ich mehr Zeit habe. Das ist alles sehr unbefriedigend. Der Vorschlag, dass der Herr Papa doch vielleicht via Videokonferenz an seinem Leben teilnehmen könnte, trifft auf beiden Seiten nicht auf Begeisterung, meine Begeisterung, mittags für den Mann ein Essen zu zaubern, trifft wiederum nicht auf mich, also schlage ich ihm vor, ich könne gerne etwas bestellen, ich habe ja auch Hunger aber nun leider keine Zeit, möchte er auch nicht, er hat noch einen Apfel. Wäsche, Küche aufräumen, noch ein Termin, ein bisschen arbeiten, draußen Regen, das Kind telefoniert mit der Switch in der Hand mit seinem Freund. Das hat sich die Generation so ausgedacht. Einfach nur telefonieren ist für alte Leute, zusammen online irgendein Spiel spielen, dabei telefonieren und ganz of "Alter" sagen, das macht man heute so. Ich erfinde in kürzester Zeit eine neue Regel, die da lautet: Medienzeit mit Kind am Telefon ist keine Medienzeit, und schwupps, kann ich wieder telefonieren, das Kind telefoniert auch, wir machen beide Medienzeit, meine ist bezahlt.

Abends die Einsicht, dass man, wenn man um 19 Uhr Feierabend macht, nicht um 18.30 das Essen auf dem Tisch stehen hat, also wird wieder etwas bestellt, dieses Mal vom Mann, ich habe zwei Sommerrollen, die das Kind aufisst, dabei steht das IPad auf der Theke und wir gucken "Mord mit Aussicht", weil das etwas ist, was wir noch nie gemacht haben, und es scheint sich als Ritual schnell einzuschleifen: Wenn Quarantäne, Separierung und 40 Mal über den Tag verteilt "Jetzt nicht", dann essen wir mit Fernsehen, anschließend gibt es ein Eis. Ich darf dabei nicht twittern, das findet er doof. Mittendrin erscheint der Mann in der Schleuse, eine halblustige romantische Szene spielt sich ab, bei der beide sich mit den Händen an die frischgeputzte Fensterscheibe klammern, ich lasse das Eis aus. Ich umgehe Coronakilos, ich will keine Quarantänekilos, ist alles schon schlimm genug.

So wird das also jetzt. Meine Monate sind beruflich immer sehr zyklisch: Ich habe zwei sehr schlimme Wochen und zwei sehr okaye. Der Turnus der zwei schlimmen Wochen ist exakt gestern angebrochen, pünktlich zum Wiedereintritt des Herrn Papa könnte ich dann theoretisch entspannen. Wir werden sehen. Bis dahin wird Ona viel Eis essen, höchstwahrscheinlich jeden einzelnen Abend sagen, dass das Allerschönste, was er mit mir machen könnte, beim Essen Mord mit Aussicht gucken ist, ich werde jeden einzelnen Tag ein unfassbar schlechtes Gewissen haben, vermutlich irgendwann in einem Ganzkörperschutzanzug ins Gartenhaus stürmen und schreien "JETZT MACH ENDLICH EINE SCHEIß VIDEOKONFERENZ, ICH HAB EINEN CALL JETZT!", und dann wird es vorbei sein, bis dahin hat Niedersachsen seine Ferienwohnungen wieder geöffnet, und dann nehme ich den völlig untersporteten Hund und fahre in die Lüneburger Heide. Soweit der Plan.

... link (5 Kommentare)   ... comment