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Donnerstag, 15. Juli 2021
Life is a mess
herzbruch, 13:05h
Ich sitze im Bett, neben mir sitzt mein Kind und versucht mich zu überreden, es doch zur Adoption frei zu geben, es möchte lieber in einem Haushalt mit XBox, PlayStation und Gaming PC leben, und die Herbergsfamilie hat schon zugestimmt. Eventuell bleiben wir einfach beide hier, ich würde ihn ja schon vermissen, und ich bin ja quasi eh naturiert hier.
Wie das gestern passiert ist, möchte ich im Detail gar nicht erklären, mich hat die Situation nach 14 Jahren allerdings deutlich weniger gewundert als die Menschen aus dem Internet, ich kenne das ja bereits. Vor 10 Jahren haben wir alle gemeinsam noch darüber gelacht, dass ich abends ins damals noch gemeinsame Bett ging, Herr H sagte, er wolle noch kurz das Silikon an der Spüle erneuern, und als ich morgens aufstand, war die Küche abgebaut. Abgebaut. Alle Schränke standen im Wohnzimmer und wurden auch sehr sehr lange nicht wieder aufgebaut. Wir können es kurzhalten: Mein Mann ist nicht gut in Projektmanagement, hat ein defizitäres Gefühl für die Dauer von Abläufen und kein Problem, zu spät zu kommen oder etwas Angekündigtes einfach zeitlich nicht zu schaffen. Ich bin der exakte Gegenpol, und in den Jahren seit Übergang von Ehe zu Wohngemeinschaft haben wir das einfach so geregelt, dass wir uns in allen Abläufen voneinander unabhängig gemacht haben. Er darf absolut so sein, wie er möchte, es darf mich nur in keinem einzigen meiner Lebensbereiche in irgendeiner Form betreffen. Wenn wir gemeinsam irgendwo hinfahren, sage ich am Vortag, um welche exakte Uhrzeit ich im Auto sitze und losfahre, um nicht zu spät zu kommen, und dann fahre ich um exakt diese Uhrzeit los, Herr H. schafft es üblicherweise nicht, danebenzusitzen, fährt 20 Minuten später hinterher und kommt zu spät. Das hat den immensen Vorteil, dass mir das dann egal ist. Ich hasse Menschen, die immer zu spät kommen, aber solange ich nicht so ein Mensch werde, weil ich permanent auf Zeitmanagementprofis warten muss, ist ja alles egal.
Ähnlich verhält es sich mit der räumlichen Organisation von Dingen. Auch hier sind wir exakt gegensätzlich positioniert. Ich habe sicherlich ein schon fast krankhaftes Bedürfnis, dass Dinge einen Ort haben, wo sie sind, dass ich diesen Ort kenne und dass ich nie suchen muss. Das liegt teilweise daran, dass ich teils keine gute Wahrnehmung habe, und das bringt mit sich, dass ich Dinge einfach nicht bewusst sehe, wenn ich sie nicht erwarte. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ich blende alles mögliche einfach aus und kann dadurch nur sehr schlecht und mit großer Anstrengung Sachen suchen. Und dann ist es halt praktisch, wenn alles immer da ist, wo es hingehört, dann muss ich nicht suchen. Ich möchte auch keinen Mist mehr in meinem Lebensraum haben. Herr H ist da gelinde gesagt etwas laxer. Er wirft niemals etwas weg und räumt niemals etwas auf. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil er die Notwendigkeit nicht sieht. Wir sind an der Stelle austherapiert, die Psychiaterin sagte, wie Sie wissen, irgendwann den Satz "Wissen Sie, was ich interessant finde? Dass ausgerechnet Sie beide miteinander verheiratet sind." Gegensätze ziehen sich nicht an, Gegensätze finden ein System, wenn es gut läuft.
An dieser Stelle lautet das System seit ein paar Jahren, dass wir strikt getrennte Wohnbereiche haben, dass er seinen allerdings in einem minimal geordneten Zustand halten muss, und dass er in gemeinsam genutzten Räumen (Küche) nichts umräumen, abstellen oder systematisch verändern kann. Das klingt jetzt hart, ist aber besprochen und wenn Sie das Foto des Wohnzimmers nach einer Woche meiner Abwesenheit gesehen haben, wissen Sie, dass das eine gute Lösung ist, wenn man nicht bereit ist, so zu leben, und das bin ich nicht, muss ich auch nicht. Der Preis dafür, dass wir nicht auseinandergezogen sind, sondern Familien-WG machen, ist absolute Unterordnung in einem System, das Ordnung und Vernunft als Primat hat. Es macht nämlich auch überhaupt keinen Sinn, 5 Gramm Lauchzwiebel, die übrig geblieben ist, in einer Tupperdose im Kühlschrank aufzuheben. Wenn das eigene Innere das Wegwerfen von Dingen nicht erlaubt, stehen innerhalb weniger Tage 30 Dosen im Kühlschrank, alle nicht durchsichtig, alle nicht beschriftet, und die sind dann so lange da, bis alles komplett verschimmelt ist, das ist ja nicht der Weg. Nach vielen Jahren war meine finale Lösung an der Stelle, sämtliche Aufbewahrungsdosen wegzuwerfen. Ich bin ein Haushalt ohne eine einzige Gefrierdose. Sowieso habe ich über die Jahre alles, worin etwas aufbewahrt werden könnte, entsorgt. Nur in meinem eigenen Raum stehen ein paar Hutschachteln mit Dingen drin, aber ich laufe auch nicht Gefahr, da jetzt von Kleidung über Pflegeprodukte über geöffnete Lebensmittel alles gleichzeitig drin aufzubewahren, weil es ja "ein Aufbewahrungsort" ist. Mein Mann tut das, in Räumen, die ich benutze, ist das allerdings nicht möglich, daher gibt es keine Aufbewahrungsmöglichkeiten und er darf nichts abstellen. Und nein, das ist nicht übertrieben und er ist nicht "ein bisschen unordentlich". Das hat seine völlige Berechtigung, sonst würden wir alle gemeinsam nach spätestens vier Wochen untergehen.
Was ihm da gestern wohl passiert ist, mag nicht böse gemeint gewesen sein, daher wählte ich direkte Wiederabreise und nicht Detonation, aber es zeigt, dass mein System leider nur funktioniert, solange ich mit in der Wohnung bin. Unsere Verabredung, meine privaten Bereiche nicht zu betreten, muss offensichtlich noch einmal nachbesprochen werden, einen ganzen Raum abzubauen ist nämlich eine Teilmenge von betreten und daher auch nicht in meinem Sinne. Und für längere Abwesenheiten meiner Person werden wir für die zwischenzeitliche Raumnutzung ein neues System finden müssen. Ich werde nie mehr auf dem Zahnfleisch nach Hause kommen, um eine komplett abgebaute und verwüstete Wohnung vorzufinden. Soviel ist klar.
Und jetzt arbeite ich gleich was, Kundentermin heute aus dem fremden Bett ohne Bild, heute abend ist Karaoke, und vielleicht ist meine Wohnung irgendwann wiederhergestellt. Erst mache ich allerdings ein Stündchen vorgezogenen Mittagsschlaf. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Batterien jemals wieder vollkriegen soll. Aber vielleicht ist das die Story of my life. Die hysterische Suche nach weniger Anstrengung und Druck, die furchtbar anstrengend und bedrückend ist.
Wie das gestern passiert ist, möchte ich im Detail gar nicht erklären, mich hat die Situation nach 14 Jahren allerdings deutlich weniger gewundert als die Menschen aus dem Internet, ich kenne das ja bereits. Vor 10 Jahren haben wir alle gemeinsam noch darüber gelacht, dass ich abends ins damals noch gemeinsame Bett ging, Herr H sagte, er wolle noch kurz das Silikon an der Spüle erneuern, und als ich morgens aufstand, war die Küche abgebaut. Abgebaut. Alle Schränke standen im Wohnzimmer und wurden auch sehr sehr lange nicht wieder aufgebaut. Wir können es kurzhalten: Mein Mann ist nicht gut in Projektmanagement, hat ein defizitäres Gefühl für die Dauer von Abläufen und kein Problem, zu spät zu kommen oder etwas Angekündigtes einfach zeitlich nicht zu schaffen. Ich bin der exakte Gegenpol, und in den Jahren seit Übergang von Ehe zu Wohngemeinschaft haben wir das einfach so geregelt, dass wir uns in allen Abläufen voneinander unabhängig gemacht haben. Er darf absolut so sein, wie er möchte, es darf mich nur in keinem einzigen meiner Lebensbereiche in irgendeiner Form betreffen. Wenn wir gemeinsam irgendwo hinfahren, sage ich am Vortag, um welche exakte Uhrzeit ich im Auto sitze und losfahre, um nicht zu spät zu kommen, und dann fahre ich um exakt diese Uhrzeit los, Herr H. schafft es üblicherweise nicht, danebenzusitzen, fährt 20 Minuten später hinterher und kommt zu spät. Das hat den immensen Vorteil, dass mir das dann egal ist. Ich hasse Menschen, die immer zu spät kommen, aber solange ich nicht so ein Mensch werde, weil ich permanent auf Zeitmanagementprofis warten muss, ist ja alles egal.
Ähnlich verhält es sich mit der räumlichen Organisation von Dingen. Auch hier sind wir exakt gegensätzlich positioniert. Ich habe sicherlich ein schon fast krankhaftes Bedürfnis, dass Dinge einen Ort haben, wo sie sind, dass ich diesen Ort kenne und dass ich nie suchen muss. Das liegt teilweise daran, dass ich teils keine gute Wahrnehmung habe, und das bringt mit sich, dass ich Dinge einfach nicht bewusst sehe, wenn ich sie nicht erwarte. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ich blende alles mögliche einfach aus und kann dadurch nur sehr schlecht und mit großer Anstrengung Sachen suchen. Und dann ist es halt praktisch, wenn alles immer da ist, wo es hingehört, dann muss ich nicht suchen. Ich möchte auch keinen Mist mehr in meinem Lebensraum haben. Herr H ist da gelinde gesagt etwas laxer. Er wirft niemals etwas weg und räumt niemals etwas auf. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil er die Notwendigkeit nicht sieht. Wir sind an der Stelle austherapiert, die Psychiaterin sagte, wie Sie wissen, irgendwann den Satz "Wissen Sie, was ich interessant finde? Dass ausgerechnet Sie beide miteinander verheiratet sind." Gegensätze ziehen sich nicht an, Gegensätze finden ein System, wenn es gut läuft.
An dieser Stelle lautet das System seit ein paar Jahren, dass wir strikt getrennte Wohnbereiche haben, dass er seinen allerdings in einem minimal geordneten Zustand halten muss, und dass er in gemeinsam genutzten Räumen (Küche) nichts umräumen, abstellen oder systematisch verändern kann. Das klingt jetzt hart, ist aber besprochen und wenn Sie das Foto des Wohnzimmers nach einer Woche meiner Abwesenheit gesehen haben, wissen Sie, dass das eine gute Lösung ist, wenn man nicht bereit ist, so zu leben, und das bin ich nicht, muss ich auch nicht. Der Preis dafür, dass wir nicht auseinandergezogen sind, sondern Familien-WG machen, ist absolute Unterordnung in einem System, das Ordnung und Vernunft als Primat hat. Es macht nämlich auch überhaupt keinen Sinn, 5 Gramm Lauchzwiebel, die übrig geblieben ist, in einer Tupperdose im Kühlschrank aufzuheben. Wenn das eigene Innere das Wegwerfen von Dingen nicht erlaubt, stehen innerhalb weniger Tage 30 Dosen im Kühlschrank, alle nicht durchsichtig, alle nicht beschriftet, und die sind dann so lange da, bis alles komplett verschimmelt ist, das ist ja nicht der Weg. Nach vielen Jahren war meine finale Lösung an der Stelle, sämtliche Aufbewahrungsdosen wegzuwerfen. Ich bin ein Haushalt ohne eine einzige Gefrierdose. Sowieso habe ich über die Jahre alles, worin etwas aufbewahrt werden könnte, entsorgt. Nur in meinem eigenen Raum stehen ein paar Hutschachteln mit Dingen drin, aber ich laufe auch nicht Gefahr, da jetzt von Kleidung über Pflegeprodukte über geöffnete Lebensmittel alles gleichzeitig drin aufzubewahren, weil es ja "ein Aufbewahrungsort" ist. Mein Mann tut das, in Räumen, die ich benutze, ist das allerdings nicht möglich, daher gibt es keine Aufbewahrungsmöglichkeiten und er darf nichts abstellen. Und nein, das ist nicht übertrieben und er ist nicht "ein bisschen unordentlich". Das hat seine völlige Berechtigung, sonst würden wir alle gemeinsam nach spätestens vier Wochen untergehen.
Was ihm da gestern wohl passiert ist, mag nicht böse gemeint gewesen sein, daher wählte ich direkte Wiederabreise und nicht Detonation, aber es zeigt, dass mein System leider nur funktioniert, solange ich mit in der Wohnung bin. Unsere Verabredung, meine privaten Bereiche nicht zu betreten, muss offensichtlich noch einmal nachbesprochen werden, einen ganzen Raum abzubauen ist nämlich eine Teilmenge von betreten und daher auch nicht in meinem Sinne. Und für längere Abwesenheiten meiner Person werden wir für die zwischenzeitliche Raumnutzung ein neues System finden müssen. Ich werde nie mehr auf dem Zahnfleisch nach Hause kommen, um eine komplett abgebaute und verwüstete Wohnung vorzufinden. Soviel ist klar.
Und jetzt arbeite ich gleich was, Kundentermin heute aus dem fremden Bett ohne Bild, heute abend ist Karaoke, und vielleicht ist meine Wohnung irgendwann wiederhergestellt. Erst mache ich allerdings ein Stündchen vorgezogenen Mittagsschlaf. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Batterien jemals wieder vollkriegen soll. Aber vielleicht ist das die Story of my life. Die hysterische Suche nach weniger Anstrengung und Druck, die furchtbar anstrengend und bedrückend ist.
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Urlaubsende/Schrecken
herzbruch, 02:39h
Sie haben ja eh alles auf Twitter verfolgt. Ich liege jetzt in einem Bett und kann schlafen, das Bett gehört leider Frau N und nicht mir, aber hey. Ich bin ja flexibel. Kind und ich wohnen jetzt also so lange bei Novemberregens, bis mein Heim wieder steht. Meine Unterwäsche reicht bis zum Geburtstag. Und das ist ja auch schön! Nacht.
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Dienstag, 13. Juli 2021
Urlaubstagebuch Teil 8
herzbruch, 22:16h
Ich habe jetzt etwa 45 Minuten Zeit, hier etwas hinzuschreiben und zeitgleich zu verdrängen, dass gerade von rechts eingeflogen kam, dass ich 21 neue Emails habe, wobei mein Eingangspostfach doch gerade noch leer war. Dann kommen nämlich T und P, meine neuen Urlaubsfreunde, und ich werde mich über Hunde, Kinder und die Pandemie unterhalten. Oder vielleicht nicht über die Pandemie, das hat gestern nicht so gut funktioniert, ich musste umschwenken auf das Sexleben meiner Mutter.
T und P sind die Eltern von Onas Freund L, und ich habe sie gestern am Strand angesprochen, ob sie eventuell Onas Wechselgeld verwalten können, während ich oben Bahnen schwimme, sonst wäre das Wechselgeld nämlich weg gewesen, Sie sehen, es war nicht abwendbar. Sie waren sehr nett, sind sie auch immer noch, abends setzte man sich zusammen und plauderte.
Das war also am vorletzten Tag der Reise und damit vermutlich ungefährlich. Ich bin da grundsätzlich ja sehr zurückhaltend, hinterher möchte man vielleicht nicht noch einmal zusammensitzen, und wenn der Urlaub dann noch 13 Tage dauert, werden die nächsten 12 ein Spießrutenlaufen, da bin ich ja schlauer. 2013 war ich mit Mann und Kind in Spanien, da, wo wir immer sind, allerdings zum ersten Mal, und das Kind schoss einen Ball in den Nachbargarten, also mussten wir im Nebenhaus klingeln, es öffneten Ralf und Tanja, setzten uns auf ihre Terrasse und zack, waren wir gefangen. Ralf und Tanja waren absolute Idioten, hatten eine komplizierte on/off Beziehung, die sie mit uns besprechen wollten, wir hatten keine Idee, wie wir uns aus der Situation entfernen konnten, und abends wollte Ralf uns das tollste Restaurant im Ort zeigen. An dem Punkt gibt es keinen unkonfrontativen Weg, zu sagen, dass man lieber alleine essen möchte, zumal wir ihn aus Einfallslosigkeit nach dem tollsten Restaurant im Ort gefragt hatten. So gingen wir also gemeinsam essen, wunderten uns sehr, dass jemand 20 Jahre jedes Jahr nach Spanien fahren kann und sich dann damit rühmt, außer dos zervezzas por fovor kein Wort sagen zu können, dann die unwillkürliche Frage nach den Plänen für den nächsten Tag, wir wollten nach Barcelona fahren, und upsi, Ralf kennt sich in Barcelona super aus (wir auch) und möchte Tanja das auch mal zeigen, vielleicht könnten wir doch einfach zusammen fahren, dann mein unfassbar guter Einwurf, wir würden da nur das Kinderprogramm machen (sie hassten Kinder), und dann konnten wir das alleine machen. Am letzten Tag, nach wirklich vielen Abwimmelversuchen, wollte Tanja die Telefonnummern austauschen, ich Schaf gab ihr die richtige Nummer, sie rief zwei Tage später an, und ab dann war unsere Festnetznummer verbrannt. Irgendwann gab es irgendeinen Vorfall, durch den ich bei Herrn H schwer einen gut hatte, und ich wünschte mir von ihm, dass er einfach mal ans Telefon geht und Tanja sagt, dass sie bitte nicht mehr anrufen soll, wir hätten ja nun wirklich NICHTS gemein. Er machte das, und danach habe ich nie mehr im Urlaub mit Menschen gesprochen. Zu gefährlich. Bis gestern.
Und eigentlich war das okay. T ist Polizist, P ist Sachbearbeiterin im verbeamteten Status, sie kommen aus der nordrhein-westfälischen Provinz und bezeichnen sich selbst als Gesprächsstarter als "gesellig und lustig". So wie ich, quasi, Match made in heaven. Wir starteten mit Hunden (alle für), gingen über Kinder (haben alle) und plötzlich waren wir bei "Hurra, Ona ist geimpft", und dann. Stille. Nein, da seien sie nicht so für (beide sind ein bzw zweimal geimpft), das sei ja alles schon schlimm genug gewesen mit Corona, und es sei ja erwiesen, dass die Impfung für Kinder schädlich ist, das würden sie jetzt nicht mehr mitmachen, ihre Kinder würden sie nicht mehr opfern. Dann kamen etwa 20 Argumente, die vielleicht in so einer Parallelwelt Sinn ergeben würden, und dann kam ich kurz und lernte viel über die absolute Sinnlosigkeit meines Jobs. Seit einem Jahr beschäftige ich mich beruflich ausschließlich mit Corona, einmal aus politischer Ecke, einmal aus medizinischer. Sie können mir glauben, dass ich alle Literatur kenne, wenngleich ich mir nicht anmaße, die bewerten zu können, ich habe aber das Gefühl, dass ich ganz gut verstanden habe, wer das doch kann. Deshalb kann ich im Schlaf alle Argumentationen für und gegen alle möglichen Dinge runterbeten, ich kenne alle Spezifikationen und Studienergebnisse aller Impfstoffe auswendig, ich kann aber eine Sache nicht: noch irgendwas Sinnvolles beitragen, wenn jeder einzelne Scheiß letzte Satz ist "nee, ich bin mir wirklich ganz sicher, das sagt mir mein Bauchgefühl, das mit den Impfungen der ganzen Weltbevölkerung, das ist nicht koscher, da ist der Fisch noch nicht gegessen." Es gibt ja auch niemanden mehr, der geschützt werden müsste, die 80Jährigen sind ja entweder geimpft oder sterben eh bald. Und für alle anderen ist das ja ganz ungefährlich, aber der Staat möchte gerne PIIIIIIIIIEP.
Der Rest wird wegen Nichtgefallens zensiert. Ich habe alles runtergebetet, was argumentativ passte, habe alles sehr sachlich gekontert, und am Ende landeten wir jedes einzelne Mal bei "Ja aber ich habe da so eine Intuition".
Gut. Wir haben andere Themen gefunden. Und irgendwie waren sie auf den anderen Terreins auch sehr rührend. Ich kenne so Leute nicht, aber ich war ganz angetan. Ich glaube, so sieht so eine richtig glückliche Doppelbeamtenehe nach 20 Jahren aus:
"Also wir waren 2003 damals in der Dom Rep gewesen, oder Schatz?" "Ja. Oder warte, war das nicht 2004?" "Ja, du hast Recht, 2004." "Nein Schatz, du hattest Recht, das war 2003, hatte da der Dackel nicht die Geschichte mit der Wirbelsäule?" "Ja Schatz, du hast recht, das war auch schlimm, und da war Jolene noch nicht geboren." "Ja, richtig Schatz, das war kurz bevor du schwanger geworden bist, also wir." "Ja Schatz, stimmt, du hast Recht, ach, das war auch noch schön, da konnten wir noch richtig lange schlafen." "Ja Schatz, da haben wir am Wochenende immer schön im Bett gefrühstückt." "Naja Schatz, bald sind die Kinder ja groß, dann können wir das wieder ganz in Ruhe machen, hahahahaha." "Hahahahaha."
Und nur, dass wir uns hier richtig verstehen: Das ist Kommunikation in meine Richtung. Nicht untereinander.
Morgen fahre ich nach Hause.
T und P sind die Eltern von Onas Freund L, und ich habe sie gestern am Strand angesprochen, ob sie eventuell Onas Wechselgeld verwalten können, während ich oben Bahnen schwimme, sonst wäre das Wechselgeld nämlich weg gewesen, Sie sehen, es war nicht abwendbar. Sie waren sehr nett, sind sie auch immer noch, abends setzte man sich zusammen und plauderte.
Das war also am vorletzten Tag der Reise und damit vermutlich ungefährlich. Ich bin da grundsätzlich ja sehr zurückhaltend, hinterher möchte man vielleicht nicht noch einmal zusammensitzen, und wenn der Urlaub dann noch 13 Tage dauert, werden die nächsten 12 ein Spießrutenlaufen, da bin ich ja schlauer. 2013 war ich mit Mann und Kind in Spanien, da, wo wir immer sind, allerdings zum ersten Mal, und das Kind schoss einen Ball in den Nachbargarten, also mussten wir im Nebenhaus klingeln, es öffneten Ralf und Tanja, setzten uns auf ihre Terrasse und zack, waren wir gefangen. Ralf und Tanja waren absolute Idioten, hatten eine komplizierte on/off Beziehung, die sie mit uns besprechen wollten, wir hatten keine Idee, wie wir uns aus der Situation entfernen konnten, und abends wollte Ralf uns das tollste Restaurant im Ort zeigen. An dem Punkt gibt es keinen unkonfrontativen Weg, zu sagen, dass man lieber alleine essen möchte, zumal wir ihn aus Einfallslosigkeit nach dem tollsten Restaurant im Ort gefragt hatten. So gingen wir also gemeinsam essen, wunderten uns sehr, dass jemand 20 Jahre jedes Jahr nach Spanien fahren kann und sich dann damit rühmt, außer dos zervezzas por fovor kein Wort sagen zu können, dann die unwillkürliche Frage nach den Plänen für den nächsten Tag, wir wollten nach Barcelona fahren, und upsi, Ralf kennt sich in Barcelona super aus (wir auch) und möchte Tanja das auch mal zeigen, vielleicht könnten wir doch einfach zusammen fahren, dann mein unfassbar guter Einwurf, wir würden da nur das Kinderprogramm machen (sie hassten Kinder), und dann konnten wir das alleine machen. Am letzten Tag, nach wirklich vielen Abwimmelversuchen, wollte Tanja die Telefonnummern austauschen, ich Schaf gab ihr die richtige Nummer, sie rief zwei Tage später an, und ab dann war unsere Festnetznummer verbrannt. Irgendwann gab es irgendeinen Vorfall, durch den ich bei Herrn H schwer einen gut hatte, und ich wünschte mir von ihm, dass er einfach mal ans Telefon geht und Tanja sagt, dass sie bitte nicht mehr anrufen soll, wir hätten ja nun wirklich NICHTS gemein. Er machte das, und danach habe ich nie mehr im Urlaub mit Menschen gesprochen. Zu gefährlich. Bis gestern.
Und eigentlich war das okay. T ist Polizist, P ist Sachbearbeiterin im verbeamteten Status, sie kommen aus der nordrhein-westfälischen Provinz und bezeichnen sich selbst als Gesprächsstarter als "gesellig und lustig". So wie ich, quasi, Match made in heaven. Wir starteten mit Hunden (alle für), gingen über Kinder (haben alle) und plötzlich waren wir bei "Hurra, Ona ist geimpft", und dann. Stille. Nein, da seien sie nicht so für (beide sind ein bzw zweimal geimpft), das sei ja alles schon schlimm genug gewesen mit Corona, und es sei ja erwiesen, dass die Impfung für Kinder schädlich ist, das würden sie jetzt nicht mehr mitmachen, ihre Kinder würden sie nicht mehr opfern. Dann kamen etwa 20 Argumente, die vielleicht in so einer Parallelwelt Sinn ergeben würden, und dann kam ich kurz und lernte viel über die absolute Sinnlosigkeit meines Jobs. Seit einem Jahr beschäftige ich mich beruflich ausschließlich mit Corona, einmal aus politischer Ecke, einmal aus medizinischer. Sie können mir glauben, dass ich alle Literatur kenne, wenngleich ich mir nicht anmaße, die bewerten zu können, ich habe aber das Gefühl, dass ich ganz gut verstanden habe, wer das doch kann. Deshalb kann ich im Schlaf alle Argumentationen für und gegen alle möglichen Dinge runterbeten, ich kenne alle Spezifikationen und Studienergebnisse aller Impfstoffe auswendig, ich kann aber eine Sache nicht: noch irgendwas Sinnvolles beitragen, wenn jeder einzelne Scheiß letzte Satz ist "nee, ich bin mir wirklich ganz sicher, das sagt mir mein Bauchgefühl, das mit den Impfungen der ganzen Weltbevölkerung, das ist nicht koscher, da ist der Fisch noch nicht gegessen." Es gibt ja auch niemanden mehr, der geschützt werden müsste, die 80Jährigen sind ja entweder geimpft oder sterben eh bald. Und für alle anderen ist das ja ganz ungefährlich, aber der Staat möchte gerne PIIIIIIIIIEP.
Der Rest wird wegen Nichtgefallens zensiert. Ich habe alles runtergebetet, was argumentativ passte, habe alles sehr sachlich gekontert, und am Ende landeten wir jedes einzelne Mal bei "Ja aber ich habe da so eine Intuition".
Gut. Wir haben andere Themen gefunden. Und irgendwie waren sie auf den anderen Terreins auch sehr rührend. Ich kenne so Leute nicht, aber ich war ganz angetan. Ich glaube, so sieht so eine richtig glückliche Doppelbeamtenehe nach 20 Jahren aus:
"Also wir waren 2003 damals in der Dom Rep gewesen, oder Schatz?" "Ja. Oder warte, war das nicht 2004?" "Ja, du hast Recht, 2004." "Nein Schatz, du hattest Recht, das war 2003, hatte da der Dackel nicht die Geschichte mit der Wirbelsäule?" "Ja Schatz, du hast recht, das war auch schlimm, und da war Jolene noch nicht geboren." "Ja, richtig Schatz, das war kurz bevor du schwanger geworden bist, also wir." "Ja Schatz, stimmt, du hast Recht, ach, das war auch noch schön, da konnten wir noch richtig lange schlafen." "Ja Schatz, da haben wir am Wochenende immer schön im Bett gefrühstückt." "Naja Schatz, bald sind die Kinder ja groß, dann können wir das wieder ganz in Ruhe machen, hahahahaha." "Hahahahaha."
Und nur, dass wir uns hier richtig verstehen: Das ist Kommunikation in meine Richtung. Nicht untereinander.
Morgen fahre ich nach Hause.
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Urlaubstagebuch Teil 7
herzbruch, 12:30h
Heute bin ich sehr sehr müde. Außen im Körper und innendrin, der Teil meiner Person, der heute abend Koffer packen muss, möchte viel lieber schlafen. Nun kann ich natürlich einfach schlafen, muss aber gleich zum Schnelltest, und allein die Tatsache, dass ich irgendwann irgendwo sein muss, drückt seit dem Aufstehen die Stimmung wie verrückt.
Dabei war gestern doch so ein aufregender Tag. Morgens nach dem Aufstehen präsentierte Jonathan mir seinen ausgefeilten Plan des Nichtstuns und wie ich an welcher Stelle da Teil von sein sollte. Ich war nicht vollständig überzeugt und benutzte schwarze Pädagogik, um ihn davon zu überzeugen, mit mir schnorcheln zu gehen. Da ich allerdings statt zwei Brillen, zwei Masken und vier Flossen lieber nur eine Brille, einen Schnorchel, 7 Shirts und 5 lange Jeans eingepackt hatte (um dann eine Woche lang in den gleichen paar Kleidern hier rumzusitzen) mussten wir Equiment mieten. Der Plan war: Wichtige Dinge in die wasserdichten Handyhüllen, dann Sachen mieten und so weit wie irgend möglich von dem überfüllten Strand mit der lauten Musik wegschwimmen, ein paar Kilometer weiter an einen ruhigen Strand anlanden und da dann so lange zu sitzen, bis der Handyakku gebietet, dass wir zurückschwimmen. Am Wassersportservicepunkt angekommen lernten wir, dass sie keine Flossen vermieten, und dass die Maske 10 Euro pro Stunde Leihgebühr kostet. Da ich mich so auf mindestens 6 Stunden eingestellt hatte, allerdings mit Flossen, um auch Meter zu machen, lehnte ich dankend ab und ging weiter zur Tauchschule, die Flossen draußen rumstehen hatte. Der 63jährige Tauchtyp beantwortete meine Frage, ob ich was zum Schnorcheln bei ihm leihen könne mit dem Satz: "You should go diving." Was genau dann passierte, kann ich gar nicht sagen, jedenfalls zögerte ich keine Sekunde und sagte "Maybe I should."
Mir war natürlich klar, dass Schnorchelkönig Ona das sofort machen wollen würde, mir war überhaupt nicht klar, dass ich das machen wollen würde. Bislang hatte ich den Gedanken noch nie. Zwei Sachen sprechen eigentlich nämlich dagegen. Erstens bin ich wirklich sehr schlecht in Druckausgleich, ich bin jahrelang nur mit so komischen Ohrstöpseln geflogen, weil mir sehr oft bei der Landung das Ohr zugegangen ist und ich dann tagelang nix gehört habe und Ohrenschmerzen hatte. Mir schien Tauchen keine gute Idee. Außerdem hatte ich in den letzten Jahren so kurze Perioden, in denen ich anlasslos beim Schnorcheln nicht gut, also gar nicht, atmen konnte. Sobald das Gesicht unter Wasser war, konnte ich schlichtweg nicht einatmen. Beim letzten Versuch klappte das zwar wieder, dennoch ist das natürlich keine gute Voraussetzung dafür, 10 Meter tief zu tauchen. Bei der Entscheidung, tauchen zu gehen, hatte ich das wohl vergessen, beim Ausfüllen der nötigen Formulare fiel mir das allerdings alles wieder ein. Also erklärte ich eher länglich, dass es ein gewisses Restrisiko gibt, dass ich einfach oben bleibe, sollte ich merken, dass mich das alles stresst.
Zudem hatte ich noch mehrere Stunden Zeit bis zum Tauchgang, also lieh ich mir Onas Maske und Schnorchel, ging zurück aufs Zimmer und schwomm dort Bahnen mit Maske und Schnorchel. 30 Minuten, in denen ich nichts anderes gemacht habe als "Einatmen, Ausatmen" denken. Bis an den Punkt, wo der Puls ganz ruhig wird und die Atmung gleichmäßig, dann weiterschwimmen, mit dem guten Gefühl, mich auch 30 Minuten unter Wasser selbst ganz ruhig atmen zu können. Und überhaupt. Atmen.
Sehr optmistisch gingen wir also zu unserem Termin zur Tauchschule, bekamen die Einweisung in die Ausrüstung und die Gesten unter Wasser, zogen uns die Neoprenanzüge an und waren dann doch sehr überrascht, wie schwer Luft sein kann, wenn man sie sich in Form eines Lungenautomats auf den Rücken schnallen muss. Dann legten wir die Strecke meiner Träume zurück, nämlich im Neoprenanzug mit 100 Kilo auf dem Rücken und nackten Füßen zwischen Millionen Touristen über heißen Kies ins Meer, dort gab es einen wirklich sehr guten Flossenanziehservice, den ich mir für den Privatgebrauch gemerkt habe, und dann ging es los. Tauchlehrer Ahmet zeigte mir noch fünfmal das Handzeichen für "Hilfe, ich muss sofort gerettet werden", und dann ging es runter.
Die ersten zwei Atemzüge gingen nicht gut, ich tauchte wieder auf, visualisiert mich beim Bahnenschwimmen zwei Stunden vorher und tauchte dann eine Stunde lang. Angekündigt waren 6 Meter Tiefe, letztlich tauchten wir auf 10 Meter. Nach ein paar Minuten hörte Ahmet auf, uns permanent zu fragen, ob alles okay sei, weil erstens alles okay war und wir zweitens einfach immer proaktiv das Handzeichen machten, damit er uns in Ruhe lässt. Den ersten Druckausgleich musste ich schon nach einem Meter machen, klappte aber auf beiden Ohren, und gefühlt brauchte ich einen pro Tiefenmeter. Alle geklappt. Atmen war unspektakulär, ein paar Mal wurde mir kurz unwohl, weil ich Ona nicht neben mir sah. Toter Winkel durch Taucherbrille, ein Thema, das in der Gesellschaft zu wenig besprochen wird. Ich fand mein Kind unter Wasser übrigens spektakulär schön. Aber ich bin befangen.
Zu sehen gab es nichts. Ein paar Feuerfische, ein paar mehr sehr langweilige Fische, ein bisschen Müll am Grund. Unspektakulär und nicht schön. Für Leute, die gucken wollen statt tauchen lernen sicherlich nicht reizvoll, für uns total okay, da Ona alles schön fand und ich einfach mit mir und dem Meer beschäftigt war.
Nach einer knappen Stunde tauchten wir wieder auf, ich hatte Kreislauf sowie das Gefühl für unten und oben komplett verloren und musste dennoch in full gear über den heißen Strand zur Tauchhütte zurücktaumeln, trat in eine Glasscherbe (und kann jetzt wirklich schlecht laufen, da mein Fuß gefühlt in der Mitte durchgeschnitten ist, danke dafür Touristen!) und fiel dann letztendlich nach dem Ablegen der Sauerstoffflasche einfach auf einen Stuhl. Der Teil des Taucherlebnisses müsste für meinen Komfort sehr geändert werden. Ich bräuchte einen Kran, der mich aus dem Wasser schweben lässt und mich dann auf einer Liege ablegt, auf der ich zurück zum Ausgangspunkt gerollt werde. Dann wär's perfekt.
Nach dem Auftauchen war Ahmets allererste Reaktion übrigens "You two are like fucking fish", gefolgt von der vermutlich allen zahlenden Kunden mitgeteilten Beobachtung, wir hätten eine großartige Hydrodynamik (danke an Vanessa Giese für den Hinweis, dass Robben auch großartige Hydrodynamik haben, ich fühle mich denen auf vielen Ebenen sehr verbunden), gefolgt von einer unangemessen langen Exploration seines völligen Unglaubens, dass ich so "stark" gewesen sei und so cool und so entspannt. Eventuell wirkte ich im Vorfeld wieder "tense", vielleicht einfach nur wie die allerletzte Idiotin aus dem Nichtschwimmerbecken, man weiß es nicht. Aber es ist ja auf jeden Fall schön, Leute mit Overperformance zu überraschen. Andersrum wäre blöder.
Dabei war gestern doch so ein aufregender Tag. Morgens nach dem Aufstehen präsentierte Jonathan mir seinen ausgefeilten Plan des Nichtstuns und wie ich an welcher Stelle da Teil von sein sollte. Ich war nicht vollständig überzeugt und benutzte schwarze Pädagogik, um ihn davon zu überzeugen, mit mir schnorcheln zu gehen. Da ich allerdings statt zwei Brillen, zwei Masken und vier Flossen lieber nur eine Brille, einen Schnorchel, 7 Shirts und 5 lange Jeans eingepackt hatte (um dann eine Woche lang in den gleichen paar Kleidern hier rumzusitzen) mussten wir Equiment mieten. Der Plan war: Wichtige Dinge in die wasserdichten Handyhüllen, dann Sachen mieten und so weit wie irgend möglich von dem überfüllten Strand mit der lauten Musik wegschwimmen, ein paar Kilometer weiter an einen ruhigen Strand anlanden und da dann so lange zu sitzen, bis der Handyakku gebietet, dass wir zurückschwimmen. Am Wassersportservicepunkt angekommen lernten wir, dass sie keine Flossen vermieten, und dass die Maske 10 Euro pro Stunde Leihgebühr kostet. Da ich mich so auf mindestens 6 Stunden eingestellt hatte, allerdings mit Flossen, um auch Meter zu machen, lehnte ich dankend ab und ging weiter zur Tauchschule, die Flossen draußen rumstehen hatte. Der 63jährige Tauchtyp beantwortete meine Frage, ob ich was zum Schnorcheln bei ihm leihen könne mit dem Satz: "You should go diving." Was genau dann passierte, kann ich gar nicht sagen, jedenfalls zögerte ich keine Sekunde und sagte "Maybe I should."
Mir war natürlich klar, dass Schnorchelkönig Ona das sofort machen wollen würde, mir war überhaupt nicht klar, dass ich das machen wollen würde. Bislang hatte ich den Gedanken noch nie. Zwei Sachen sprechen eigentlich nämlich dagegen. Erstens bin ich wirklich sehr schlecht in Druckausgleich, ich bin jahrelang nur mit so komischen Ohrstöpseln geflogen, weil mir sehr oft bei der Landung das Ohr zugegangen ist und ich dann tagelang nix gehört habe und Ohrenschmerzen hatte. Mir schien Tauchen keine gute Idee. Außerdem hatte ich in den letzten Jahren so kurze Perioden, in denen ich anlasslos beim Schnorcheln nicht gut, also gar nicht, atmen konnte. Sobald das Gesicht unter Wasser war, konnte ich schlichtweg nicht einatmen. Beim letzten Versuch klappte das zwar wieder, dennoch ist das natürlich keine gute Voraussetzung dafür, 10 Meter tief zu tauchen. Bei der Entscheidung, tauchen zu gehen, hatte ich das wohl vergessen, beim Ausfüllen der nötigen Formulare fiel mir das allerdings alles wieder ein. Also erklärte ich eher länglich, dass es ein gewisses Restrisiko gibt, dass ich einfach oben bleibe, sollte ich merken, dass mich das alles stresst.
Zudem hatte ich noch mehrere Stunden Zeit bis zum Tauchgang, also lieh ich mir Onas Maske und Schnorchel, ging zurück aufs Zimmer und schwomm dort Bahnen mit Maske und Schnorchel. 30 Minuten, in denen ich nichts anderes gemacht habe als "Einatmen, Ausatmen" denken. Bis an den Punkt, wo der Puls ganz ruhig wird und die Atmung gleichmäßig, dann weiterschwimmen, mit dem guten Gefühl, mich auch 30 Minuten unter Wasser selbst ganz ruhig atmen zu können. Und überhaupt. Atmen.
Sehr optmistisch gingen wir also zu unserem Termin zur Tauchschule, bekamen die Einweisung in die Ausrüstung und die Gesten unter Wasser, zogen uns die Neoprenanzüge an und waren dann doch sehr überrascht, wie schwer Luft sein kann, wenn man sie sich in Form eines Lungenautomats auf den Rücken schnallen muss. Dann legten wir die Strecke meiner Träume zurück, nämlich im Neoprenanzug mit 100 Kilo auf dem Rücken und nackten Füßen zwischen Millionen Touristen über heißen Kies ins Meer, dort gab es einen wirklich sehr guten Flossenanziehservice, den ich mir für den Privatgebrauch gemerkt habe, und dann ging es los. Tauchlehrer Ahmet zeigte mir noch fünfmal das Handzeichen für "Hilfe, ich muss sofort gerettet werden", und dann ging es runter.
Die ersten zwei Atemzüge gingen nicht gut, ich tauchte wieder auf, visualisiert mich beim Bahnenschwimmen zwei Stunden vorher und tauchte dann eine Stunde lang. Angekündigt waren 6 Meter Tiefe, letztlich tauchten wir auf 10 Meter. Nach ein paar Minuten hörte Ahmet auf, uns permanent zu fragen, ob alles okay sei, weil erstens alles okay war und wir zweitens einfach immer proaktiv das Handzeichen machten, damit er uns in Ruhe lässt. Den ersten Druckausgleich musste ich schon nach einem Meter machen, klappte aber auf beiden Ohren, und gefühlt brauchte ich einen pro Tiefenmeter. Alle geklappt. Atmen war unspektakulär, ein paar Mal wurde mir kurz unwohl, weil ich Ona nicht neben mir sah. Toter Winkel durch Taucherbrille, ein Thema, das in der Gesellschaft zu wenig besprochen wird. Ich fand mein Kind unter Wasser übrigens spektakulär schön. Aber ich bin befangen.
Zu sehen gab es nichts. Ein paar Feuerfische, ein paar mehr sehr langweilige Fische, ein bisschen Müll am Grund. Unspektakulär und nicht schön. Für Leute, die gucken wollen statt tauchen lernen sicherlich nicht reizvoll, für uns total okay, da Ona alles schön fand und ich einfach mit mir und dem Meer beschäftigt war.
Nach einer knappen Stunde tauchten wir wieder auf, ich hatte Kreislauf sowie das Gefühl für unten und oben komplett verloren und musste dennoch in full gear über den heißen Strand zur Tauchhütte zurücktaumeln, trat in eine Glasscherbe (und kann jetzt wirklich schlecht laufen, da mein Fuß gefühlt in der Mitte durchgeschnitten ist, danke dafür Touristen!) und fiel dann letztendlich nach dem Ablegen der Sauerstoffflasche einfach auf einen Stuhl. Der Teil des Taucherlebnisses müsste für meinen Komfort sehr geändert werden. Ich bräuchte einen Kran, der mich aus dem Wasser schweben lässt und mich dann auf einer Liege ablegt, auf der ich zurück zum Ausgangspunkt gerollt werde. Dann wär's perfekt.
Nach dem Auftauchen war Ahmets allererste Reaktion übrigens "You two are like fucking fish", gefolgt von der vermutlich allen zahlenden Kunden mitgeteilten Beobachtung, wir hätten eine großartige Hydrodynamik (danke an Vanessa Giese für den Hinweis, dass Robben auch großartige Hydrodynamik haben, ich fühle mich denen auf vielen Ebenen sehr verbunden), gefolgt von einer unangemessen langen Exploration seines völligen Unglaubens, dass ich so "stark" gewesen sei und so cool und so entspannt. Eventuell wirkte ich im Vorfeld wieder "tense", vielleicht einfach nur wie die allerletzte Idiotin aus dem Nichtschwimmerbecken, man weiß es nicht. Aber es ist ja auf jeden Fall schön, Leute mit Overperformance zu überraschen. Andersrum wäre blöder.
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Sonntag, 11. Juli 2021
Urlaubstagebuch Teil 6
herzbruch, 23:57h
Ja, ich hätte die Anschaffung eines VPN Tunnels natürlich noch vor dem Urlaub fertigstellen können, angefangen hatte ich bereits. Oder in den letzten Tagen hier, es gibt ja nun nichts Interessantes alternativ zu tun. Aber ich hatte mich halt dagegen entschieden. Und so sitze ich jetzt also am großen Pool, vor mir turnen halbnackte Akrobaten mit unfassbaren Körpern, und das tut nix für mich, weil ich ja gleichzeitig auf dem Tablet die griechische Fernsehübertragung des Endspiels gucken muss. Zwischen zwei Nummern läuft immer "Hit the road Jack", was ich sehr mag, sowohl zu hören als auch zu singen, man kann sich damit auch sehr gut in Stimmung versetzen, wenn man den finalen Arschtritt verpasst. Das Lied für vorher, das Lied für nachher ist "Schön von hinten" von Stereo Total. In meiner Küche hängt eine Postkarte mit einem alten Radio drauf, und darüber steht "Was stört an der Realität ist die fehlende Hintergrundmusik", das kann ich aber nicht bestätigen, ich denke mir einfach immer Hintergrundmusik dazu, was stört an der Realität, sind alle anderen Dinge.
Ich scheine in diesem Urlaub zu erreichen, was es zu erreichen galt. Ich habe heute 2 von 3 Mahlzeiten eingenommen, sogar einmal was anderes als Obst, nämlich die schlechteste Orangenente, die ich bislang gegessen habe. Ist aber auch schwierig, hier ist ja Griechenland. Wobei ich ja mit Ente sehr leicht zufriedenzustellen bin, die esse ich nämlich sehr gerne. Ich möchte nicht unken, aber die heutigen Entenschenkel erinnerten mich wirklich sehr stark an Hähnchen. Aber lassen wir das mal so stehen.
Meine Hoffnung auf noch eine gehörige Portion Meer schwindet minütlich, da Jonathan inzwischen andere Cool Kids gefunden hat, mit denen er abwechselnd Wasservolleyball, Wasserbasketball und Wasserhandball spielt. Abends spielen sie Fußball, da muss mein Kind sich voll in die Situation werfen, mit 12 gelingt das aber noch leichter als mit 44. So haben wir also noch zwei volle Tage, in denen wir nichts machen werden, wie es aussieht, und das ist okay, war ja das Hauptziel, dass das Kind eine schöne Zeit hat, die hat er sich nämlich sehr verdient und auch nötig, und dass ich Ruhe habe, und das scheint auch zu klappen. Natürlich hätte ich noch viel mehr Ruhe, wenn ich im Meer rumschwimmen könnte, aber wie das die Natur so eingerichtet hat, ist die Prio 1 die Erholung der Brut, also mache ich nichts. An in loser Reihenfolge abwechselnden Orten, und die wichtigste Beobachtung ist vermutlich, dass mir zur inneren Ruhe bereits das Wissen reicht, dass ich ein schönes Zimmer habe, aus dem raus ich auch einfach schwimmen kann, wenn ich das möchte, und zack, kann ich auch am Pool sitzen, alleine in meiner Ecke, ohne, dass mich das nervt.
Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass mir ein zweiter Mensch fehlt, im Zweifelsfall sogar mein Mann. Jetzt, wo mein Kind rund um die Uhr mit anderen Kindern unterwegs ist und ich ja mein selbstgewähltes System des Nicht-mit-Fremden-sprechen nicht ändern möchte, fehlt mir Ansprache. Ich könnte natürlich telefonieren, habe das mit Frau N in einer emotionalen Anspannungssituation auch getan, aber das ist nicht das selbe. Ich möchte am Tisch sitzen und darüber streiten, wer sich als nächstes in die Schlange stellt, um einen Mocktail zu holen, ist aber niemand da. Also habe ich gerade zwei geholt, der erste war okay, der zweite ist wirklich schlecht, weil das Eis geschmolzen ist und er dadurch noch viel wässriger ist als alle anderen Getränke, die ich hier so zu mir nehme. Andererseits ist das System der totalen Vereisung aller Getränke insofern super, dass ich in fünf Tagen noch keine einzige betrunkene Person gesehen habe. Das hatte ich mir dramatischer vorgestellt, aber nein, alles gut. Es gibt keinen Weg, sich hier zu betrinken, und das kommt mir sehr gelegen, ich umgebe mich sehr ungern mit über Gebühr betrunkenen Leuten. Und da ich mein Lasterverhalten ja dummerweise vor ein paar Wochen wieder in alte Bahnen gelenkt habe und rauche wie ein Schlot, komme ich lasterseitig bestens klar. Schlecht daran ist natürlich, dass ich am 19. Juli wieder aufhören muss, das habe ich mir und der Welt versprochen und werde das - gemeinsam mit Excellensa übrigens - auch machen. Ich freue mich schon sehr, Rauchentwöhnung macht Spaß, und nach 2008 (schwanger) und 2017 (Schlaganfall) weiß ich ja, dass ich das mit gutem Grund ja auch durchaus kann, und Gründe gibt es ja genug. Und vielleicht kann ich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mir wieder mehr Freude am Essen erarbeiten.
Aber so lange ist erst mal noch Urlaub. Ich muss zwei Sachen arbeiten, die ich seit Donnerstag vor mir herschiebe, mal sehen, ob ich morgen soweit bin, praktisch wär es schon, sonst brauche ich gar nicht mehr zurückzureisen. Eigentlich sollten beide schnell gehen, doch ich habe keine Lust, mich zu konzentrieren. Ich lese übrigens auch nichts, Frauenbücher sprechen mich doch nicht so an, ansprechende Bücher fühlen sich nicht so an, als würde ich nichts machen, also lese ich nicht. Ich höre ein Hörbuch, das ich schon kenne, wo ich aber nicht mehr genau weiß, wie es ausgeht, aber wenn ich in dem Tempo weiterhöre, werde ich es auch nie erfahren, und auch das ist okay, da ich ja irgendwann mal wusste, wie es ausgeht, und das sollte reichen.
So, Nico, der mit Jonathan Fußball spielt, wird gerade von seiner kleinen Schwester geholt, "wir gehen jetzt ins Zimmer und Mama sagt, du sollst flotti Karotti kommen". Mittwoch fahre ich nach hause. Und dann gehe ich in selbstgewählte Quarantäne. Aber flotti karotti.
Ich scheine in diesem Urlaub zu erreichen, was es zu erreichen galt. Ich habe heute 2 von 3 Mahlzeiten eingenommen, sogar einmal was anderes als Obst, nämlich die schlechteste Orangenente, die ich bislang gegessen habe. Ist aber auch schwierig, hier ist ja Griechenland. Wobei ich ja mit Ente sehr leicht zufriedenzustellen bin, die esse ich nämlich sehr gerne. Ich möchte nicht unken, aber die heutigen Entenschenkel erinnerten mich wirklich sehr stark an Hähnchen. Aber lassen wir das mal so stehen.
Meine Hoffnung auf noch eine gehörige Portion Meer schwindet minütlich, da Jonathan inzwischen andere Cool Kids gefunden hat, mit denen er abwechselnd Wasservolleyball, Wasserbasketball und Wasserhandball spielt. Abends spielen sie Fußball, da muss mein Kind sich voll in die Situation werfen, mit 12 gelingt das aber noch leichter als mit 44. So haben wir also noch zwei volle Tage, in denen wir nichts machen werden, wie es aussieht, und das ist okay, war ja das Hauptziel, dass das Kind eine schöne Zeit hat, die hat er sich nämlich sehr verdient und auch nötig, und dass ich Ruhe habe, und das scheint auch zu klappen. Natürlich hätte ich noch viel mehr Ruhe, wenn ich im Meer rumschwimmen könnte, aber wie das die Natur so eingerichtet hat, ist die Prio 1 die Erholung der Brut, also mache ich nichts. An in loser Reihenfolge abwechselnden Orten, und die wichtigste Beobachtung ist vermutlich, dass mir zur inneren Ruhe bereits das Wissen reicht, dass ich ein schönes Zimmer habe, aus dem raus ich auch einfach schwimmen kann, wenn ich das möchte, und zack, kann ich auch am Pool sitzen, alleine in meiner Ecke, ohne, dass mich das nervt.
Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass mir ein zweiter Mensch fehlt, im Zweifelsfall sogar mein Mann. Jetzt, wo mein Kind rund um die Uhr mit anderen Kindern unterwegs ist und ich ja mein selbstgewähltes System des Nicht-mit-Fremden-sprechen nicht ändern möchte, fehlt mir Ansprache. Ich könnte natürlich telefonieren, habe das mit Frau N in einer emotionalen Anspannungssituation auch getan, aber das ist nicht das selbe. Ich möchte am Tisch sitzen und darüber streiten, wer sich als nächstes in die Schlange stellt, um einen Mocktail zu holen, ist aber niemand da. Also habe ich gerade zwei geholt, der erste war okay, der zweite ist wirklich schlecht, weil das Eis geschmolzen ist und er dadurch noch viel wässriger ist als alle anderen Getränke, die ich hier so zu mir nehme. Andererseits ist das System der totalen Vereisung aller Getränke insofern super, dass ich in fünf Tagen noch keine einzige betrunkene Person gesehen habe. Das hatte ich mir dramatischer vorgestellt, aber nein, alles gut. Es gibt keinen Weg, sich hier zu betrinken, und das kommt mir sehr gelegen, ich umgebe mich sehr ungern mit über Gebühr betrunkenen Leuten. Und da ich mein Lasterverhalten ja dummerweise vor ein paar Wochen wieder in alte Bahnen gelenkt habe und rauche wie ein Schlot, komme ich lasterseitig bestens klar. Schlecht daran ist natürlich, dass ich am 19. Juli wieder aufhören muss, das habe ich mir und der Welt versprochen und werde das - gemeinsam mit Excellensa übrigens - auch machen. Ich freue mich schon sehr, Rauchentwöhnung macht Spaß, und nach 2008 (schwanger) und 2017 (Schlaganfall) weiß ich ja, dass ich das mit gutem Grund ja auch durchaus kann, und Gründe gibt es ja genug. Und vielleicht kann ich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mir wieder mehr Freude am Essen erarbeiten.
Aber so lange ist erst mal noch Urlaub. Ich muss zwei Sachen arbeiten, die ich seit Donnerstag vor mir herschiebe, mal sehen, ob ich morgen soweit bin, praktisch wär es schon, sonst brauche ich gar nicht mehr zurückzureisen. Eigentlich sollten beide schnell gehen, doch ich habe keine Lust, mich zu konzentrieren. Ich lese übrigens auch nichts, Frauenbücher sprechen mich doch nicht so an, ansprechende Bücher fühlen sich nicht so an, als würde ich nichts machen, also lese ich nicht. Ich höre ein Hörbuch, das ich schon kenne, wo ich aber nicht mehr genau weiß, wie es ausgeht, aber wenn ich in dem Tempo weiterhöre, werde ich es auch nie erfahren, und auch das ist okay, da ich ja irgendwann mal wusste, wie es ausgeht, und das sollte reichen.
So, Nico, der mit Jonathan Fußball spielt, wird gerade von seiner kleinen Schwester geholt, "wir gehen jetzt ins Zimmer und Mama sagt, du sollst flotti Karotti kommen". Mittwoch fahre ich nach hause. Und dann gehe ich in selbstgewählte Quarantäne. Aber flotti karotti.
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