Dienstag, 10. August 2021
Fashion Vicky
Smoking makes your skin look grey, stress makes your head go bald. Und da ich ja tief im Inneren etwas eitel bin, wenngleich mit der Zeit Optik und Eitelkeit immer weiter auseinanderdivergieren, wird sich der Situation jetzt einfach angepasst. Vorbei sind die Tage des Befindlichkeitsbloggens hinter vollgestapelten Aschenbechern, jetzt kommt die Zeit des aktiven Verdrängens der Rekuperation.

Rauchstopp war ja schon am 19.07., und dass eigentlich gar nichts fehlt und stattdessen alle körperlichen, geruchlichen und das Gewissen belastende Nachteile weg sind, merke ich mir mal für die Zukunft, vielleicht ist da eine Botschaft versteckt. Kaugummis bleiben meine ständigen Begleiter, aber irgendwas muss der Mensch ja mit dem Mund machen, immer nur Reden ist anstrengend, Küssen fällt aus, Rauchen ist ungesund, also bleibt das Kaugummi. Essen ist nach wie vor beschwerlich, funktioniert jedoch im Rahmen des Sinnvollen gut, und mit abnehmendem Stress entdecke ich hier und da Appetit am Wegesrand.

Bleibt noch die Situation mit den Haaren, aber sich da jetzt aufzuregen, wäre kontraproduktiv, also habe ich mir einen fantastischen Fahrplan gemacht: 1) Ruhe bewahren, 2) Großes Blutbild beim Hausarzt, da muss ich eh hin, da ich eine Überweisung zum zigfach verschobenen MRT holen muss, dann ist das direkt auch erledigt, und dann sehen wir einfach weiter. In der Uniklinik gibt es die Haarsprechstunde, das wäre der nächste Schritt, und sollte das jetzt weiter - Obacht, schlechter Wortwitz - seine Kreise ziehen, mache ich einfach kurzen Prozess und 3), rasiere zur Abwechslung obenrum und kaufe mir eine hübsche Perücke. Das habe ich alles schon durchrecherchiert, eventuell kann ich ja doch noch einmal in meinem Leben meine Lieblingsfrisur, den glatten Bob ohne Dachshaare, tragen. Ein Silberstreif. Wie ich herausfand, heißt eine auswahlstarke Perückenmarke "Gisela Mayer", ein mir gut gefallendes Modell heißt "Gisela Mayer Fashion Vicky", und das finde ich so absurd komisch, dass ich das für mich sofort sehe.

Weitere Maßnahmen: Jeden Tag warm essen, jeden Tag um spätestens 18 Uhr Feierabend machen, zu allen Menschen freundlich sein (damit leider gestrichen: Besuch des Supermarktes), und wenn der Druck zu groß wird, einfach mal mit dem Hammer auf die Wiese hauen.


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Montag, 19. Juli 2021
Not just sad, also old
Letzte Stunde 44. Hälfte ist rum. Ich sitze mit Frau N auf meinem Sofa, ich sitze ja niemals auf dem Sofa, weil es mich auf eine sehr direkte Art damit konfrontiert, dass man für Dinge sehr viel Geld ausgeben kann, weil man so furchtbar überzeugt ist, und dann benutzt man es nie, weil es in der Praxis gar nicht so gemütlich ist, wie in der Theorie. Wenn das mal keine Allegorie ist. Mit Frau N habe ich in Düsseldorf noch nie auf dem Sofa gesessen, heute aber suchen wir Spaß, und den kann man für einen kurzen Moment haben, weil das Sofa aus einzelnen dicken Ledersesseln besteht, die mithilfe von Sensoren hin- und herfahren und die Liegeposition verändern. Zudem ist mein Handyakku leer, und auf dem Holzplateau, auf dem die Sessel stehen, befindet sich ein kleiner Induktionsladepunkt. Wir sind also etwa 30 Sekunden hin und hergefahren, ich habe mein Handy auf den Ladepunkt gelegt, und jetzt ist uns langweilig und wir machen Sachen im Internet. Frau N komponiert ein Lied, ich blogge das letzte Mal mit 44. So schnell kann's gehen. Mit 31 habe ich angefangen.

45 muss besser werden als 44, und da muss es jetzt in strukturierten Schritten hin. Quasi ab morgen. Pandemie hat mir nicht gut getan, Teile meines Privatlebens haben mir nicht gut getan, ich habe einige wirklich dumme Entscheidungen im letzten Jahr getroffen, und gearbeitet habe ich auch zuviel, und in den letzten Monaten habe ich den Tribut dafür gezahlt. Da ich aber a) nur mäßig verrückt bin und b) Menschen um mich rum habe, die gut auf mich aufpassen, wird 45 das Jahr, in dem es bergauf geht, nach einem recht rapiden bergab. Und ab morgen - also ab jetzt quasi - schaffe ich mir die Rahmenbedingungen. Ich bin noch nie auch nur am Rande einer Depression gewesen, würde auch zu diesem Zeitpunkt eher von einem ordentlichen Burn Out sprechen wollen, aber Dinge müssen passieren.

1) Ich muss halt wieder essen. Ich habe kein Interesse mehr am Essen, tue es auch eher schlecht als recht, und jetzt kann ich mir natürlich nicht selber anordnen, dass ich wieder Appetit haben muss, aber ich kann mir sehr wohl selber anordnen, dass ich einfach regelmäßig esse. Eine genaue Idee habe ich noch nicht, wie, was und wie oft, ich weiß nur, dass ich in den nächsten Wochen in einer Liste an Frau N. täglich berichten werde, was ich gegessen habe, um mal einen Überblick zu bekommen. Da auch dieses Phänomen neu ist, gehe ich jetzt einfach mal davon aus, dass das managebar sein wird.

2) Nachdem ich jetzt fast drei Monate wieder geraucht habe, muss das natürlich wieder weg. Davon verspreche ich mir nicht nur längeres Leben, sondern eventuell auch Hunger. Das wären zwei Fliegen mit einer Klappe, und das ist doch super. Ich habe noch 4 Zigaretten übrig, die dürfen noch vor Ablauf des 19. geraucht werden, dann ist Schluss. Ich weiß ja, dass ich aufhören kann, und wollen tue ich auch, mehr braucht es nicht.

3) Wenn ich schon esse und nicht mehr rauche, kann ich auch den Alkohol weglassen. Ich trinke gerne Cremant, und ich wittere an der Front auch gar kein Problem, dennoch kann es ja nicht schaden, bis Ende des Jahres höchstens noch in Gesellschaft einen Cremant zu trinken. Gesund ist es nicht, das können wir festhalten, und mein Lebenswandel muss sich eh ändern, die schädlichen Komponenten müssen einmal weg, zumindest, bis ich wieder auf dem Damm bin. Also höchstens in Gesellschaft. Ist ja noch Pandemie, Gesellschaft ist selten.

4) Ich mag meinen Mann, also jetzt nicht als mein Mann, aber als Person, aber unser seit sieben Jahren währendes Wohnprojekt nach Ehe wird jetzt beendet. Das haben wir gut geklärt heute. Wir hassen uns nicht, wir mögen uns sogar, aber keinen Tag länger möchte ich mit ihm in einem Haushalt leben, auch nicht mit getrennten Bereichen. Ich möchte auch nichts mehr mit oder für ihn organisieren, und diese Situation wird jetzt hergestellt. Meine Lieblingsvariante wäre ja, dass er ins Nachbarhaus zieht, dort wird eine Wohnung frei. Und dann kann er auch mal zum Abendessen kommen, und Ona jeden Tag komplikationslos sehen, hier oder nebenan. Das wäre schön, in dieser Wohnung klappt das nicht mehr. Ich möchte grundsätzlich nicht mehr mit einem Mann zusammenleben, ich hätte aber sehr gern einen Mann für den spaßbasierten Teil meines Lebens an meiner Seite, aber im übertragenen Sinne. Nicht in meiner Wohnung. Einen Mann, den ich mag und der mich mag. Und das ist neu, aber auch interessant.

5) Ich habe ein paar administrative Baustellen, die mit dem Tod meines Vaters entstanden sind, die vermutlich inzwischen einen höheren vierstelligen Betrag an "hätte ich mal früher machen sollen" kosten, ich konnte und kann mich aber nicht dazu überwinden. Totaler Unsinn, aber geht halt nicht. Und die werden jetzt outgesourct. Ich kann natürlich auch gut noch ein bisschen im Bett liegen und grübeln, aber zielführender und entlastender wäre es sicherlich, das einfach in kompetente Hände zu geben, irgendwann zum Notar zu laufen, ein paar Unterschriften zu leisten und ansonsten weiter zu verdrängen, während die kompetenten Hände das regeln. Die Idee habe ich Frau N gepitcht, und sie hat schon in die Wege geleitet. Dann ist das auch aus der Welt.

6) Schlafen. Vielleicht kann ich dann auch irgendwann wieder schlafen. Denn hey. 45 ist nicht nix! Und um es mit Raj von TBBT zu sagen: "Come on, dude, I'm exhausted and Tyra Banks says the most important item in your makeup bag is a good night's sleep."

(Bitte keine Tips/Standpauken/Mitleidsbekundungen. Alles wird gut, auch at rock bottom. Ist ja immer so. Und ich hab auch noch ein bisschen Shrink Budget.)

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Samstag, 17. Juli 2021
Duck Song
Als Jonathan klein war, liebte er den Duck Song, müssen Sie sich auf YouTube selber erarbeiten, sonst habe ich wieder wochenlang einen Ohrwurm, das ist mir nicht recht. Jedenfalls ist ja morgen der Abend vor Reinfeiern, und da hätte ich natürlich durchaus Lust, für Frau N und meine Familie zu kochen, konnte mir aber nichts vorstellen, worauf ich Appetit hätte, also befragte Frau N in bewährter Manier das Internet. Von den Vorschlägen, die einliefen, interessierte mich am allermeisten Entenbrust mit Honig-Balsamicoschalotten, zudem hatten wir über Ottolenghipilze gesprochen, und wenn ich über Ottolenghipilze spreche, mache ich sofort auch reflexartig Süßkartoffeln mit Feigen. Das erschien mir alles theoretisch lecker, also beschlossen wir, das in der Praxis zu kaufen und von mir morgen zubereiten zu lassen, mit einer recht großen theoretischen Chance, das letztendlich auch essen zu wollen.

Frau N hatte eigentlich überhaupt nicht geplant, das Haus zu verlassen und musste wählen zwischen selber nach Düsseldorf fahren oder kurz in den Supermarkt, entschied an der Stelle aber schlau. Sie ist eine sehr gute Beifahrerin, sehr kompetent. Wir betraten also den Supermarkt, eine junge Frau steuerte auf sie zu und fragte (Frau N wohlgemerkt, mich würde ja niemals jemand ansprechen): "Entschuldigung, was ist noch mal Lauch?", und dann kam der allergrößte Hauptunterschied zwischen Frau N und mir zum Tragen. Während ich maximal, wenn überhaupt irgendetwas, gesagt hätte: "Entschuldigung, bitte gehen Sie weiter", nicht, weil ich unfreundlich sein möchte, sondern weil es ein Reflex wäre, warf sich Frau N kopfüber in die Situation, sagte "Das ist Porree. Wie Frühlingszwiebeln, nur viel größer, so unten weiß, oben grün". Vier Stationen weiter - es gab im ersten Supermarkt keine Entenbrust, im zweiten gab es nur noch eine Entenbrust und mein Gesicht auf den Vorschlag, ich könne ja selber Entenbrust essen, der Rest äße Steak signalisierte Frau N, dass sie besser einfach alle Supermärkte, die sie kennt, inventarisiert und wir sie der Reihe nach abfahren sollten, so lange, bis wir vier Entenbrüste haben, fanden wir dann also die restlichen drei Entenbrüste, und gegenüber war der Cremes und Oliven-Mann, dessen Cremes ich immer ganz hervorragend fand. Nun hatte ich zwar keinen Appetit auf Cremes, auf alle anderen Sachen aber auch nicht, dann kann eine auch Cremes essen. Also ging ich hin, bestellte ein halbes Töpfchen Pilze, er machte ein Töpfchen ganz voll, dann bestellte ich ein halbes Töpfchen Oliven, er machte es wieder voll, dieses Mal schritt ich ein und sagte "bitte etwas weniger", er legte noch einen weiteren Löffel nach, ich gab auf und ließ ihn einfach machen, was er möchte, auch die Cremes Auswahl gelang ihm hervorragend, dann bezahlte ich und ging.

Zuhause angekommen fiel mir wieder ein, was ich an Frau N ganz besonders mag: Was ist die wichtigste erste Aktivität, wenn man vom Einkaufen kommt? Richtig. Füße hoch.

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Lovecats
Neuer Tag, neues Glück. Ich bin exakt genau gleich angestrengt wie vor dem Schlafengehen, seit Wochen empfinde ich das, was im Roman "bleierne Schwere" heißt. Konnte ich mir nie viel drunter vorstellen, jetzt bin ich ein Mensch, der bleierne Schwere kennt. Bei dem Gedanken, dass ich heute die Treppe runter und wieder rauflaufen muss, um Einkäufe zu transportieren, wird mir direkt ganz schlecht vor lauter bleierner Schwere. Ich habe das also jetzt immer, Frau N am Ende eines langen Tages immerhin punktuell, so standen wir gestern abend also vor ihrem Haus und riefen mein Kind an mit der Bitte, die Einkäufe hochzutragen, da wir sonst leider kein Eis essen könnten. So gemein sind wir.

Letztendlich habe ich dann gar kein Eis gegessen, da ich erstens gar nicht gerne Eis mag und ich zweitens keinen Appetit hatte. Mein Kind hat derweil ein ganzes Paket gegessen, und ich bin immer wieder erstaunt, dass diese komplette Eisbegeisterung mit mir eine Generation übersprungen hat. Meine Mutter und mein Kind sind zusammen vermutlich für die Hälfte des Eiskonsums in Europa zuständig. Vor vielen Jahren, ich lebte noch bei meinen Eltern, ertappte ich meine Mutter abends beim Golden Girls gucken mit einer riesigen Schüssel Eis, und genüsslich löffelte sie, den Löffel mit der Wölbung nach oben haltend. Auf die Frage, warum sie den Löffel falsch rum hielte, antwortete sie: So habe ich länger was davon. Da kann eine viel von lernen.

Ich habe ja allergrößten Respekt vor Frau N, aber ihre Katzen beäuge ich mit Skepsis. Sie kennen mich ja ganz gut, ich war nämlich vor ihnen da, und der Kater hat die zwei Jahre Überlappung nur für den Moment gelebt, an dem ich jede Woche abends einen Koffer in das Gästezimmer gestellt habe, damit er dann darauf schlafen kann. Vielleicht ist es Pandemie, aber die Katzen haben sich recht eigenartig entwickelt. Erstens musste ich kritisch anmerken, dass die vorgebrachte Entschuldigung der Tierärztin, die Katze habe einen sehr ungünstigen Körperbau, so nicht richtig ist. Die Katze hat kein Körperbauproblem, die Katze ist einfach unfassbar fett. So, jetzt hab ich es gesagt. Ich glaube, sie wiegt so viel wie mein Hund, und sie sieht eher aus wie ein prallgefüllter Luftballon, als wie eine Katze. Zum Fressen bekommt sie übrigens einen besonderen Service: Frau N legt sich auf den Boden daneben, bis sie fertig ist. Das Gewichtsproblem könnte folglich sehr einfach behoben werden, in dem Frau N etwas früher wieder aufsteht. Alternativ könnte ich öfter ins Bad gehen, das verbrennt auch viele Kalorien. Die Katze möchte das nämlich nicht. In den letzten Tagen waren wir tagsüber ja zu viert, Ona, zwei Katzen und ich, und da zeigte sich sehr schnell, dass jedes Mal, wenn ich ins Bad gehe, die Katze vollkommen eskaliert. Sie kratzt an der Tür, schreit, maunzt und regt sich erst wieder ab, wenn ich die Türe öffne. Nun bin ich nicht so veranlagt, dass ich mich den Wünschen einer Katze unterordne, und wenn ich das wäre, würde es recht schnell hinauslaufen auf "sie oder ich", denn man muss ja ins Bad. Wenn Frau N in der Küche anwesend ist, eskaliert die Katze übrigens nicht, sondern legt sich lang vor die Tür und setzt ein einschüchterndes Gesicht auf. Lang ist natürlich relativ, wegen der unglücklichen Körperform. Der Kater war lediglich wieder sehr beruhigt, dass die lange kofferlose Zeit vorbei ist, und heute morgen, Frau N und ich hatten beide einen Kaffee und lagen auf Sessel und Sofa, während die großen Kinder noch schliefen, da kam der Kater zu uns, turnte ein bisschen angeberisch auf dem Flokati vor, wie gemütlich die Welt ist, wenn man gut schlafen kann und nicht Rücken hat, dann ging er zu Frau N und teilte ihr unangemessen fordernd mit, dass sie mitkommen müsse, sofort, ging dann einmal durch die ganze Wohnung und teilte ihr Lassie-Style mit, dass die Tür zu Onas Zimmer sofort geöffnet werden müsse. Ich nehme an, dass meine autoritäre Anwesenheit das einzige war, was sie davon abhalten konnte. Ich bin sehr froh, dass sie keinen großen Hund hat.

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