Samstag, 17. Juli 2021
New Plan
Bis vor etwa 20 Minuten verpürte ich allergrößte Lust zu bloggen, leider ist das nach dem Abendessen jetzt abgeebbt. Das Wort "abgeebbt" habe ich, jetzt wo ich es sehe, wohl noch nie schriftlich verwendet, und ich finde es geschrieben nicht schön. Offensichtlich ist meine Aufmerksamkeitsspanne heute recht gering.

Gestern abend waren wir beim Karaoke, da haben wir nicht nur gesungen, sondern ich habe sehr viel in einem sehr kleinen dunklen Raum, erleuchtet nur durch die mitgebrachte Discokugel, getanzt, der Höhe- oder vielleicht Tiefpunkt mag gewesen sein, als Frau N ein Lied sang, in dessen Begleitvideo eine Dame sang und eine andere Dame sich auf dem Boden rollte, und ich fühlte mich animiert und rollte mich auch auf dem Boden. Wir waren übrigens mit dem Auto unterwegs, es war kein Alkohol im Spiel, und im Nachgang hatte ich Rücken. So sehr, dass wir heute Parallel Play im Wohnzimmer machen, das ist in 12 Jahren höchst selten vorgekommen, normalerweise sitzen wir in der Küche und starren auf diverse Endgeräte. Soeben unterbrach Frau N meinen Gedankengang mit der Frage, in welchem Zoo man sich impfen lassen könnte, das konnte ich nicht beantworten, leider riss die Frage mich aus dem Blogtunnel. Wuppertal, inzwischen hat sie recherchiert, da ist Jonathan mal in kurzer Hose und T-Shirt in die Brennesseln gefallen, das hat das Erlebnis "Anreise per Schwebebahn" sehr in den Hintergrund verdrängt.

Eigentlich wollte ich morgen abreisen, aber eine Idee von Frau N machte das schon wieder zunichte, ich muss also bleiben. Sonntag wäre Frau N ja nach Düsseldorf gefahren, da ich Montag Geburtstag habe, und jetzt wäre es ja sehr praktisch, wenn ich sie einfach direkt mitnehmen würde, dann kann sie nach einer Nacht bei mir mit Sekt und O-Saft Montag optimistisch mit dem Zug wieder nach Hause fahren. Zudem erhöht die Option, mit Übernachtungsgast anzureisen, noch einmal den milden Druck, dass die Wohnung inklusive aller Schlafplätze wieder hergestellt sein müsste. Der neue Plan erfüllt Frau N mit größter Vorfreude, (Zitat: "Ich muss dann nicht fahren, das ist ja für alle Menschen gut!"), ich sehe allerdings Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass ich einen weiteren Tag ausruhen kann, das erscheint mir sehr verlockend. Hätte ich morgen - im Zweifelsfall noch sehr kompliziert - zurückfahren müssen, hätte ich spätestens jetzt sehr schlechte Laune, weil ich mich noch immer sehr müde fühle. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich die Person, die mich am besten durch Hochwasser und Katastrophen coachen kann, direkt mit im Auto habe, wenn ich durch das erschütternd getroffene Rheinland-Pfalz fahren muss. Auch sehr gut. Der bislang größte erkennbare Nachteil ist, dass ich morgen ein weiteres Mal mit Frau N in den Supermarkt muss, da ich dann ja Sonntag in meinen Geburtstag reinfeiern werde, dafür aber nicht vorbereitet bin. Es muss also eingekauft werden. Und weil ich lernfähig bin, werde ich morgen nicht sagen, dass ich zu müde bin, um in den Supermarkt zu gehen, um dann am Sonntag in einer größeren Aktion am Flughafen in dem sehr viel schlechter sortierten einkaufen zu müssen. Da falle ich nicht noch mal drauf rein.

Jetzt fallen mir beim Schreiben die Augen zu, und mein Kind liegt mit einer großen Packung Eis in meinem Bett und guckt einen Film mit Adam Sandler. Seit Tagen macht er nichts anderes, er ist jetzt Fan. Ich habe noch nie einen Film mit Adam Sandler gesehen, habe mir aber erklären lassen, dass man das bis 15 sehr lustig findet. Vielleicht bleibe ich auch einfach auf dem Sofa liegen. Wobei der Springbrunnen bestimmt dazu führen würde, dass ich zum ersten Mal in meinem gesamten Leben unschwanger nachts aufs Klo müsste. Das erscheint mir auch schon wieder unangemessen anstrengend, ich kann nichts Anstrengendes mehr machen in diesem Jahrzehnt. "Schreibst du über mich?" - "Ach Quatsch!"

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The Plan
Eventuell könnten wir jetzt langsam mal nach Hause abreisen, ich erhielt ein Signal, dass die Wohnung wieder betreten werden könne und mein Zimmer auch wieder aufgebaut sei. Das ist natürlich fein, wir alle wissen, dass meine Regale nicht "in loser Reihenfolge" bestückt sind, sondern in einer maximal strukturierten Reihenfolge, die aber auch nur in meinem Kopf einen größeren Sinn ergibt, und wir alle wissen natürlich ebenfalls, dass Herr H nicht erst ein Foto gemacht hätte von den Arrangements, die abgebaut wurden, um sie dann einfach gleich wieder aufzubauen, sondern dass er alles (eventuell) ordentlich aber ganz ohne ein System wieder eingeordnet hat, und dass ich natürlich niemals auch nur eine Nacht schlafen könnte in einem Raum, in dem ein Regal an der Wand hängt, wo Düfte, die unterschiedlichen Marken, Lebensphasen und Duftwelten angehören, einfach nur nach Farbe und Form im Regal stehen, das wissen wir auch. Das ist übrigens mein Einstiegspunkt in "irre". Natürlich habe ich ja nicht 40.000 Düfte sondern "einige", und natürlich würde ich ja jeden einzelnen sofort finden, wenn ich maximal 5 Sekunden suchen würde. Aber das ist ja viel zu ineffizient. Wenn alle Marken zusammenstehen und in sich noch einmal nach Duftsorten von links nach rechts geordnet sind, hat jeder Flakon einen eindeutigen Ort, der sich aus der Systematik zwingend ergibt. Und das ist doch schön, das bedeutet nämlich, dass ich NIE MEHR darüber nachdenken muss, wo ich einen eventuellen neuen hinstellen würde, es gibt ja nur einen Ort im System, und der ist alternativlos.

Doch wo war ich? Ja, ich könnte theoretisch nach Hause reisen, müsste da dann aber alle meine Sachen neu sortieren, das schreckt mich noch etwas ab, außerdem weigert Jonathan sich, hier ist ja quasi immer Medienzeit, erstens, weil es das Konzept im Hause N ja nicht gibt, und zweitens, weil ich arbeite und es keine alternativen Beschäftigungen für ihn gibt. Er will also keinesfalls heute fahren. Zudem bin ich körperlich so erschöpft, dass ich vielleicht schlau bin und keine längere Strecke mit dem Auto plane. Noch nicht, morgen früh kann ich ja ausschlafen, zudem werde ich heute in guter alter Manier Frau N was Gesundes kochen. Das scheint mir auch nötig, also für mich, nicht für Frau N, die hat ja die Gemüsekiste. Außerdem hat Frau N heute abend sturmfreie Bude und vermutlich ihre Chance gewittert, ganz luxuriös mit ihrem Leergut in einen Supermarkt transportiert zu werden, also solle ich besser hier bleiben. Und zu guter letzt habe ich überhaupt keine Ahnung, ob ich wohl von Frankfurt nach Düsseldorf mit dem Auto fahren könnte jetzt gerade, war ja "Wetter", nicht "Klima", und da kann man jetzt ja nicht die Politik für ändern. Das ganze Thema finde ich so grässlich, dass ich es derzeit noch ausblende. Das fällt vermutlich noch mit in den Korb der gesamthaften Erschöpfung, aber ich möchte mich damit erst in 2022 beschäftigen, derzeit habe ich keine Ressourcen mehr übrig. Ich möchte mich nur noch mit schönen Dingen beschäftigen müssen, Leergut Wegbringen mit Frau N zum Beispiel. Das wird ein sehr schöner Tagesordnungspunkt heute.

Also bleibe ich hier, arbeite bis heute abend, fahre dann mit Frau N in den Supermarkt und tausche ihr Leergut gegen Essen, werde dann kochen, morgen früh ausschlafen, und wenn es dann richtig gut läuft, steigt mein Kind mit ins Auto, die Straßen sind befahrbar und ich bin nicht zu erschöpft, um diese günstige zeitliche Entwicklung auch zu nutzen.

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Donnerstag, 15. Juli 2021
Life is a mess
Ich sitze im Bett, neben mir sitzt mein Kind und versucht mich zu überreden, es doch zur Adoption frei zu geben, es möchte lieber in einem Haushalt mit XBox, PlayStation und Gaming PC leben, und die Herbergsfamilie hat schon zugestimmt. Eventuell bleiben wir einfach beide hier, ich würde ihn ja schon vermissen, und ich bin ja quasi eh naturiert hier.

Wie das gestern passiert ist, möchte ich im Detail gar nicht erklären, mich hat die Situation nach 14 Jahren allerdings deutlich weniger gewundert als die Menschen aus dem Internet, ich kenne das ja bereits. Vor 10 Jahren haben wir alle gemeinsam noch darüber gelacht, dass ich abends ins damals noch gemeinsame Bett ging, Herr H sagte, er wolle noch kurz das Silikon an der Spüle erneuern, und als ich morgens aufstand, war die Küche abgebaut. Abgebaut. Alle Schränke standen im Wohnzimmer und wurden auch sehr sehr lange nicht wieder aufgebaut. Wir können es kurzhalten: Mein Mann ist nicht gut in Projektmanagement, hat ein defizitäres Gefühl für die Dauer von Abläufen und kein Problem, zu spät zu kommen oder etwas Angekündigtes einfach zeitlich nicht zu schaffen. Ich bin der exakte Gegenpol, und in den Jahren seit Übergang von Ehe zu Wohngemeinschaft haben wir das einfach so geregelt, dass wir uns in allen Abläufen voneinander unabhängig gemacht haben. Er darf absolut so sein, wie er möchte, es darf mich nur in keinem einzigen meiner Lebensbereiche in irgendeiner Form betreffen. Wenn wir gemeinsam irgendwo hinfahren, sage ich am Vortag, um welche exakte Uhrzeit ich im Auto sitze und losfahre, um nicht zu spät zu kommen, und dann fahre ich um exakt diese Uhrzeit los, Herr H. schafft es üblicherweise nicht, danebenzusitzen, fährt 20 Minuten später hinterher und kommt zu spät. Das hat den immensen Vorteil, dass mir das dann egal ist. Ich hasse Menschen, die immer zu spät kommen, aber solange ich nicht so ein Mensch werde, weil ich permanent auf Zeitmanagementprofis warten muss, ist ja alles egal.

Ähnlich verhält es sich mit der räumlichen Organisation von Dingen. Auch hier sind wir exakt gegensätzlich positioniert. Ich habe sicherlich ein schon fast krankhaftes Bedürfnis, dass Dinge einen Ort haben, wo sie sind, dass ich diesen Ort kenne und dass ich nie suchen muss. Das liegt teilweise daran, dass ich teils keine gute Wahrnehmung habe, und das bringt mit sich, dass ich Dinge einfach nicht bewusst sehe, wenn ich sie nicht erwarte. Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Ich blende alles mögliche einfach aus und kann dadurch nur sehr schlecht und mit großer Anstrengung Sachen suchen. Und dann ist es halt praktisch, wenn alles immer da ist, wo es hingehört, dann muss ich nicht suchen. Ich möchte auch keinen Mist mehr in meinem Lebensraum haben. Herr H ist da gelinde gesagt etwas laxer. Er wirft niemals etwas weg und räumt niemals etwas auf. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil er die Notwendigkeit nicht sieht. Wir sind an der Stelle austherapiert, die Psychiaterin sagte, wie Sie wissen, irgendwann den Satz "Wissen Sie, was ich interessant finde? Dass ausgerechnet Sie beide miteinander verheiratet sind." Gegensätze ziehen sich nicht an, Gegensätze finden ein System, wenn es gut läuft.

An dieser Stelle lautet das System seit ein paar Jahren, dass wir strikt getrennte Wohnbereiche haben, dass er seinen allerdings in einem minimal geordneten Zustand halten muss, und dass er in gemeinsam genutzten Räumen (Küche) nichts umräumen, abstellen oder systematisch verändern kann. Das klingt jetzt hart, ist aber besprochen und wenn Sie das Foto des Wohnzimmers nach einer Woche meiner Abwesenheit gesehen haben, wissen Sie, dass das eine gute Lösung ist, wenn man nicht bereit ist, so zu leben, und das bin ich nicht, muss ich auch nicht. Der Preis dafür, dass wir nicht auseinandergezogen sind, sondern Familien-WG machen, ist absolute Unterordnung in einem System, das Ordnung und Vernunft als Primat hat. Es macht nämlich auch überhaupt keinen Sinn, 5 Gramm Lauchzwiebel, die übrig geblieben ist, in einer Tupperdose im Kühlschrank aufzuheben. Wenn das eigene Innere das Wegwerfen von Dingen nicht erlaubt, stehen innerhalb weniger Tage 30 Dosen im Kühlschrank, alle nicht durchsichtig, alle nicht beschriftet, und die sind dann so lange da, bis alles komplett verschimmelt ist, das ist ja nicht der Weg. Nach vielen Jahren war meine finale Lösung an der Stelle, sämtliche Aufbewahrungsdosen wegzuwerfen. Ich bin ein Haushalt ohne eine einzige Gefrierdose. Sowieso habe ich über die Jahre alles, worin etwas aufbewahrt werden könnte, entsorgt. Nur in meinem eigenen Raum stehen ein paar Hutschachteln mit Dingen drin, aber ich laufe auch nicht Gefahr, da jetzt von Kleidung über Pflegeprodukte über geöffnete Lebensmittel alles gleichzeitig drin aufzubewahren, weil es ja "ein Aufbewahrungsort" ist. Mein Mann tut das, in Räumen, die ich benutze, ist das allerdings nicht möglich, daher gibt es keine Aufbewahrungsmöglichkeiten und er darf nichts abstellen. Und nein, das ist nicht übertrieben und er ist nicht "ein bisschen unordentlich". Das hat seine völlige Berechtigung, sonst würden wir alle gemeinsam nach spätestens vier Wochen untergehen.

Was ihm da gestern wohl passiert ist, mag nicht böse gemeint gewesen sein, daher wählte ich direkte Wiederabreise und nicht Detonation, aber es zeigt, dass mein System leider nur funktioniert, solange ich mit in der Wohnung bin. Unsere Verabredung, meine privaten Bereiche nicht zu betreten, muss offensichtlich noch einmal nachbesprochen werden, einen ganzen Raum abzubauen ist nämlich eine Teilmenge von betreten und daher auch nicht in meinem Sinne. Und für längere Abwesenheiten meiner Person werden wir für die zwischenzeitliche Raumnutzung ein neues System finden müssen. Ich werde nie mehr auf dem Zahnfleisch nach Hause kommen, um eine komplett abgebaute und verwüstete Wohnung vorzufinden. Soviel ist klar.

Und jetzt arbeite ich gleich was, Kundentermin heute aus dem fremden Bett ohne Bild, heute abend ist Karaoke, und vielleicht ist meine Wohnung irgendwann wiederhergestellt. Erst mache ich allerdings ein Stündchen vorgezogenen Mittagsschlaf. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Batterien jemals wieder vollkriegen soll. Aber vielleicht ist das die Story of my life. Die hysterische Suche nach weniger Anstrengung und Druck, die furchtbar anstrengend und bedrückend ist.

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Urlaubsende/Schrecken
Sie haben ja eh alles auf Twitter verfolgt. Ich liege jetzt in einem Bett und kann schlafen, das Bett gehört leider Frau N und nicht mir, aber hey. Ich bin ja flexibel. Kind und ich wohnen jetzt also so lange bei Novemberregens, bis mein Heim wieder steht. Meine Unterwäsche reicht bis zum Geburtstag. Und das ist ja auch schön! Nacht.

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Dienstag, 13. Juli 2021
Urlaubstagebuch Teil 8
Ich habe jetzt etwa 45 Minuten Zeit, hier etwas hinzuschreiben und zeitgleich zu verdrängen, dass gerade von rechts eingeflogen kam, dass ich 21 neue Emails habe, wobei mein Eingangspostfach doch gerade noch leer war. Dann kommen nämlich T und P, meine neuen Urlaubsfreunde, und ich werde mich über Hunde, Kinder und die Pandemie unterhalten. Oder vielleicht nicht über die Pandemie, das hat gestern nicht so gut funktioniert, ich musste umschwenken auf das Sexleben meiner Mutter.

T und P sind die Eltern von Onas Freund L, und ich habe sie gestern am Strand angesprochen, ob sie eventuell Onas Wechselgeld verwalten können, während ich oben Bahnen schwimme, sonst wäre das Wechselgeld nämlich weg gewesen, Sie sehen, es war nicht abwendbar. Sie waren sehr nett, sind sie auch immer noch, abends setzte man sich zusammen und plauderte.

Das war also am vorletzten Tag der Reise und damit vermutlich ungefährlich. Ich bin da grundsätzlich ja sehr zurückhaltend, hinterher möchte man vielleicht nicht noch einmal zusammensitzen, und wenn der Urlaub dann noch 13 Tage dauert, werden die nächsten 12 ein Spießrutenlaufen, da bin ich ja schlauer. 2013 war ich mit Mann und Kind in Spanien, da, wo wir immer sind, allerdings zum ersten Mal, und das Kind schoss einen Ball in den Nachbargarten, also mussten wir im Nebenhaus klingeln, es öffneten Ralf und Tanja, setzten uns auf ihre Terrasse und zack, waren wir gefangen. Ralf und Tanja waren absolute Idioten, hatten eine komplizierte on/off Beziehung, die sie mit uns besprechen wollten, wir hatten keine Idee, wie wir uns aus der Situation entfernen konnten, und abends wollte Ralf uns das tollste Restaurant im Ort zeigen. An dem Punkt gibt es keinen unkonfrontativen Weg, zu sagen, dass man lieber alleine essen möchte, zumal wir ihn aus Einfallslosigkeit nach dem tollsten Restaurant im Ort gefragt hatten. So gingen wir also gemeinsam essen, wunderten uns sehr, dass jemand 20 Jahre jedes Jahr nach Spanien fahren kann und sich dann damit rühmt, außer dos zervezzas por fovor kein Wort sagen zu können, dann die unwillkürliche Frage nach den Plänen für den nächsten Tag, wir wollten nach Barcelona fahren, und upsi, Ralf kennt sich in Barcelona super aus (wir auch) und möchte Tanja das auch mal zeigen, vielleicht könnten wir doch einfach zusammen fahren, dann mein unfassbar guter Einwurf, wir würden da nur das Kinderprogramm machen (sie hassten Kinder), und dann konnten wir das alleine machen. Am letzten Tag, nach wirklich vielen Abwimmelversuchen, wollte Tanja die Telefonnummern austauschen, ich Schaf gab ihr die richtige Nummer, sie rief zwei Tage später an, und ab dann war unsere Festnetznummer verbrannt. Irgendwann gab es irgendeinen Vorfall, durch den ich bei Herrn H schwer einen gut hatte, und ich wünschte mir von ihm, dass er einfach mal ans Telefon geht und Tanja sagt, dass sie bitte nicht mehr anrufen soll, wir hätten ja nun wirklich NICHTS gemein. Er machte das, und danach habe ich nie mehr im Urlaub mit Menschen gesprochen. Zu gefährlich. Bis gestern.

Und eigentlich war das okay. T ist Polizist, P ist Sachbearbeiterin im verbeamteten Status, sie kommen aus der nordrhein-westfälischen Provinz und bezeichnen sich selbst als Gesprächsstarter als "gesellig und lustig". So wie ich, quasi, Match made in heaven. Wir starteten mit Hunden (alle für), gingen über Kinder (haben alle) und plötzlich waren wir bei "Hurra, Ona ist geimpft", und dann. Stille. Nein, da seien sie nicht so für (beide sind ein bzw zweimal geimpft), das sei ja alles schon schlimm genug gewesen mit Corona, und es sei ja erwiesen, dass die Impfung für Kinder schädlich ist, das würden sie jetzt nicht mehr mitmachen, ihre Kinder würden sie nicht mehr opfern. Dann kamen etwa 20 Argumente, die vielleicht in so einer Parallelwelt Sinn ergeben würden, und dann kam ich kurz und lernte viel über die absolute Sinnlosigkeit meines Jobs. Seit einem Jahr beschäftige ich mich beruflich ausschließlich mit Corona, einmal aus politischer Ecke, einmal aus medizinischer. Sie können mir glauben, dass ich alle Literatur kenne, wenngleich ich mir nicht anmaße, die bewerten zu können, ich habe aber das Gefühl, dass ich ganz gut verstanden habe, wer das doch kann. Deshalb kann ich im Schlaf alle Argumentationen für und gegen alle möglichen Dinge runterbeten, ich kenne alle Spezifikationen und Studienergebnisse aller Impfstoffe auswendig, ich kann aber eine Sache nicht: noch irgendwas Sinnvolles beitragen, wenn jeder einzelne Scheiß letzte Satz ist "nee, ich bin mir wirklich ganz sicher, das sagt mir mein Bauchgefühl, das mit den Impfungen der ganzen Weltbevölkerung, das ist nicht koscher, da ist der Fisch noch nicht gegessen." Es gibt ja auch niemanden mehr, der geschützt werden müsste, die 80Jährigen sind ja entweder geimpft oder sterben eh bald. Und für alle anderen ist das ja ganz ungefährlich, aber der Staat möchte gerne PIIIIIIIIIEP.

Der Rest wird wegen Nichtgefallens zensiert. Ich habe alles runtergebetet, was argumentativ passte, habe alles sehr sachlich gekontert, und am Ende landeten wir jedes einzelne Mal bei "Ja aber ich habe da so eine Intuition".

Gut. Wir haben andere Themen gefunden. Und irgendwie waren sie auf den anderen Terreins auch sehr rührend. Ich kenne so Leute nicht, aber ich war ganz angetan. Ich glaube, so sieht so eine richtig glückliche Doppelbeamtenehe nach 20 Jahren aus:

"Also wir waren 2003 damals in der Dom Rep gewesen, oder Schatz?" "Ja. Oder warte, war das nicht 2004?" "Ja, du hast Recht, 2004." "Nein Schatz, du hattest Recht, das war 2003, hatte da der Dackel nicht die Geschichte mit der Wirbelsäule?" "Ja Schatz, du hast recht, das war auch schlimm, und da war Jolene noch nicht geboren." "Ja, richtig Schatz, das war kurz bevor du schwanger geworden bist, also wir." "Ja Schatz, stimmt, du hast Recht, ach, das war auch noch schön, da konnten wir noch richtig lange schlafen." "Ja Schatz, da haben wir am Wochenende immer schön im Bett gefrühstückt." "Naja Schatz, bald sind die Kinder ja groß, dann können wir das wieder ganz in Ruhe machen, hahahahaha." "Hahahahaha."

Und nur, dass wir uns hier richtig verstehen: Das ist Kommunikation in meine Richtung. Nicht untereinander.

Morgen fahre ich nach Hause.

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Urlaubstagebuch Teil 7
Heute bin ich sehr sehr müde. Außen im Körper und innendrin, der Teil meiner Person, der heute abend Koffer packen muss, möchte viel lieber schlafen. Nun kann ich natürlich einfach schlafen, muss aber gleich zum Schnelltest, und allein die Tatsache, dass ich irgendwann irgendwo sein muss, drückt seit dem Aufstehen die Stimmung wie verrückt.

Dabei war gestern doch so ein aufregender Tag. Morgens nach dem Aufstehen präsentierte Jonathan mir seinen ausgefeilten Plan des Nichtstuns und wie ich an welcher Stelle da Teil von sein sollte. Ich war nicht vollständig überzeugt und benutzte schwarze Pädagogik, um ihn davon zu überzeugen, mit mir schnorcheln zu gehen. Da ich allerdings statt zwei Brillen, zwei Masken und vier Flossen lieber nur eine Brille, einen Schnorchel, 7 Shirts und 5 lange Jeans eingepackt hatte (um dann eine Woche lang in den gleichen paar Kleidern hier rumzusitzen) mussten wir Equiment mieten. Der Plan war: Wichtige Dinge in die wasserdichten Handyhüllen, dann Sachen mieten und so weit wie irgend möglich von dem überfüllten Strand mit der lauten Musik wegschwimmen, ein paar Kilometer weiter an einen ruhigen Strand anlanden und da dann so lange zu sitzen, bis der Handyakku gebietet, dass wir zurückschwimmen. Am Wassersportservicepunkt angekommen lernten wir, dass sie keine Flossen vermieten, und dass die Maske 10 Euro pro Stunde Leihgebühr kostet. Da ich mich so auf mindestens 6 Stunden eingestellt hatte, allerdings mit Flossen, um auch Meter zu machen, lehnte ich dankend ab und ging weiter zur Tauchschule, die Flossen draußen rumstehen hatte. Der 63jährige Tauchtyp beantwortete meine Frage, ob ich was zum Schnorcheln bei ihm leihen könne mit dem Satz: "You should go diving." Was genau dann passierte, kann ich gar nicht sagen, jedenfalls zögerte ich keine Sekunde und sagte "Maybe I should."

Mir war natürlich klar, dass Schnorchelkönig Ona das sofort machen wollen würde, mir war überhaupt nicht klar, dass ich das machen wollen würde. Bislang hatte ich den Gedanken noch nie. Zwei Sachen sprechen eigentlich nämlich dagegen. Erstens bin ich wirklich sehr schlecht in Druckausgleich, ich bin jahrelang nur mit so komischen Ohrstöpseln geflogen, weil mir sehr oft bei der Landung das Ohr zugegangen ist und ich dann tagelang nix gehört habe und Ohrenschmerzen hatte. Mir schien Tauchen keine gute Idee. Außerdem hatte ich in den letzten Jahren so kurze Perioden, in denen ich anlasslos beim Schnorcheln nicht gut, also gar nicht, atmen konnte. Sobald das Gesicht unter Wasser war, konnte ich schlichtweg nicht einatmen. Beim letzten Versuch klappte das zwar wieder, dennoch ist das natürlich keine gute Voraussetzung dafür, 10 Meter tief zu tauchen. Bei der Entscheidung, tauchen zu gehen, hatte ich das wohl vergessen, beim Ausfüllen der nötigen Formulare fiel mir das allerdings alles wieder ein. Also erklärte ich eher länglich, dass es ein gewisses Restrisiko gibt, dass ich einfach oben bleibe, sollte ich merken, dass mich das alles stresst.

Zudem hatte ich noch mehrere Stunden Zeit bis zum Tauchgang, also lieh ich mir Onas Maske und Schnorchel, ging zurück aufs Zimmer und schwomm dort Bahnen mit Maske und Schnorchel. 30 Minuten, in denen ich nichts anderes gemacht habe als "Einatmen, Ausatmen" denken. Bis an den Punkt, wo der Puls ganz ruhig wird und die Atmung gleichmäßig, dann weiterschwimmen, mit dem guten Gefühl, mich auch 30 Minuten unter Wasser selbst ganz ruhig atmen zu können. Und überhaupt. Atmen.

Sehr optmistisch gingen wir also zu unserem Termin zur Tauchschule, bekamen die Einweisung in die Ausrüstung und die Gesten unter Wasser, zogen uns die Neoprenanzüge an und waren dann doch sehr überrascht, wie schwer Luft sein kann, wenn man sie sich in Form eines Lungenautomats auf den Rücken schnallen muss. Dann legten wir die Strecke meiner Träume zurück, nämlich im Neoprenanzug mit 100 Kilo auf dem Rücken und nackten Füßen zwischen Millionen Touristen über heißen Kies ins Meer, dort gab es einen wirklich sehr guten Flossenanziehservice, den ich mir für den Privatgebrauch gemerkt habe, und dann ging es los. Tauchlehrer Ahmet zeigte mir noch fünfmal das Handzeichen für "Hilfe, ich muss sofort gerettet werden", und dann ging es runter.

Die ersten zwei Atemzüge gingen nicht gut, ich tauchte wieder auf, visualisiert mich beim Bahnenschwimmen zwei Stunden vorher und tauchte dann eine Stunde lang. Angekündigt waren 6 Meter Tiefe, letztlich tauchten wir auf 10 Meter. Nach ein paar Minuten hörte Ahmet auf, uns permanent zu fragen, ob alles okay sei, weil erstens alles okay war und wir zweitens einfach immer proaktiv das Handzeichen machten, damit er uns in Ruhe lässt. Den ersten Druckausgleich musste ich schon nach einem Meter machen, klappte aber auf beiden Ohren, und gefühlt brauchte ich einen pro Tiefenmeter. Alle geklappt. Atmen war unspektakulär, ein paar Mal wurde mir kurz unwohl, weil ich Ona nicht neben mir sah. Toter Winkel durch Taucherbrille, ein Thema, das in der Gesellschaft zu wenig besprochen wird. Ich fand mein Kind unter Wasser übrigens spektakulär schön. Aber ich bin befangen.

Zu sehen gab es nichts. Ein paar Feuerfische, ein paar mehr sehr langweilige Fische, ein bisschen Müll am Grund. Unspektakulär und nicht schön. Für Leute, die gucken wollen statt tauchen lernen sicherlich nicht reizvoll, für uns total okay, da Ona alles schön fand und ich einfach mit mir und dem Meer beschäftigt war.

Nach einer knappen Stunde tauchten wir wieder auf, ich hatte Kreislauf sowie das Gefühl für unten und oben komplett verloren und musste dennoch in full gear über den heißen Strand zur Tauchhütte zurücktaumeln, trat in eine Glasscherbe (und kann jetzt wirklich schlecht laufen, da mein Fuß gefühlt in der Mitte durchgeschnitten ist, danke dafür Touristen!) und fiel dann letztendlich nach dem Ablegen der Sauerstoffflasche einfach auf einen Stuhl. Der Teil des Taucherlebnisses müsste für meinen Komfort sehr geändert werden. Ich bräuchte einen Kran, der mich aus dem Wasser schweben lässt und mich dann auf einer Liege ablegt, auf der ich zurück zum Ausgangspunkt gerollt werde. Dann wär's perfekt.

Nach dem Auftauchen war Ahmets allererste Reaktion übrigens "You two are like fucking fish", gefolgt von der vermutlich allen zahlenden Kunden mitgeteilten Beobachtung, wir hätten eine großartige Hydrodynamik (danke an Vanessa Giese für den Hinweis, dass Robben auch großartige Hydrodynamik haben, ich fühle mich denen auf vielen Ebenen sehr verbunden), gefolgt von einer unangemessen langen Exploration seines völligen Unglaubens, dass ich so "stark" gewesen sei und so cool und so entspannt. Eventuell wirkte ich im Vorfeld wieder "tense", vielleicht einfach nur wie die allerletzte Idiotin aus dem Nichtschwimmerbecken, man weiß es nicht. Aber es ist ja auf jeden Fall schön, Leute mit Overperformance zu überraschen. Andersrum wäre blöder.

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