Sonntag, 19. September 2021
Samstag
Ich hatte heute einen wunderschönen Tag, so einen Tag, wie man ihn nur haben kann, wenn man beruflich vor der Welle ist und schon Jobs erledigt hat, die noch gar nicht fällig waren. Um 8 Uhr stand das Kind sehr geräuschvoll auf, da es aufgeregt war, erstes Spiel der Saison, nach einer wirklich langen Pause. Um 8.15 Uhr war es bereits geduscht und frisiert und somit für die Abfahrt, geplant für 11.30 Uhr, fertig. Ich blieb noch ein wenig liegen, da ich eine ereignisreiche Nacht hatte. Nein nein. Um 1.30 Uhr schlug der Hund an und eskalierte im Wohnzimmer komplett. Also komplett. So, wie sie noch nie eskaliert ist. Nicht einmal, wenn das Auto geklaut wird. Nun müssen Sie ein bisschen was über die Anatomie unseres Zuhauses wissen. Hinten ist ein Garten dran, der aber nicht von irgendeiner Straße aus erreichbar ist, da er in diversen Häuserblocks eingekesselt ist. Die anderen Grundstücke drumrum haben Garagenhöfe oder Hinterhäuser, wir haben einen komplett eingewachsenen Garten. Niemand kann sich dorthin verlaufen. In dem Garten steht ein kleiner Schuppen, wo Menschen wie wir dann einen Rasenmäher und solche Dinge aufbewahren, und das Gartenhaus, also noch mal ein kleines Hinterhaus. Das ist von Herrn H. bewohnt. Dann geht eine Treppe runter in die Einliegerwohnung, oder eine Treppe hoch in den Wintergarten. Das ist ein sehr großes Wort, wir benutzen ihn gerne zum Durchlaufen oder um im Sommer Wäsche dort zu trocknen. Aus dem Wintergarten führt eine Tür ins Treppenhaus und eine Tür in meine Küche, die sich in einem Anbau befindet. der ist ans Wohnzimmer angebaut, daraus kommt man in den Flur, und zur Straße raus sind alle anderen Räume. Da wir keine Durchgangsstraße vor der Nase haben, ist das sogar eine gute Idee. Die Schwachstelle des Hauses ist die Einfallschneise durch den Wintergarten, aber ab hier übernimmt der Hund, und das haben wir ihr auch als Aufgabe gelassen. In unserem alten Haus wurde zweimal versucht, einzubrechen, als wir schliefen, und vor 14 Jahren standen - Sie erinnern sich vielleicht sogar - zwei Einbrecher auf dem Balkon meiner Eltern und versuchten, die Tür mit einer Brechstange aufzuhebeln, während meine Mutter und ich das Traumschiff guckten. Da meine Mutter allerdings das einzige Lebewesen auf der Welt ist, das noch wehrhafter ist als so ein Hund, konnte sie einen einfach vom Balkon werfen, woraufhin der andere dann auch floh. Die Brechstange ließen sie da.

Nach den zwei versuchten Einbrüchen in dem alten Haus haben wir einen Dienst in Anspruch genommen, den ich nur empfehlen kann: Die Kriminalpolizei kommt gerne (also hier zumindest) zu Ihnen nach Hause und begeht mit Ihnen Ihr Haus oder Ihre Wohnung, um zu gucken, wie man sich besser schützen kann. Ich habe damals Folgendes aus dem Termin mitgenommen: Ohne Selbstschussanlage kommen alle immer überall rein. Da kann man wenig machen. Was hilft: Licht (aber nur, wenn die Einbrecher unentdeckt bleiben wollen, die bei meinen Eltern haben uns nachweislich - Spuren im Schnee - vom Garagendach aus auf dem Sofa sitzen sehen und wollten dennoch mal reinkommen, diese Menschen haben in der Regel gute Argumente bei sich, die andere Menschen überzeugen, das Geld und was immer einfach so rauszugeben, das ist ja praktischer als selber suchen, Waffen zum Beispiel). Die meisten wollen aber gerne suchen und werden von Licht abgeschreckt. Das zweite, was gut ist: Irgendwelche Vorrichtungen - Sicherungen an Rolläden und Fenstern zum Beispiel, die dazu führen, dass es zu lange dauert und Krach macht, reinzukommen. Da haben viele keine Lust drauf und gehen dann einfach zum Nachbarn weiter. Und dann gibt es das Eine, was wirklich, wirklich gut hilft, und zwar ausnahmslos. Und das ist ein Hund. Und zwar einer, der auch bellt wie ein Hund.

So einen hatte ich also letzte Nacht, und wenngleich nicht abschließend geklärt werden konnte, wer jetzt genau wo war, war das gesamte Haus wach. Und das ist ja auch schön. Herr H kam aus dem Gartenhaus angelaufen, holte die große Taschenlampe und suchte den Garten, den Keller und das Treppenhaus ab (in welches man aus dem Wintergarten ja kommt), und da mir das nicht geheuer war, schlug ich vor, er solle bitte den Hund mitnehmen. Und da hatte der Hund einen wirklich großen, klugen Moment: Sie entschied sich nämlich, KEINEN Schritt mehr aus dem Wohnzimmer zu gehen, in keine Richtung. Wir riefen, nix. Ich rief *echt*, also kurz vor Knurren, nix. Ich holte die Leine und wollte sie mitnehmen, nix. Und sie hat ja Recht. Sie hat den Einbrecher gefunden, den Rest können andere erledigen.

Es war übrigens nirgendwo mehr jemand versteckt. Und wenn Sie mal 40 Kilo Lebendgewicht nachts um 1.30 Uhr in völliger Hysterie ihr Haus verteidigen gehört haben, können Sie das gut verstehen. Ich wäre auch wieder gegangen. Wo war ich? Ja genau. Ich wollte nämlich nicht um 8 Uhr aufstehen, also stand ich um 9.30 Uhr auf, dann begann mein aufgeregtes Kind zu reden, was sonst am Wochenende vor 14 Uhr überhaupt nicht vorkommt, dann fuhren wir nach Neuss, dann kam das erste Handballspiel nach bestimmt einem Jahr, über das Ergebnis hülle ich einen Mantel des Schweigens, ach egal, sie lagen in kürzester Zeit 7:1 zurück, weil niemand mehr wusste, wie man unter echten Bedingungen Handball spielt, dann fiel ihnen ein, dass sie neulich fast Meister geworden wären, erst im letzten Spiel sind sie auf Platz 2 gerutscht, dann haben Sie bis auf 13:12 aufgeholt und ich war vollkommen optimistisch, und dann hatten 5 von 6 Feldspielern plötzlich pandemiebedingten Konditionsausfall und konnten nur noch in Zeitlupe über das Feld laufen, und dann haben doch die anderen gewonnen. Aber manchmal ist das so. Dann bekam ich einen kleinen Vorgeschmack, wie das ist, wenn man so ein pubertierendes Kind hat, das Sport macht, danach war nämlich Weltuntergang und extreme Gereiztheit, also fuhren wir nach Hause, dort saßen unsere Lieblingsnachbarn auf dem Bürgersteig, die luden wir dann ein, dann räumte ich schnell auf, das Kind legte sich ins Bett und wuchs, dann kamen die Nachbarn aus dem 2. Stock, dann kamen die Nachbarn aus dem 3. Stock auch noch, dann ernteten wir die Äpfel vom Apfelbaum Jonathan, dann kochte ich eine vom Kind Jonathan bestellte Ramensuppe, die erste meines Lebens, die aßen wir dann alle gemeinsam, und jetzt gehe ich ins Bett. Wochenende. Hammer.

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Freitag, 17. September 2021
Creep (kann man nicht oft genug wählen) Teil 400
Wie Sie ja wissen, bin ich eine Person, die von einer ganzen Reihe von Zwangshandlungen getrieben ist. Ich bin allerdings bei jeder einzelnen eigentlich entspannt, in der Regel ist sie nämlich eine Folge von Lernen durch Versagen, und ich lerne am allerbesten durch Versagen. Ich glaube, ich habe keine Zwangshandlung, die nicht irgendwie gesamtgesellschaftlich gut zu verkaufen ist. Von vielen meiner liebenswerten Zwangshandlungen kann man etwas lernen. Manchmal ist es aber so, dass ich mir vorstelle, wie es wäre, ein total entspannter, easy going Mensch zu sein, ganz ohne Prinzipien, ethische Leitplanken und ohne Zwangshandlungen. Eventuell wäre ich dann Mitglied der FDP und käme immer und überall zu spät, ein Großteil meiner logistischen Brillianz liegt darin, dass ich nachts nicht mehr wirklich schlafe, sondern Situationen prävisualisiere. Das führt wahrscheinlich zu einem sehr frühen Tod, bis dahin komme ich aber immer und überall perfekt vorbereitet und pünktlich.

Heute war es so, dass ich mich ganz bewusst über eine goldene Lebensregel hinweggesetzt habe. Ich wollte wokken und musste dafür drei Chilis schneiden. Chilis, es gibt seit einem Tamponvorfall mit Chilis eine goldene Regel, schneide ich immer und ausschließlich mit Latexhandschuhen, danach kann ich nämlich die Handschuhe ausziehen und die Hände sind sofort wieder einsatzbereit. Nun war es aber so, dass im Wok schon alles irgendwie soweit war, dass jetzt Chilis benötigt werden, und an dem Ort unter der Spüle, an dem meine Latexhandschuhe für unansprechende Tätigkeiten in der Küche plus Chilis normalerweise stehen, stand ein leerer Karton Latexhandschuhe. Nun hätte ich rein rechnerisch drei Möglichkeiten gehabt. 1) Ich breche das Kochen ab, nehme eine Packung Salzstangen und gehe ins Bett (das wäre, ich nehme es vorweg, die beste Möglichkeit gewesen). 2) Ich gehe ins Gartenhaus und detoniere dort, weil ich NICHTS MEHR HASSE als wenn man meine über Jahrzehnte aufgebaute Logistik, die mein Leben schön und einfach macht, zerstört, weil es für einen halt nicht wichtig ist (und das schließt auch den Einkaufswageneuro im Auto ein, den man selber ja gar nicht braucht, wenn man ein Auto mit einer Frau teilt, deren Zwangshandlung ist, niemals mit einem Auto in den Supermarkt zu fahren, in dessen Mittelfach KEIN Einkaufswageneuro liegt, dann kann man ja einfach immer in den Supermarkt fahren, den Euro erst praktischerweise für den Einkaufswagen nehmen und dann beim Bäcker gegen ein Teilchen eintauschen, und nein, Sie müssen jetzt nicht sagen, dass ich einen Chip am Schlüsselbund haben soll, das sagt meine Mutter seit 1995, aber die Karabinerhaken sind schlecht und gehen immer kaputt, und der Chip im Auto wird scheinbar auch gegen irgendwas eingetauscht, jedenfalls ist er immer weg). Wo war ich? Richtig. Mögliche Variante 3) Ich bewerte die Situation als zeitlich eng, muss jetzt Chilis wokken und ganz gegen meine Natur breche ich meine goldene Regel und schneide die Chili schnell ohne Handschuhe, werfe sie dann in den Wok und wasche mir im nächsten Schritt sehr sehr sehr gründlich die Hände.

Ich wollte heute cool sein, aber cool ist nix für mich. Ich schnitt drei Chilis ohne Handschuhe, warf sie in den Wok, wusch mir mehrfach die Hände inklusive Nagelbürste, wähnte mich in Sicherheit, kratzte mich dann am Nasenrücken, da es mich dort sehr juckte, und die nächsten Minuten stand ich mit einem Kühlpack auf der Nase am Wok. Ich bin sehr empfindlich, das ist nun mal so, das ist mir aber auch nicht neu, und deshalb müsste mir klar sein, dass die goldene Regel, Chilis nur mit Latexhandschuhen zu schneiden, das Beste ist, was ich mir je ausgedacht habe.

Desweiteren wollte ich heute ja Laufschuhe kaufen, zudem war ich seit zwei Jahren nicht in einem niederländischen Supermarkt, was insofern, dass ich dort lange gelebt habe, zu großen Lücken im Vorratsschrank geführt hatte, also beschloss ich, die beiden Punkte zu verbinden und in den Turnschuhladen im Outletcenter zu fahren, dann könnte ich noch neue Hausschuhe für den Winter kaufen, die alten sind 10 Jahre alt und durch, und da ich nur Leder mag und keine selbstausgedachten Materialien, ist es immer schlau, erst mal im Outlet zu gucken, und dann ist da der Supermarkt, und das könnte man alles gut verbinden. Ich kürze an dieser Stelle ab. Mal abgesehen davon, wie fürchterlich ich diese Outletstadt finde und die Menschen, die darin rumlaufen (nicht angegriffen fühlen, ich lief ja auch heute sehr kurz darin rum, und ich lief auch schon mal länger darin rum, stimmt schon), so überrascht war ich, dass da gar kein Corona mehr ist, von den vielleicht 1000 Leuten, die ich in kürzester Zeit dort sah, trug außer mir niemand eine FFP2 Maske, vielleicht trugen bis zu 10 eine OP Maske, alle kamen mir sehr nah, und dann musste ich fluchtartig wieder gehen. Ich habe also noch keine Schuhe und werde jetzt welche bestellen, in der Hoffnung, dass die gut sind. Ich bin da noch nicht. Ich bin noch intrapandemisch.

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Freitag
Wie Feuer brenne ich für mein neues Lebensmodell, in dem ich freitags ja einfach Feierabend mache, wenn ich fertig bin und dann Wochenende habe. Und auch diese Woche wird das wieder hervorragend funktionieren. Da ich gestern wirklich immens vorgelegt habe, sind für heute etwa noch drei Stunden operativer Arbeit vonnöten, und dann habe ich Tagesfreizeit. Da ich ohne größeren Druck gerne prokrastiniere, wird jetzt erst mal gebloggt und eine neue Hundesteuermarke beschafft. Das sollte theoretisch hervorragend online funktionieren in diesem knallhart durchdigitalisierten NRW, allerdings habe ich die Hundesteuernummer nicht zur Hand, und da mein neues Regal mit der neuen, von mir allein verwalteten Ordnung, ja noch nicht angekommen ist, kann ich die auch sehr schlecht jetzt rausfinden, im Moment herrscht ja noch die von Herrn H mitverwaltete Ordnung, also müsste ich jetzt beim Amt Frau Winkler anrufen, die ist für den Anfangsbuchstaben meines Nachnamens zuständig, und dazu habe ich jetzt keine Lust, also drehe ich das Prokrastinieren einfach um. Ich arbeite also quasi, um nicht beim Amt anrufen zu müssen. Am Ende wird sich nämlich vielleicht herausstellen, dass das interne Ordnungsprinzip gar nicht Nachname der Halterin ist, sondern Vorname vom Hund, und dann müsste ich den Rest des Tages telefonieren, weil wir natürlich wissen, dass Fiene Fiene heißt, und damit wäre Frau Ringel für ihre Hundemarke zuständig, in ihrem Personalausweis steht aber ja so ein Quatschadelsname, der uns Frau Thönissen zuordnen würde, und wer möchte schon dreimal beim Amt anrufen an einem Freitag?

Und dann werde ich mich heute noch um die Laufschuhproblematik kümmern. Übernächsten Montag fahre ich eine Woche in Urlaub, und damit der Fuß hält, brauche ich entsprechendes Schuhwerk. Das bereits zur Verfügung stehende ist allerdings durch den Waldeinsatz nicht geeignet, um noch transportiert zu werden, also muss neues her. Und da ich nächste Woche für die übernächste Woche vorarbeiten muss, sollte ich das heute im Zustand tiefster Entspannung machen.

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Freitag, 17. September 2021
Weird
Ich muss Twitter kurz hierhin auslagern, aus strategischen Gründen und um dort nicht zu uncool zu wirken. Ich möchte nämlich sagen: "Dass Katz&Goldt das Foto vom T-Shirt retweetet haben ist schmeichelhaft, aber dass jetzt ganz viele Fremde das liken, ist mir ja auch wieder nicht recht." Und "Max Goldt hat meine Brüste retweetet." Auch ein Satz, den ich so nicht habe kommen sehen.

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