Mittwoch, 2. Februar 2022
Schrödingers Corona (geklaut)
Wann immer ich ein neues Konzept kennenlerne, scheue ich ja keine Mühen, es sofort zur Anwendung zu bringen. Gestern weihte Frau N mich in das Konzept "Schrödingers Corona" ein, und hurra, da spiele ich direkt mit. Mein Kind sowieso, es ist ja sehr kompetitiv. Runs in the family. So kam er gestern nach Schule mit Vertretung und Schwimmen (Vertretung, so lernte ich, ist anstrengender als Unterricht, weil man ja die Zeit nicht umkriegt, und manchmal darf man Handy, aber dann hat man Akku, es ist alles sehr anstrengend) und 4 Stunden Handballtraining (D Jugend und C Jugend, wer doppelt spielen will, muss auch doppelt trainieren, hier kann so ein Kind viel lernen) nach hause, war blass, schlapp, müde und nölig. Wenn er sich ganz stark konzentrierte, konnte er nicht hundertprozentig ausschließen, dass er Halsschmerzen hätte. Ich habe das hinterher im Bett überprüft. Ich kann durch reine Konzentration einen theoretischen Schmerz an den meisten Körperteilen visualisieren, naja, das ist das falsche Wort. Aber wenn ich lange genug in mich hineinhorche, ob mein Bauch wehtut, dann kann es problemlos eine Millisekunde im Beobachtungszeitraum geben, an dem ich denke "Ah. Da. Siehste? Bauchweh." Mein Kind kann das mit Halsweh.

Ich habe mich dann getestet, Kind auch, Kind noch mal in der Schule, Mann auch, alle getestet, alle negativ, aber jetzt haben wir alle irgendwelche Symptome aus irgendwelchen Formenkreisen, die uns alle drei zu dem Entschluss kommen lassen: Hier hat niemand Husten, aber naja, man weiß ja nie, ist ja Pandemie.

Ein Nachteil der dekadenlangen Pandemie ist nämlich, dass man ja nicht mehr krank wird. Also so viral oder bakteriell bedingt. Innen ist in Monat 24 alles kaputt. Aber außen fühle ich mich fast jungfräulich. Ich bin mir im Moment nicht sicher, ob ich nicht vielleicht einfach überhaupt nie mehr rausgehe, dann kann ich mich auch nie mehr mit irgendwas anstecken. Mein Kind müsste dann entscheiden, ob es immer draußen oder immer drinnen sein wollen würde. Wenn ich mal so überlege, kommt in 13 Jahren Kind schon ordentlich was zusammen. Rotaviren, Noroviren, Scharlach, Streptokokken, Pfeiffersches Drüsenfieber. Da war sicher noch mehr, aber die sind mir lebhaft in Erinnerung. Ich verfüge leider auch nicht über Onas Pferdenatur. Scharlach, zum Beispiel, da war er 5 und sonntags strichen wir sein Kinderzimmer in Nemofisch Farben. Er hatte ein wenig Halsweh (echt), legte sich morgens ins Elternbett, ließ ein paar Bakterien da, schlief sich aus und war abends wieder fit. Ich kriegte 2 Tage später 40 Grad Fieber, habe es kaum zum Arzt geschafft, lag dann eine Woche hoch fiebrig und gefühlt fast sterbend im Bett, konnte nach einer Woche aufstehen und duschen, die Dusche war praktisch neben dem Schlafzimmer, musste dann vor Erschöpfung eine weitere Woche schlafen. Pfeiffer war ähnlich, nur noch nachhaltiger.

Wenn wir mal den Fokus auf die wirklich guten Dinge einer Pandemie richten wollen: Ich hatte 2 Jahre meines Lebens keine Infektionserkrankung. Und das ist Premiere.

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Montag, 31. Januar 2022
Disgust
Es fühlt sich nicht mehr gut an, und ja, I heard it.

Das Wort "Durchseuchung" ist ekelhaft, aber gut, wir machen jetzt mit. Soeben haben wir gegessen, total ungesund, Fleischersatzprodukte aus dem Speisefön und Süßkartoffelpommes, denn: Demnächst sind wir ja dran, dann möchte man noch mal schlecht gegessen haben, und da sagte Ona: "Wär doch eigentlich gut, wenn wir uns jetzt anstecken, da sind wir noch topgeboostert." Jo, hat er recht.

Und nein, ich habe keine Angst, ich bin lediglich wütend. Ich bin geboostert, mein Kind ist geboostert, der Vater ist geboostert, wir sind bereit. Und jetzt zählen wir runter. Die halbe Klasse ist durch, heute war O. dran mit rausgefischt werden, in der dritten Stunde, im Rudeltestmodell, alle Masken runter in dem Raum, in dem man seit 2 Stunden sitzt, testen plus Stillarbeit, und Stillarbeit erst abschließen, dann der Positive nach Hause, die Hälfte seiner Lehrer sind krank oder in Quarantäne oder wie auch immer, jedenfalls nicht da. Unterricht findet gefühlt nicht mehr statt, ich habe keine Fragen mehr. Morgen geht die Klasse Schwimmen. Schwimmen ist super. Immerhin Chlor.

Für eine kurze Sekunde fand ich mich eben nicht auf Zack, als andere Eltern mir auf Twitter mitteilten, dass sie doch ihr Kind einfach von Sport befreit hätten. Ja, finde ich gut. Aber ich habe ja so einen kleinen Hang zum stringenten Argumentieren, und wenn ich - zurecht - sage, dass mein Kind am Sportunterricht nicht teilnehmen darf, und auch nicht am Schwimmen, und zwar aus dem besten aller Gründe: Wir machen seit ewigen Zeiten ja NICHTS mehr, wo man die Maske abnehmen muss, auch nicht, um kurz zu trinken, denn Zielerfüllung einer guten Maske ist erreicht, wenn sie ohne eine kleine Ausnahme gut sitzend getragen wurde, wo war ich? Ach so. Wenn ich sage: Mein Kind darf nicht ohne Maske beim Sport mitmachen, dann habe ich direkt zwei große Probleme. Problem 1: Latein ja, Sport nein. Mein Kind ist 12 Jahre alt, also lang, aber trotzdem klein. Das darf man nie vergessen. Ein Jahr lang hat er zuhause gesessen und alles brav ertragen, auch dann, wenn ich gar nicht gesehen habe, wie einsam er ist, weil all seine engen Freunde in Groß- oder Patchworkfamilien leben und ich Kontakt zu riskant fand. Er hat nie geklagt, und er hat immer gehofft, irgendwann geimpft zu sein, dann wird alles besser. Jetzt ist er geimpft, die Politik hat losgelassen, die Schule hat aufgegeben, und während wir ins dritte Jahr gehen, soll ich die Mutter sein, die ihrem 12jährigen Kind sagt: "Du, lass uns kein Risiko eingehen, die Inzidenz ist bei 10000 Millionen, bleib einfach noch mal auf unbestimmte Zeit zuhause, während die anderen Handball spielen"? Nein. Problem 2. Das kann ich leider nicht. Homeschooling: Total okay, hätte er Lust drauf (ich auch, er schoolt sich ja glücklicherweise selber, und ja, ich weiß, wie belastend das in anderen Konstellationen sein kann). Kein Schulsport ohne Maske? Für ihn fein, gäb es keine Klagen. Alle seine Freunde trainieren zweimal die Woche und fahren am Wochenende zum Auswärtsspiel und er nicht? In Jahr drei nicht mehr abbildbar. Denn: Er ist klein. Das muss man sich immer erklären. Am Wochenende hat er mit seiner Mannschaft 27:6 gewonnen, davon zehrt er noch eine Woche. Ich habe Freundschaften über die Pandemie verloren, vermisse manche Leute sehr, plane nur Dinge, die nicht länger als 2 Stunden sind, weil das die Spanne ist, bei der ich genau weiß, dass ich die Hände von der Maske lassen kann, etc. etc. Aber ich bin 45. Mein Kind ist 12. Der kann nicht noch ein Jahr oder auch nur einen Monat verzichten, während die gesamte Welt sich einfach normal weiterdreht. Und deshalb ist es jetzt so. Konsequenterweise geht er also morgen mit Schwimmen. Wer auf der einen Seite die Flanke aufmacht, kann sich auf der anderen Seite nicht hinstellen und sagen: Mein Kind soll kein Risiko eingehen. Und bei einer Inzidenz von 479.000 Millionen wird es ja hoffentlich jetzt auch schnell gehen. Und es müsste ja mit dem Teufel zugehen, wenn wir dran vorbei schlittern, und wenn nicht, dann ist das jetzt so. Wir sind bereit, ich bin entspannt. Aber nur nach außen. Nach innen bin ich WÜTEND.

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Sonntag, 30. Januar 2022
Olaf
Im Themenumfeld Immobilie hört man ja oft "Lage Lage Lage", ich möchte sagen: Alles Quatsch, wenngleich ich meine sicherlich nach Lage ausgesucht habe. Viel wichtiger ist nämlich "Nachbarn Nachbarn Nachbarn". So sitze ich nämlich zum Beispiel gerade im Sessel und darf bloggen, was so aussieht wie arbeiten, und auf dem Sofa sitzen alle anderen, die hier wohnen mit den Nachbarn, die oben drüber wohnen, man aß Kuchen und spielt jetzt Mario Party.

Ich hasse Mario Party, bis ich üblicherweise verstanden habe, welches Püppchen auf dem Fernseher ich bin, ist das Spiel vorbei, und dann lachen mich alle aus. Da sitze ich doch lieber und blogge.

Im Wald sind wir heute mit eben diesen Nachbarn mal ganz andere Strecken gelaufen, als die, die wir normalerweise laufen, und das war ein wenig erschütternd, da wir sehr viele neue Baumstümpfe entdeckten. Fienes Pekip-Wiese, auf die wir die ersten 1,5 Jahre ihres Lebens täglich gingen, um dort Sachen zu üben, Ballspielen zum Beispiel, oder lieb Kommen, ist komplett gerodet. Der große Baum, gegen die Fiene einst als Baby volle Möhre gerannt ist, weil sie auf direktem Wege den Ball holen wollte, ist weg. Und da mein Hund nicht nachtragend ist, hat sie sich nicht triumphierend darauf gesetzt, sondern ein wenig geknickt.



Der Förster hatte das ja neulich schon mal erklärt, vermutlich hatte ich einfach verdrängt, woran es liegt, ich muss mich ja tagtäglich viele viele Stunden mit Corona beschäftigen, da habe ich wenig Ressourcen frei für Klimawandel. Immer nur eine Krise, bitte.



Am Wochenende ist der Wald vor meiner Haustüre ja eine echte Zumutung, voller Outdoordüsseldorfer, so nenne ich seit Jahren die Leute, die am Wochenende in Lederschuhen und Kaschmirmänteln mit ihren Chihuahuas durch den Wald laufen, völlig überfordert, weil der Hund nicht hört und völlig aufgeregt ist, weil er Bäume sieht, und die bei jeder Pfütze, durch die die Hunde laufen, in Panik verfallen, weil in ihrer Loftwohnung in Oberkassel der weiße und spiegelglatte Betonboden vermutlich später Flecken haben wird. Um den Outdoordüsseldorfern auszuweichen, liefen wir Waldleute heute nur auf den versteckten Wegen, ganz alleine bis hoch zur Ballwiese, und da waren sie wieder, all die Outdoordüsseldorfer.

Dort dann ein bisschen Drachensteigen und Ballspielen, und dann zurück nach Hause zum Kuchen. Und dann war ich kurz nicht auf Zack: Mein Hund ist ja ganz herzzerreißend lieb, bis zu dem Moment, an dem sie große Stöcke, und mit groß meine ich die Dicke Ihres Oberarms und die Länge meines Mannes, findet, dann trägt sie große Stöcke, und das nervt einfach wahnsinnig, wir nennen das auch "Senioren Mähen". Heute hatte ich keine Lust darauf, auch nicht auf den einsamen Wegen, und dann fiel mir etwas ein, was mir erstaunliche vier Jahre nicht eingefallen war: Ich gab dem Hund ihren Ball und sagte, sie müsse den tragen. Das macht sie ungern, aber noch ungerner lässt sie einen Ball alleine zurück, also trug sie, wenn auch widerwillig. Nach etwa einem Kilometer wollte sie einen Stock tragen, dann sortierte sie etwa 10 Minuten Dinge in ihrem Maul, dann suchte sie sich einen viel kleineren Stock, und dann trug sie den Rest des Hinweges Ball und Stock, und alle waren zufrieden, niemand wurde gemäht.

Auf dem Rückweg hatte ich meinen neuen Supertrick leider schon wieder vergessen, also suchte sie sich einen sehr großen Stock, und dann kam Olaf. Olaf sah aus wie ein Labradormischling, lief auf sie zu, biss in das andere Ende des Stocks, Fiene wurde ganz groß und grün und knurrte sehr gefährlich, ich sagte kurz Olafs Haltern, dass sie lieb ist aber ungern teilt, und dann ging Olaf mit dem Stock. So einfach war das. Er ging einfach. Mein Hund musste weinen und Olaf hatte richtig was erlebt. Unsere Wege kreuzten sich noch zweimal, Olaf trug seinen Stock wie eine Trophäe, Fiene fand das alles wirklich sehr gemein. Sehr gemein. Zuhause gab es ein Rinderohr mit Muschel und Fell und dies:



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