Samstag, 18. März 2023
18.03.2023
Es ist Samstagabend, ich sitze im Sessel, auf dem Sofa liegt ein kranker Teenager, der morgen ein Handballspiel spielen möchte und deshalb literweise Tee trinkt, und Herr H. bringt meine Mutter rüber in ihre Wohnung, die zum essen da war und uns noch einmal in Echtzeit meine Geburt nacherzählte, woraufhin ich in Echtzeit Jonathans Geburt nacherzählte, und das Ganze endete dann mit Herrn H., der sagte: "Ja, es war alles sehr anstrengend."

Jedenfalls hatte meine Mutter sich ein Airfryer-Event gewünscht. Vor zwei Jahren hatten wir ihr so ein Gerät zu Weihnachten geschenkt, und sie hatte das Gefühl, dass bald der Moment eintreten könnte, an dem sie ihn auch benutzt, aber sie brauchte Ideen. Also machten wir Pommes und Süßkartoffelpommes, dazu Bratwürstchen, und damit ich nicht denke, ich würde meiner Aufgabe als fürsorgliches Familienoberhaupt nicht nachkommen, briet ich noch Pfifferlinge und Bohnen.

Warum ich so einen langweiligen Quatsch schreibe, kann ich nicht sagen, eventuell habe ich einfach Sprachüberdruss, meine Mutter ist wie immer natürlich ganz reizend gewesen, aber niemand auf der Welt kann sich vorstellen, wieviel sie redet. Sehr viel. Das kenne ich natürlich von meinem Kind vor Einsetzen der Pubertät sehr gut, und insgesamt kann ich aus jahrelanger Erfahrung mitteilen: Nichts strengt mich mehr an, als wenn jemand die ganze Zeit *mit mir* redet. Nein, ich muss mich korrigieren, bei den meisten Menschen höre ich einfach irgendwann weg, aber bei Verwandten ersten Grades gibt es eine gewisse emotionale Verbundenheit, die dazu führt, dass ich zuhören möchte, weil das nett ist, und dann muss ich irgendwann ins Bett gehen. Bei mir fremden oder unsympathischen Menschen hat mein Kopf so eine fantastische Noise Cancelling Funktion, so wie ich doofe Leute im Internet einfach stummschalte, kann ich das im echten Leben anscheinend auch, ohne es je geübt zu haben. Donnerstag zum Beispiel saß ich während eines Handballspiels neben einem sehr netten und eher ruhigen Vater auf der Tribüne, der nach etwa 45 Minuten Spielzeit plötzlich aus dem Nichts vollkommen eskalierte, in Richtung des gegnerischen Blocks brüllte, ob denn jetzt mal gut sei mit dem Gepöbel, die Stimme sei nicht mehr auszuhalten, ob man sich denn jetzt vielleicht noch fünf Minuten benehmen könne. Anscheinend hatte eine Dame aus der gegnerischen Anhängerschaft über 45 Minuten ohne jede Unterbrechung mit schriller Stimme einfach *durch* von der Tribüne runtergepöbelt, alle hatten die Nerven blank, ich hatte sie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Ich konzentrierte mich dann sehr und filterte sie raus, und nachdem ich sie hören konnte, konnte ich nicht mehr umschalten, das war schlimm, aber das Spiel dauerte ja nur noch fünf Minuten.

Ich wusste ja immer, dass ich komplett selektiv sehe. Neuerdings kann ich sogar selektiv hören. Ich bin sehr nah dran an der emotional ausbalanciertesten Version meiner Selbst. Hurra. Noch zweimal Corona, und dann ist das mit dem selektiv Riechen auch geregelt.

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Donnerstag, 16. März 2023
16.03.2023
Heute ist Donnerstag, aber es fühlt sich an wie Samstag, das wird morgen sehr blöd, wenn ich aufstehe, weil ich dann nämlich arbeiten muss und nicht alle Familien- und Haushaltssachen erledigen. Oh wait. Vielleicht nicht blöd.

Jedenfalls war heute abend ein Handballspiel, das gehört sich nicht, das bringt meinen Rhythmus durcheinander. Interessant ist bei diesen Nachholspielen an Schultagen, dass man die unterschiedlichen Kindertypen sehr offensichtlich präsentiert bekommt. Mein Kind zum Beispiel ist üblicherweise das größte auf dem Feld, aber abends um 18.30 Uhr auch das müdeste, normalerweise liegt er dann irgendwo und tut Dinge mit anderen Teenagern im Internet, naja, das ist auch gelogen, meistens liegen alle einfach nebeneinander im Gartenhaus und machen Dinge im Internet mit einem von den fünf Freunden, der "was mit Familie" machen muss. Jedenfalls war seine Bilanz heute 1. Tor in Sekunde 10 der 1. Halbzeit, zweites Tor in Minute 2 der 1. Halbzeit, dann vermutlich Schwächeanfall und der Versuch, fehlende Schnelligkeit mit Kraft zu kompensieren, dann 2 Minuten Strafzeit auf der Bank, dann aus Feld, Tor 3 und Tor 4, dann Schwächeanfall, dann der neuerliche Versuch, fehlende Schnelligkeit mit Kraft zu kompensieren, dann gelbe Karte und weitere 2 Minuten Strafzeit auf der Bank, das ist dann letzte Ausfahrt vor Rot, und dann zurück aufs Feld, dann die kluge Entscheidung, dass er heute mal ein bisschen sitzen darf. Eigentlich fand ich es fast immer ein bisschen schade, dass er im Normalfall körperlich sehr passiv spielt, nicht, dass ich sehr groben Umgang im Handball sehr schätze, aber manchmal lässt sich so ein kleiner Bodycheck ja nicht verhindern, mein Kind ist allerdings in der Regel so höflich, dann zur Seite zu treten und den 20 cm kleineren Gegenspieler durchzulassen. Eventuell ist das aber auch einfach gelernt, seit der F-Jugend hatte er ein wenig das Problem, dass Schiedsrichter (richtig gegendert, ich habe in 7 Jahren nur einmal erlebt, dass eine Frau gepfiffen hat, ich berichtete glaube ich, damals lernte der Gegner, dass man die Schiedsrichterin nicht Fotze nennen darf, oh well, schlecht fürs SEO, jedenfalls gibt das Rot, und das ist natürlich richtig), wo war ich, ach ja, jedenfalls ist es immer so, dass wenn ein ganz Großer und ein ganz Kleiner in ein Gerangel geraten, dass dann der Große die Strafe kriegt, und das ist etwa 1000 mal passiert, sogar, wenn er nur irgendwo steht. Ein sehr lustiger Vater saß mal auf der Tribüne, Jonathan stand mit seinen damals 1,80 einfach nur regungslos in der Abwehr, der Gegenspieler nahm mit seinen 1,60 feste Anlauf und versuchte, ihn einfach umzurennen, und dann bewegte sich an Jonathan nicht einmal ein Haar, der Gegner bouncte zurück wie ein Jojo und fiel laut auf den Hallenboden und bekam den Freiwurf (whaaat?), und der Vater sagte: "Als würde man mit dem Minirad gegen die Straßenbahn fahren."

Naja, jedenfalls hat Ona heute nur 25 Minuten gespielt, und er spielt immer komplett durch, aber ja, die Entscheidung war sehr richtig. Die anderen verloren dann 27:28, und das war durchaus ein Erfolg, man hatte 20 Tore Unterschied befürchtet. Zwei emotionale Höhepunkte: Die gegnerische Mannschaft steht in der Abwehr, es wird irgendein Spielzug zum xten Mal gespielt, am Ende Tor, dann brüllt einer der Gegner sauer: "Menno, die machen jedes Mal das gleiche", und der gleiche lustige Vater rieft zurück: "Und ihr fallt jedes Mal drauf rein", und dann schellte mein Handy, der Nachbar, ich ging nicht dran, dann eine Nachricht, ich solle sofort rangehen, es sei wichtig, und dann musste Herr H sehr schnell nach Hause, da der Nachbar einen Einbrecher witterte, sehr komische Konfiguration vorm Haus, und ein völlig hysterischer Hund in der Küche. Der Nachbar bleib solange auf dem Balkon stehen und bewachte unseren Wintergarten, als Herr H eintraf, war die Situation aufgelöst und wir waren sehr erleichtert. Aber 27:28. Das war knapp.
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Mittwoch, 15. März 2023
15.03.2023
So, zack, Kind groß. Soeben kam er nämlich ins Büro, sehr aufgeregt, leicht klamme Händchen, er hätte einen Job angeboten bekommen, wie er jetzt verfahren solle. Durchatmen.

Also es ist ja so: Mein Sohn hat ein Laster, und zwar ein sehr kostenintensives. Nein, nicht Drogen oder Spielhalle, sondern Falafel. Er gibt sein gesamtes Vermögen beim Libanesen, und wenn man dann einen Wunsch hat, dann muss man gucken, ob irgendein Elternteil sehr gut gelaunt ist und da mal helfend einspringt. Wir diskutieren das Thema seit ein paar Wochen, ich zweifele auch an meiner Vorbildrolle, denn es kommt ja nun schon mal vor, dass niemand hier Zeit hat, zu kochen, und dann bestellen wir halt beim Thai, aber nun gut, mit 14 habe ich das so nicht gemacht. Andere Zeiten. Jedenfalls hat er das Dilemma wohl langsam durchdrungen und sich auf einen Job als Zeitungsausträger beworben, eine Stunde in der Woche, und nachdem sich lange niemand gemeldet hatte, kam dann heute ein Angebot eines Zustellgebiets, ich arrangierte mich kurz mit dem Gedanken, dann führten wir ein Telefonat mit der Dame, die ihm gemailt hatte, sie klang sehr nett, wie Mutter Beimer, und war sehr erfreut, direkt mit der gesamten Familie zu sprechen, und jetzt kommt jemand und bringt uns einen Vertrag und so einen Bollerwagen, und dann habe ich einen angestellten Sohn, der Anspruch auf Urlaub hat, verrückt. Sein Handballfreund macht den Job auch, letztes Jahr kriegte er auch die Energiepauschale. So kann’s gehen.

Ansonsten war ich ja gestern einkaufen, als ich nach Hause kam, standen Pakete vor der Tür, darunter eines, das ein Gewürz enthielt, Piment d’Espelette, eine Chilisorte, und dann stand ich geraume Zeit in der Küche und überlegte, wann ich das wohl bestellt hatte, wer unser Gewürzregal kennt, schließt nicht aus, dass ich Gewürze bestelle, ich erinnerte mich allerdings nicht daran, also schlussfolgerte ich, dass Herr H das bestellt haben musste, da es sich um Chili handelte, und Chili ist ähnlich wie Falafel Jonathans Grundnahrungsmittel, vermutlich auf Geheiß des Kindes, also sortierte ich es ins Regal und beschloss, später nachzufragen. Das vergaß ich natürlich, aber heute erreichte mich eine Nachricht von Freunden, ob bei uns niemand mehr wohnen würde, Erdgeschoss und Homeoffice und dann müssen trotzdem die Nachbarn die Päckchen annehmen, dann kombinierte ich und rief an, um mich abzusichern.

Und ja, sie hatten mir Piment d’Espelette geschickt, anlässlich eines Gesprächs, das wir geführt hatten, welches Thomas Anders zum Gegenstand hatten. Warum ich mich über Thomas Anders unterhalte, erzähle ich demnächst, aber wie gut, dass ich jetzt sein Lieblingsgewürz besitze, und dann noch in Kombination mit seinem Kochbuch, welches Herr H mir als Gag zu Weihnachten geschenkt hatte. War noch in der Folie, Sonderpreis 25,- Euro, darauf dann ein großer roter Preis, 7,95 Euro, da muss man ja zugreifen!

Von hier.
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