Dienstag, 22. Februar 2011
Wort zum Dienstag
hier war ja kindergeburtstag und backwahn, also blieb keine zeit, meine wahrscheinlich schon mit grauen erwartete meinung zu einem thema meines vertrauens kund zu tun.

die doktorplage. ich bitte die renommierten blaetter, z.b. spiegel, stern, fr und noch etwas, was ich jetzt vergessen, zumindest aber gelesen habe, folgendes in der zukunft umzusetzen: man kann seine promotion nicht schreiben. man schreibt seine dissertation. die promotion passiert einem dann. das ist terminologisch aehnlich anstrengend wie damals, als die nation ueber die neue rechtschreibreform diskutierte. ich konnte da immer gar nicht gut mitdiskutieren, da ich an dem schlimmen wort noch festhing, als schon alle wieder zuhause waren.

soweit, so gut. so traurig. noch trauriger finde ich ja, dass sich niemand mal so in frau schroeder verbissen hat (besondere aufmerksamkeit fuer punkt 11 bitte, methodologisch fuer quasi alle faecher von bedeutung).

ich kann ihnen sagen, was in diesem lande das problem ist: a) titel ist von der wissenschaftlichen karriere abgekoppelt (warum bloss, deutsche?), und b) das promovieren ist hier zu einfach. und jetzt dreschen sie nicht auf mich ein, jaaa, natuerlich arbeiten doktoranden hier auch schwer blabla, aber in anderen laendern ist der akt der verteidigung ein ganz anderer als der deutsche pro forma auftritt. ich hatte eine lesekommission, eine verteidigungskommission (mit wenig ueberschneidung), einen unabhaengigen referenten, etc. alle muessen ihr fiat geben, erst dann darf man sich die boxhandschuhe anziehen und sich oeffentlich 10 externen gutachtern streiten. erinnert stark an die deutsche habilitation, ist in der theorie auch aequivalent. doch wofuer dann der deutsche doktor?

fuer leute, die wissenschaft betreiben wollen und sich dann noch habilitieren muessen (1%) und fuer leute, die denken, dass andere leute gerne einen anwalt mit dr. wollen, weil die gegenseite auch einen mit dr. hat. meine guete. in holland gibt es kaum promovierte aerzte. wozu auch? eine in den semesterferien zusammengewichste arbeit von 80 seiten wird in den meisten faellen den stand der forschung nicht viel weiter vorantreiben. die habilitation wurde seinerzeit eingefuehrt, um die verlotterung des dr. zu kompensieren und wissenschaft von quatsch zu trennen. wenn se mich fragen, entlottert man einfach den dr. und laesst die armen leute in ruhe.
titel sollten kein namenszusatz sein. das tut leuten nicht gut. amen.

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Oh, oh, oh
darf ich Sie bitten, mir folgende Zeile:
"eine in den semesterferien zusammengewichste arbeit von 80 seiten wird in den meisten faellen den stand der forschung nicht viel weiter vorantreiben."
zu schenken, oder zu leihen? Ich hab da nämlich eine Idee! Die schenke ich dann Ihnen. Oder nennen wir es einfach "Tauschen"*

*Ich bin ein großer Freund von "Tauschen"

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schon getauscht!

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(c) eric prieditis

(c) eric prieditis
ja, getauscht und von mir ebenfalls "zusammengewichst"

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ach, sehr schoen. in meiner phantasie steht oben noch eine dose kleenex drauf!

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Interessant ist ja auch, dass sie nicht in ihrem ursprünglichen Hauptfach promoviert hat - sie ist Diplom-Soziologin -, sondern in Politikwissenschaften, was vermutlich ihr Nebenfach war. Würde schon ganz gerne mal wissen, über welches Thema und bei wem sie ihre Diplomarbeit geschrieben hat und welche Note es dafür gab.

Außerdem wüsste ich doch mal ganz gerne, ob jener wissenschaftliche Mitarbeiter für diese Hilfsarbeiten eigentlich Ressourcen der Universität Mainz genutzt hat und dies angemeldet und auch bezahlt hat. Das muss man an der Uni Mainz in solchen Fällen - bezahlte Auftragsarbeiten für Dritte - nämlich. Dafür gibt es sogar eigens Formulare.

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sehr richtig. und die soziologen, dachte ich immer, die wissen, wie man hypothesen formuliert und statistiken auswertet. und bewertet. entsetzlich.

und wenn ich sehe - unabhaengig davon, wie schlecht, sagt man, die arbeit ist - was sie alles geoutsourcet hat. konzeption, wegschicken, auswerten, ausformulieren, tippen und fussnoten. wenn sie keinen theoretischen teil hat, sollte vielleicht da mal einer messen, wie viele seiten rot sind. jetzt werde ich aber stutenbissig...

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Als Soziologin könnte ich jetzt ja spitzzüngig behaupten, dass wir das selbstverständlich wissen und sie vielleicht genau deshalb nicht bei einem Soziologie-Professor promovierte - vielleicht wollten die die gar nicht als Doktorandin. Eine gute Note im Diplom oder Magister genügt bekanntlich nicht, um promovieren zu können, man braucht auch einen Prof, der einem das Gutachten schreibt.

Aber ich weiß ja, dass die Politologen das auch wissen und können (habe schließlich eine kleine Schwester, die das mal studierte). Aber in Mainz ist die Politikwissenschaft ein bisschen speziell: Erst hatten sie dort den Kohl-Berater Weidenfeld, jetzt halt den ebenfalls CDU-nahen Falter. Und bei dem hat sie eben auch promoviert.

Beim guttenplag.wiki kam neulich in den Kommentaren schon mehrfach der Vorschlag auf, sich als nächstes mal die Doktorarbeit von Kristina Schröder vorzunehmen ...

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ich wuerde mich da anschliessen wollen.

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Ihre Promotion ist 2010 noch unter ihrem Geburtsnamen Köhler bei VS - Verlag für Sozialwissenschaften in Wiesbaden erschienen. Titel:

"Gerechtigkeit als Gleichheit? Eine empirische Analyse der objektiven und subjektiven Responsivität von Bundestagsabgeordneten", 303 Seiten, 39,95 Euro.
(Link, da gibt es auch eine Leseprobe)

Gibt es aber bestimmt auch über Ihre Uni-Bibliothek zu leihen.

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gott bewahre! ich will das nicht lesen, ich will unterstuetzen, dass andere das lesen ;-)

ich korrigiere doch gerade!

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ogottogott. wenn nur die hälfte davon stimmt, ist schröderköhlers dissertation korrelativ, achwas: kausal! mit der überflüssigsten waldrodung dieses noch jungen jahrtausends.
eine atemberaubende frechheit. bei meiner diss schreib' ich auch einfach eine hübsche erzählung zusammen, vielleicht einen bunten reigen lose miteinander verknüpfter politischer sommergeschichten. und den analytischen bezugsrahmen hänge ich mir übers sofa.

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vergessen sie die grafiken nicht. grafiken sehen immer wissenschaftlich aus.

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wenn ich das bisher gewusst hätte! bei mir ist ja eher ohne klickibunti - dafür muss ich allerdings auch nix texen.

aber ohne framing bleiben die schönsten grafiken doch nur plakativ.

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Früher war
zwar nicht alles besser, aber härter. Zumindest bis vor etwa zehn, durchaus auch fünf Jahren wurde auch in verschiedenen deutschen Kleinstaaten schwer gekämpft, auch von Doktoranden. Da gab und gibt es sicherlich Unterschiede von Hochschule zu Universität und andersrum – man darf die Kulturhoheit der Länder nicht außer acht lassen. Aber die aktuelle Entwicklung scheint darauf schließen zu lassen, daß in Bälde der Doktorgrad dem Führerschein gleichzusetzen ist.

In Frankreich gibt es übrigens nur einen Doktor, das ist der Arzt. Und auch das ist – in jeder Hinsicht – ein Thema für sich.

Nachtrag: Wie ich heute irgendwo gelesen habe, gibt es auch kein Recht und keine Verpflichtung, mit «Titel» angesprochen bzw. -geschrieben zu werden. Vielleicht finde ich den Text noch (ich meine, ihn bei DA verlinkt gesehen zu haben).

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Laut Wikipedia und diesem Aufsatz gibt es diese Verpflichtung in der Tat nicht.

Jemand der darauf unbedingt bestehen muß muß aber auch wirklich einen kleinen ***** haben...

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die frage ist, ob es ueberhaupt eine gesetzliche verpflichtung gibt, irgendwie angesprochen zu werden. der titel ist teil des namens, ja, zb wie der vorname. nur, weil ich einen vornamen habe, will ich damit von den meisten menschen nicht angesprochen werden.

und ich halte mich ja raus aus dem ganzen guttenberg-bashing, dafuer haben wir ja den spiegel. aber eine sache muss den menschen mal deutlich erklaert werden: man KANN seinen titel nicht ablegen. auch dann nicht, wenn man gerne wuerde, weil man ihn eh entzogen kriegt, und zwar von der einzigen instanz, die dazu in der lage ist, naemlich der ausgebenden uni. natuerlich ist es angenehmer und menschlicher und bildzeitungstauglicher, wenn man ihn freiwillig zurueckgibt, als wenn in zwei wochen die uni bayreuth ihn entzieht und dann alle sagen: "siehste". dennoch bleibt das lip service. er nimmt vermeintlich vorweg, was er nicht aufhalten koennen wird. haette er gestern verkuendet, dass er ab sofort im bett die brille ablegt, waere das eine aehnlich interessante entscheidung gewesen.

(der uni wird er einen gefallen getan haben. ich will nicht wissen, wie dekan, rektor und vorsitzender des pruefungsausschusses in den letzten naechten im bett auf der frage brueteten, wie sie ihren dr. wiederkriegen, ohne schlecht dazustehen...)

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und dann ueberlegte ich gerade, warum ich die anrede mit titeln im job so furchtbar albern finde, und da faellt mir der banale grund ein: in meiner branche ist das der kleinste gemeinsame nenner. wenn uns auch sonst nix eint, zwei dinge haben alle, die dort in den heiligen hallen rumlaufen: neurose und titel...

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hier im bergwerk hat man sich neben dem ablegen der schlipse zudem nachhaltig von der titelwut befreit. da ja jeder weiß, dass alle irgendwas mit dings machen isses auch egal. wenn man das wissen will, kann man ja die personensuche bemühen. steht ja alles drin in the interwebz.
so ist der rektor halt der herr soundso und gut ist. nur der promovierte hausmeister leiter des facility managements heißt dr. hausmeister. aber der kommt auch nicht von hier. und hat erwiesenermaßen einen kleinen ***** und einen großen haschmich.

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Ach, na ja, lieber Vert
«unter Akademikern» hat man sich früher ohnehin nicht tituliert; in den Siebzigern bis in die Achtziger war es gar verpönt, einen solchen Grad überhaupt zu führen. Es ist durchaus eine neuere Entwicklung, die mit der allgemeinen gesellschaftlichen Schmucksucht einhergeht. Allerdings haben auch viele Unternehmen zunehmend mehr Wert darauf gelegt. Na gut, früher heißt auch, daß ein bestimmter Typus, im besonderen Juristen, großen Wert darauf legten, mit Herr Doktor angeredet zu werden.

@ energist: Danke, den Beitrag meinte ich.

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@ herzbruch, an der Uni Bayreuth spricht man intern von einem "Gau" und dürfte wohl ziemlich angekotzt sein.

Wirbt die juristische Fakultät der Uni Bayreuth eigentlich immer noch mit diesem Imagefilm, in dem Guttenberg auftaucht? Oder haben die den jetzt endlich einmal von der Website genommen?

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Dankbarkeit
Meines Wissens nach haben die Rhön Kliniken ( Familie Guttenberg ist Anteilseigner) der Universität Bayreuth einen Lehrstuhl gestiftet, für Gesundheitsmanagement.

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da hat man sich aber wirklich einen titel verdient!

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Zu Punkt 11 ...
... muss ich geradezu reflexhaft hierhin verweisen:

http://xkcd.com/552/

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reflexhaftes zu-xkcd-verweisen ist hier ja gern gesehen.

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