Herzbruch

auch ein satz, den ich so nie von mir erwartet hätte. aber gestern offenbarte sich, was sich 2010, damals, als wir eine zeit lang angstgegner waren, schon abzeichnete: ich trage fußballfanpotenzial in mir. eigentlich war die wm für mich eine bürde, da ich ja neuerdings jeden morgen früh aufstehen und kind und mich bürofein machen muss, und da frida und oskar, die sich übrigens bestens entwickeln, morgens ja auch noch versorgt und bepusselt werden wollen, ist fernsehen bis 1 uhr nachts strukturell nicht möglich. also dachte ich mir gestern abend folgendes: ich bin jetzt müde, also putze ich meine zähne, dann legen wir uns zu dritt ins bett, das kind schläft ein, dann warte ich bis zum 1:0, wähne mich in sicherheit, schlafe vorsorglich auch ein, und sollte es zum elfmeterschießen kommen, kann der mann mich ja durchaus noch wecken. ansonsten zitierte ich ja seit beginn der wm folgenden satz aus der faßbenderbibel: "die sollen mal nicht denken, dass sie brasilianer sind, nur weil sie aus brasilien kommen", und darauf verließ ich mich.

das spiel begann also, 10 minuten war mir langweilig und ich fragte mich, ob ich wohl auch schon vor dem 1:0 einschlafen dürfte, und dann, ein paar minuten und 5 tore später, stand ich zum ersten mal seit wir hier wohnen hektisch rauchend auf dem balkon im ersten stock, weil ich angst hatte, auf dem weg nach unten 2 tore zu verpassen.

es war nicht schön. naja, eigentlich natürlich doch, aber spätestens beim 6:0 fand ich es unpassend, sich noch zu freuen. und dann immer diese weinenden kinder in nahaufnahme. vor meinem mann musste ich leider auch schon wieder ein kleines bisschen respekt verlieren, denn mit meinem hintergrund im mathematischen bereich und einer 12 jahre währenden handballkarriere hielt ich es für falsch, sich in der halbzeitpause noch sorgen zu machen, "es kann ja noch kippen", und dann kam die geschichte, wie bayer uerdingen damals 5:0 führte und 6_5 verlor oder so ähnlich, ich habe mir die details nicht so gemerkt.

egal, wir sind jetzt jedenfalls wieder angstgegner, und das gefällt mir ja immer sehr gut. heute abend werde ich wieder meine zähne während der nationalhymnen putzen, und dann will ich keine weinenden kinder sehen, dass das klar ist. und ich hätte da noch einen wunsch: ich möchte aus allen gründen kein finale deutschland-holland. ich wäre dann für deutschland, soviel ist klar, aber genaugenommen wäre es weder für die bilateralen beziehungen im supermarkt in venlo noch für mein privatleben günstig, wenn wir holland im finale schlagen. ich möchte das nicht. verlieren aber natürlich auch nicht. desweiteren möchte brasilien am samstag natürlich auf gar keinen fall gegen seinen erzfeind argentinien verlieren. und ob die sich bis samstag wieder daran erinnert haben, dass sie brasilianer sind, vermag ich kaum zu hoffen. und wenn deutschland dann argentinien mit 14:0 wegputzen würde, dann hätte man uns in brasilien auch wieder lieb. und harmonie ist mir ja wichtig.

nachtrag: ich möchte noch nennen, wer gestern für mich das internet gewonnen hat. das war giardino mit dem tweet zum 7:0. "mist, falsche tordifferenz getippt." lachen wir auch 20 stunden später noch drüber.

Zitat: "ich möchte aus allen gründen kein finale deutschland-holland" Zitat Ende.
Was immer die Gründe auch sein mochten, Euer Wunsch war uns ein Befehl. -:)
Gruss, T.

in einer mir bekannten internettippgemeinschaft liegen unter den ersten dreien seit anbeginn der wm:
- eine person, die reklamiert, nix von fußball zu verstehen und die ergebnisse deswegen rät,
- ein zweijähriger, der die ergebnisse würfelt und
- ein echter fußballfan, denn das alles fantastisch anpestet. der dritte platz zum beispiel.

Es war ein 7:3 nach 1:3, so was prägt sich ein. Ich verfolgte es mit Kopfhörer während einer Aufführung der West Side Story, an deren Ausgang ich mich hingegen nicht erinnere.

was ich hier an meinem holländischen Wohnsitz hätte durchmachen müssen, wenn es zu einem neuerlichen deutsch-niederländischen Finale gekommen wäre und dann Vielflieger Robben in der 118. Minute zum wiederholten Male in Strafraumnähe wild mit den Armen zu rudern begonnen, zum Hechtsprung mit doppelter Schraube angesetzt hätte und dann ohne Boateng-Einwirkung gurgelnd jenseits der Strafraumgrenze zu Boden gegangen wäre, so daß der Schiedsrichter aus z.B. Südafrika bei dieser x-ten Wiederholung der Inszenierung endlich ein Einsehen gehabt und ihm einen Elfmeter geschenkt hätte.
Ich hätt's schier nicht überlebt, es hätte mich zerrissen wie Rumpelstilzchen. Aber so viel Konjunktiv und Irrealis: Es ist uns erspart geblieben. Dem Finale heute abend sehe ich ganz gelassen entgegen.