Montag, 16. November 2020
Fuck You
Ich bin ja häufig von meiner eigenen Gefühlswelt sehr überrascht, bin ich ja eher rational unterwegs. Ganz hin und wieder erwischt mich dann aber irgendwas, von dem ich oft nicht einmal weiß, was, und dann ist alles durcheinander. An mehreren Stellen habe ich bereits das Phänomen beschrieben, dass ich immer und ausnahmslos in Gottesdiensten Weinkrämpfe kriege, und zwar, ohne dass ich an irgendwas glaube und ohne, dass ich über irgendwas traurig bin. Das fing vor etwa 10 Jahren an, seitdem ist das so. Auf Beerdigungen entfernter Bekannte gehe ich neuerdings immer erst zu den Angehörigen und entschuldige mich schon mal vorab, nicht dass die Witwe denkt, ich sei das Gspusi.

Naja, in der Kirche war ich ja heute nicht, dennoch habe ich die letzten 30 Minunten unkontrolliert geschluchzt. Ich denke, die aktuelle, generelle und auch die besondere Situation ist soeben kulminiert. Was das im Detail bedeutet, ist nicht klar, scheint mir aber nicht zu gefallen. Ich schreibe das jetzt mal ganz rational und wertfrei, Frau N. wollte mich telefonisch retten, ich denke allerdings, dass das jetzt nicht funktioniert, käm sicher nur Gepiepse, und sonst klinge ich ja eher sonor. Und ich habe jetzt Tränen-Makeup Mischung auf dem Pulli. Ringelpulli, naturlich auf dem weißen Ringel. *Das* hilft jetzt auch nicht, ist ja nicht maschinenwaschbar, der Pulli.

Das ist jetzt also so. Als Anregung möchte ich noch eben mit in den Raum werfen, dass Deutschland dringend so etwas wie Tinder für Hausstände braucht. Nach acht Monaten mehr oder weniger Homeoffice mit dem Mitbewohner, so wird mir soeben bewusst, wird es in meinem Fall wirklich langsam Zeit, dass Hausstände wie unserer mal durchmischt werden. Oder einfach ausgedünnt. Jedenfalls nicht noch weiter gelockdownt.

Warten wir mal ab. Vielleicht höre ich zeitnah auf zu schluchzen, das wäre natürlich hervorragend. Oder ich kann wieder atmen, das fällt nämlich auch gerade schwer. Sollte ich jetzt ersticken, bin ich nicht mit, aber an Corona gestorben. Aber da bin ich sicher nicht die erste.

(Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe etwa 20 Mal Auffangen gut bei Frau N. Und Sie wissen ja. Tief innen drin und ganz am Ende geht hier immer alles gut aus.)

Pandemie am Arsch. Danke.