Sonntag, 10. Januar 2021
The model
Ich kann es zu diesem Zeitpunkt nicht komplett ausschließen, dass ich bezüglich der Entwicklung der Digitalisierung von Onas Unterreicht heute abend erstmals nicht komplett enttäuscht bin. Okay, ich bin auch nicht begeistert, aber in den letzten 2 Tagen haben sich einige Dinge ereignet, die eine Zeitenwende ankündigen. Ich möchte Sie jetzt auch nicht überfordern, daher überlegen Sie bitte gut, ob Sie den Inhalt verkraften können.

Gestern (an einem Wochenendtag, verbeamtet!!) schickte der Rektor des Gymnasiums eine Mail an alle Eltern, und der Inhalt befand sich nicht in einem offenen Worddokument, nein, auch nicht in einem angehängten PDF, also doch, aber nicht nur. Der Inhalt der Email befand sich im Mailbody. Also da, wo wir durchdigitalisierten Leute Inhalte reintun. Bämm!

Und morgen hat Ona Videounterricht. In echt. Das erste Mal. Ever. Wir sind also jetzt an unserer Schule da angekommen, wo gefühlt jede bayrische Schule im April schon war. Und das finde ich gut.

Auch gut finde ich die Angebote der ARD. Dort gibt es jetzt ein wenig Schulfernsehen, und das finde ich allenfalls besser als alles, was er sonst gucken würde, ich habe nämlich nach wie vor nicht vor, Ona zu homeschoolen, und ja, das ist eine sehr luxuriöse Situation, er ist nämlich alt und klug genug, dass er bislang zumindest komplett zurechtgekommen ist, und das wird auch so bleiben müssen. Alternativ kann er gerne leistungsverweigern, aber das müssen wir ihm ja nicht vor Tag 1 schon sagen. Abgehängt wird er nicht, da mache ich mir wenig Sorgen. Was ein bisschen blöd auskommt ist die Tatsache, dass er eine Woche vor Weihnachten die Klasse gewechselt hat, nun hat er seinen Lernbuddy aus dem ersten Lockdown verloren, aber gut, dann ist das jetzt halt so.

Ich habe natürlich leicht reden. In dem Motzbeitrag, mit dem ich neulich die Blogpause unterbrochen habe und in das Befindlichkeitsbloggen einstieg, hatte ich noch den Verve einer Person, die nicht 10 Monate Pandemie in den Knochen hat. Das ist heute anders. Daher ist mir jetzt einfach alles egal, und in blindem Vertrauen auf mein Kind und seine Lebensbedingungen gucken wir jetzt mal, was dabei rauskommt. Motzen hilft ja nicht. Es ist eine ganz einfache Frage der Priorisierung. Möchte ich, dass 10 Millionen Kinder jeden Morgen durch die Gegend fahren und sich und andere infizieren? Nein. Also muss das anders geregelt werden. Dass das für die Eltern blöd ist: Point taken. Aber (live with it): Pandemie ist halt blöd. Ich weiß nicht, warum ich irgendwas Nichtblödes erwarten sollte. Vielleicht ist wieder die Brigitte schuld. Seit 11 Jahren lache ich ja darüber, dass man "alles haben kann", die tolle Karriere, die glücklichen Kinder, das frische, vitaminreiche, selbstgekochte Essen. Nur jemand, der sehr schlecht in Mathe ist, kann sich das gut vorstellen, und ja, dass meistens die Mütter dann den Handschuh werfen und sich um die Kinder kümmern, ist ein Ungleichgewicht und muss geändert werden. Aber eine:r muss ja. Zwei dicke Karrieren plus selbstbetreute Kinder plus "Zeit für mich in der Wanne" geht nur, wenn man Bundestagsabgeordnete ist und nicht hingeht. Soll es ja geben.

Also ist es jetzt noch mal richtig scheiße. Ich bin bereit. Ona hat mich eben gefragt, ob ich nicht einen kleinen Kurzurlaub machen möchte. Wenn mir alles zu laut, unaufgeräumt und anstrengend wird, mache ich das üblicherweise. Fahre einfach eine Woche alleine weg und komme dann gutgelaunt wieder. Aber naja, Sie können den Satz allein vervollständigen. Ich zähle jetzt runter. Ich zähle runter, bis ich wieder ein normaler Mensch bin. Ich zähle runter, bis ich wieder die Menschen sehen kann, die ich sehen möchte. Ich zähle runter, bis ich wieder Zeit auch mal alleine verbringen kann. So lieb ich mein Kind ja habe. 24 Stunden sind viele Stunden. In einer rbb Doku habe ich heute gelernt, dass im Mausmodell (genau genommen war es das Rattenmodell, aber Mausmodell ist momentan mein absolutes Lieblingswort) gezeigt wurde, dass - wenn Individuen auf engem Raum und ohne feste Aufgabenverteilung eingesperrt sind - Masturbation hervorragend hilft, Aggressionen zu überwinden. Ich muss das jetzt mal zuende denken. In den letzten Tagen habe ich versucht, diverse Aufgaben zu verteilen, da ich aber eher mit Anhängern des regelbefreiten Lebens zusammenlebe, werde ich die Berichterstattung an dieser Stelle abbrechen müssen.

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Jawoll!
Ihr Sohn ist 11 und klug? Da kann nichts Schlimmes passieren, wenn Sie ihn nicht homeschoolen! Er kann lesen, schreiben und Grundrechenarten und wird jetzt nichts verpassen, was er nie wieder aufholen kann, auch wenn er gar nichts lernen sollte bis zum Sommer. Alle anderen verpassen dasselbe, Lücken in Sprachen und Mathe werden später geschlossen, und wenn er tatsächlich die längsten Flüsse Europas, den Körperbau des Regenwurms oder das Sozialleben in der Jungsteinzeit verpasst, kann er das später googeln, falls er es jemals braucht. Und verraten Sie es ihm nicht, aber niemand wird jemals sein Zeugnis dieses Schuljahrs sehen wollen - aber das wissen Sie ja selbst. Alles egal außer der Gesundheit ist meines Erachtens eine sehr vernünftige Einstellung derzeit.
Oh, und bei den Aufzählungen aus der Brigitte haben Sie den schlanken, sportlichen Körper mit perfekt geschminktem Gesicht und eleganter Kleidung vergessen - aber ja, genau so!

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Naja, das hatte ich natürlich vorausgesetzt. Und wenn ich dann einen Daxkonzern geleitet habe, mit dem Kind Lego gespielt, Ottolenghi gekocht und dann zur Entspannung ein Schaumbad mit Kerzen und Champagner genommen habe, freue ich mich auf eine wirklich aufregende Nacht mit dem Mann, den ich seit 15 Jahren jeden Tag sehe. Und wenn das nicht so ist, ist es wohl falsch ;-)

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Die nächste Pandemie hätte ich gerne so, dass es geboten ist, von der eigenen Behausung mindestens 50 km Abstand zu halten. Und die Mitglieder des Hausstands höchstens zehn Minuten pro Woche zu treffen...

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Kommen Sie an mein Herz. Wollen wir Knuffelcontacte sein?

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