Samstag, 3. April 2021
I'm speaking
Ich wollte einen langen Beitrag über den Talkshow-Auftritt von Melanie Brinkmann schreiben, aber ich habe keine Lust. Nach 20 Jahren im Job habe ich keine Lust mehr. Ich habe zig solcher Situationen erlebt, ich habe gegengehalten, ich habe jahrelang geübt, wie man ruhig das Wort behält, ich habe mich fulminant gegen alte Männer in Diskussionsrunden verteidigt, um dann hinterher in der Mittagspause am Buffet zu stehen und zu hören, dass hinter mir darüber diskutiert wird, ob ich wohl im Bett auch so feurig sei, bin "Mädchen" genannt worden, bin ironisch "Frau Professor" genannt worden, bin abfällig "die junge Kollegin" genannt worden, bin von Berufungskommissionsvorsitzenden gefragt worden, wie ich mich als Frau denn durchsetzen wollen würde, und alles in allem macht mich das nur noch müde. Mit 25 habe ich noch vehement behauptet, dass das Problem vermutlich bald erledigt sein wird, weil die Fossile ja jetzt aussterben, aber jetzt bin ich 44, und die Situation ist unverändert. Schade.

Vor zwei Wochen war mal wieder mein regelmäßiger Gremientermin, bei dem diese Art von Verhalten den sehr wenigen Frauen in der Runde gegenüber ganz üblich ist. Bereits in der Check-In Runde war klar, dass ich mal wieder einen längeren Wortbeitrag leisten werden muss, als späte Reaktion auf den Kollegen, der die Runde mit der anekdotischen Information begann, grundsätzlich nicht mehr mit so hormonellen und zickigen Frauen arbeiten zu wollen, und ich habe meine Gelegenheit zur Validierung seiner Theorie genutzt. Anschließend haben mehrere Damen mich angeschrieben, um zu fragen, was denn so meine Tips in solchen Situationen sind.

Ich habe keine. Ich kann nur sagen, was ich in 20 Jahren gelernt habe. Ich lasse mir in einer fachlichen Diskussion nie das Wort abschneiden. Und das ist meines Erachtens der wichtigste Schritt. Wenn ich unterbrochen werde, sage ich "Ich rede noch", wenn das nicht hilft, sage ich "Stop", und wenn das nicht hilft, hebe ich die Hand und sage "Stop". Das funktioniert immer, der Trick ist aber, dann nahtlos weiterzusprechen, das musste ich üben. Und nicht das Wasserglas zu nehmen, wenn man nämlich zittert, wirkt das auch wieder unsouverän. Keine offene Flanke bieten.

Männer, die hier mitlesen, sind bestimmt alle toll, daran habe ich keinen Zweifel. Die würden das nie machen. Die zwei Männer, mit denen ich am allerengsten zusammenarbeite, habe ich übrigens beide kennengelernt in einer Situation, in der sie mir ungebremst und sehr bestimmt zur Seite gesprungen sind und einem Fossil ordentlich eine mitgegeben haben. Sollten Sie irgendwann mal daneben sitzen, wenn eine Frau in einer professionellen Situation dafür belächelt wird, dass sie auch mal kurz etwas sagen möchte: Das ist Ihr Moment. Sie wird keine Hilfe brauchen. Aber sie freut sich über Allianz.

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Ich hatte so viel geschrieben, aber es ist verschwunden.
Ich fasse kurz zusammen: ich mag Ihre letzten beiden Sätze besonders gerne.

Ich unterbreche gerne mit ?ich bin noch nicht fertig?, dazu Blick des Todes, funktionierte bislang.

Falls Sie morgen arbeiten müssen: viel Erfolg! :)

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"Ich bin noch nicht fertig" habe ich auch im Repertoire. Mit passendem Blick.

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Der Blick ist wichtig. Ernst und unnachgiebig.


Mein LK Deutsch Lehrer nahm mich mal beiseite und sagte zusammenfassend: ?Du hast es nicht nötig zu kokettieren, du setzt dich auch so durch.? Mit dem Kokettieren konnte ich immer gewinnen, aber so macht es mehr Spaß. Gut, dass er mir das so sagte in der Pubertät, nachher würde ich immer noch so rumeiern.

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Ja, vermutlich hat man sowas eingebaut. Ich habe in der ersten Klasse einen Tadel wegen Insubordination bekommen. Damals sagte der Lehrer zu meinen Eltern: ?Lassen sie sie mal, die kommt später klar.?

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Es ist und bleibt eine Machtfrage. Wo sitze ich? Wie sitze ich? Und wie sorge ich dafür, dass ich ausreden kann?
Fossilien wachsen leider nach.
Ich räche mich manchmal ein bißchen. Wenn dann das Fossil redet, stehe ich auf und mache kurz das Fenster auf oder fürsorglich den Vorhang zu. Wichtig ist, dass ich kurz hinter ihm vorbei gehe. Das irritiert maximal. Und die Blicke der Teilnehmer wenden sich ab von ihm. Das hat was.

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