Samstag, 4. September 2021
Kidding?
Sitzen Sie gut? Ich saß nicht gut und musste entsprechend unsouverän reagieren.

Als Mutter eines Kindeleins ist man ja an vielen Stellen abgehärtet, wie es sich 2021 gehört, wurde ich heute jedoch sehr überrascht. Jonathan kam mit einem Stapel Papier in die Küche und sagte: "Bitte einmal alles unterschreiben", und da ich das aus dem beruflichen Umfeld kenne, reagierte ich spontan und unterschrieb den Englisch Vokabeltest, den Latein Vokabeltest, dann war die Laune sehr gut und ich unterschrieb ohne zu zucken irgendeine sinnlose DSGVO Abfrage, dann kam eine Liste von Dingen, die für die nächste Klassenfahrt benötigt werden, wovon wir übrigens exakt gar nichts besitzen, die musste nicht unterschrieben, wohl aber zur Kenntnis genommen werden, und dann kam der Zettel mit der Erklärung, blablabla Klassenfahrt, bitte Montag abgeben, sofort überweisen. Festhalten: 435,- Euro.

Für eine Klassenfahrt in der 7. Klasse. Mitten in der Pandemie. Skifahren, wo sonst nur die Royals urlauben.

Wir können das abkürzen. Die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun. Und ich möchte das kurz einordnen: Ich kann das bezahlen, auch mit 0 Tagen Vorlauf am Montag. Aber. 435 Euro für die Klassenfahrt. Die Bitte, eine Reiserücktrittsversicherung separat abzuschließen, falls das Kind nicht mitfahren kann, ist ja Pandemie. Eine Liste von Dingen, die auf der Fahrt mit müssen, bestehend aus Skihose, Skijacke, 2 Paar Skihandschuhen, Skibrille und Skihelm, Skier und Stiefel können netterweise geliehen werden für irgendeine Leihgebühr, und bitte 50 Euro Taschengeld.

Ich möchte mich an dieser Stelle wiederholen. Ich kann das bezahlen und werde das gegen alle inneren Widerstände auch tun. Aber ich bin so in Rage, wie es sonst nur noch die deutsche Politik schafft, ich habe nämlich kurz im Kopf überschlagen (und nein, ich werde nicht die Aldiaktion abwarten können, mein Kind ist nämlich körperlich ein sehr dünner Erwachsener, wir müssen alles ganz akribisch suchen, damit es passt, und das ist leider nie in irgendwelchen Discounteraktionen zu finden), der Spaß wird etwa 800 Euro kosten. Für eine Klassenfahrt. Ich bin ja 1988 in der 7. Klasse die Eifel gefahren, das hat 80 Mark gekostet. 2021 fährt mein Kind in der 7. Klasse quasi nach St. Moritz, und das kostet 1.600 Mark. Und wissen Sie was: Mein Kind möchte nicht Skifahren. Nichts in dieser Familie sagt Skifahren. Wir werden die Ausrüstung kaufen und danach verbrennen, damit alle Möglichkeiten, irgendwann noch mal Ski zu fahren, ausgeschlossen sind. Ski interessiert hier niemanden, mein Kind möchte Handball spielen und tauchen. Wobei ich ja antizipiere, dass die Klassenfahrt in der 9. Klasse in die Südsee geht, dann kann er das ja da machen. Ski ist kacke, und ich respektiere alle Menschen, die das anders sehen, das muss auch nicht in den Kommentaren diskutiert werden. Für mich ist Ski kacke, wir sind 10 Jahre aus Umweltgründen nicht geflogen, wir unterstützen also auch die Skiindustrie nicht. Dieses Jahr sind wir geflogen, das muss erst mal wieder grüngewaschen werden (E-Auto kommt!). Außerdem, ich weiß nicht, ob Sie es wussten, IST DA DRAUSSEN EINE SCHEISSPANDEMIE, was übrigens dazu führt, dass nach den 12 Stunden Busfahrt zum Zielort das Kind von den Eltern abgeholt werden muss, sollte es zu einem positiven Fall in seinem Zimmer kommen.

Long story short. Ich bin nicht Fan. Ich kann mir auch nicht gut erklären, welcher Mensch auf die Idee kommt, dass es sinnvoll ist, mit Kindern aus NRW in Hintertupfingen Skifahren zu gehen. Ich kann mir auch nicht erklären, wie die Familien das machen, die eventuell Zwillinge in der 7. Klasse haben und nicht irgendwo einen Topf, aus dem man mal kurz 1.600 Euro nehmen kann, die Kinder müssen ja auf Klassenfahrt. Ich kann mir auch nicht erklären, wie Pädagogen zu dem Entschluss kommen können, dass das für Kinder irgendetwas tut, was nicht jede andere Jugendherberge auch könnte. Die sind 12. In der 5. Klasse war er in Bacharach, sie wohnten in einer Jugendherberge im Schloss, durften OHNE LEHRER eine Stadtrallye machen, die Urkunde hängt noch an seiner Wand, so toll fand er das, und wenn ich ihn frage, was er am besten fand an der Klassenfahrt, sagt er: "Abends heimlich wach bleiben und flüstern". Das wird mit 12 nicht anders sein als mit 10, außer vielleicht, dass sie heute heimlich Gangsterrap vor dem Einschlafen hören. Und das hätte man eventuell auch in der Jugendherberge in Ratingen machen können. Da könnte ich ihn auch sehr gut wieder abholen, wenn dann alle COVID haben.

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What the actual fff? Wir sind mit 12 in Jugendherbergen in Idar-Oberstein, Barsinghausen oder Bad Harzburg untergebracht gewesen, so ganz genau weiß ich das nach 40 Jahren auch nicht mehr, aber das absolute Highlight war mal der Tagesausflug nach Straßburg.
Wird sowas nicht auf dem Elternabend ausführlich diskutiert? Ich meine, das denkt sich doch kein Lehrer selbsttätig im Homeoffice aus, oder?

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(Wir haben den Elternabend ja leider verpasst und uns damit die Möglichkeit des ganz großen linksradikalen Auftritts in der Schnöselschule selber genommen. Das ist jetzt die Strafe.)

Und ja. Es ist doch SCHEISSEGAL wo die hinfahren. Keine Eltern, viele Freunde, Süßigkeiten und quick and dirty Zähneputzen. Mehr brauchen die nicht. Aber was weiß ich schon. Ich weiß gar nichts über Kinder.

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I feel you
Die Schule meiner Töchter hat anscheinend auch die unheilige "Tradition", in der 7. Klasse Skifahren zu müssen (auch NRW, in Spuckweite zu Düsseldorf). Bevor ich allerdings meine Ärmel auch nur halbhoch gekrempelt hatte, ließen die Klassenlehrerinnen ausrichten, dass die Kinder sich natürlich aussuchen könnten, wo sie hin wollten, falls sie sich aber für Skifahren entschieden, müssten sie leider mit anderen Lehrerinnen fahren, da sie das Skifahren als Klassenaktivität aus verschiedenen Gründen für Quatsch hielten und daher nicht zur Verfügung stünden. Chapeau!
Dann ist die Klassenfahrt allerdings aus Pandemie‐Gründen eh ins Wasser gefallen und wird auch nicht nachgeholt. Keine Pointe.

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Ich möchte an diese Schule wechseln und diese Klassenlehrerin haben. Wobei unsere auch super ist. Die Schule vielleicht nicht so.

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In der 7. Klasse (eventuell auch 6. Klasse) waren wir (Schule in Köln) im Ruderlager am Baldeneysee in Essen. Das kommt mir auch rückblickend adäquat vor und man musste auch nix an Ausrüstung kaufen. Überraschend stellte sich raus, dass ich als Sportmuffel Rudern gut fand (aber nur allein im Boot), aber ich habe ja sowieso ein Vorliebe für alles, was mit Wasser zu tun hat, da werde ich sogar sportlich, im Inneren meines Herzens ein Labrador quasi.

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Sogar sehr adäquat! Rudern hätte ich auch toll gefunden. Ich habe leider zeitlebens, in Grundschule und Gymnasium, jede einzelne Klassenfahrt in einer Jugendherberge in der Eifel verbracht. Aber ganz ehrlich. Wenn so ein 12Jähriger mal so richtig die Welt sehen möchte, fährt er hoffentlich mit den Eltern mal schön weg. Zum Rumhängen mit den anderen 12Jährigen kann man sehr gut rudern (nach 30 Minuten Busfahrt), dann ist man abends auch müde.

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Niedeggen.....ich könnte passendes Bildmaterial liefern. Und bitte bei der Wahrheit bleiben- wir waren in der 12. In frankfurt.....

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Wenn ich zusammenzähle erinnere mich an zwei Mal Essen (Baldeneysee und Kettwig), einmal Trier, einmal Olpe, Grundschule war irgendwas Richtung Eifel glaub ich, aber auf jeden Fall auch in überschaubarem Abstand. 12. Klasse ging dann in die Toskana, das war ja aber als Abschlussfahrt durchaus üblich. Es gab in der Schule in Köln auch eine Klassenfahrt zum Skifahren, die war dann aber später, ich hab ja während der 8. Klasse die Schule gewechselt.

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@sabby: Das Bildmaterial hast du von mir zum 30. Geburtstag bekommen. Und ja, Frankfurt, mit dem Bio LK, das hatte ich verdrängt, richtig. Aber komm. Ich denke nicht, dass das 1.600 Mark gekostet hat ;-)

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(In Frankfurt waren wir erst im Senckenbergmuseum und dann im Sexshop. Jetzt ist es raus!)

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Unfassbar. Wie sehr sich Eltern (und deren Kinder) schämen müssen, die nicht annähernd die finanziellen Möglichkeiten zur Teilhabe haben.

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Ich finde das ganz furchtbar, und ich hasse alle dafür, dass Leute, insbesondere Kinder, überhaupt in die Lage gebracht werden, überlegen zu müssen, wie sie das bezahlen sollen. Das ist an unserer Schule eher der Ausnahmefall, ja, das ist mir bewusst, und dennoch. Das darf nicht sein. Ich würde übrigens ja jede Diskussion über "dafür gibt es ja eine städtische Förderung" sofort wegmoderieren mit: ICH WILL JA WOHL HOFFEN, DASS DAS GELD FÜR IRGENDWAS SINNVOLLERES AUSGEGEBEN WIRD.

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Ich habe die Tage in einer Werbeanzeige gelesen, welche beruflichen und sozialen Vorteile die Anmeldung eines Kindes in einem Adelsinternat bringt. Das wird kaum teurer sein.

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Ich bin darüber natürlich bestens informiert, habe mich aber für den Moment noch dagegen entschieden. Erst einmal verkaufe ich ein paar Militaria, dann Klassenfahrt, dann sehen wir weiter.

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Klassenfahrten für hohen Blutdruck
Ja den Irsinn gibt es hier in Bayern auch. In 4 Wochen geht es los, wenn einige Leute nicht ihre Latten zurecht gerückt bekommen. Wir machen jetzt ganz schnell noch eine Klassenfahrt mit knapp noch nicht 12-jährigen, natürlich ungeimpft während einer Pandemie. Die könnten ja sonst in ca 6 Monaten durchgeimpft sein. Wer will das schon? Ist aus sozialen und pädagogischen Gründen wichtig. Ja, die freuen sich dann auf anschließende Quarantäne und kranke Freunde. Da haben wir alle nur darauf gewartet die letzten Monate als wir unsere sozialen Kontakte auf ein Minimum runtergefahren haben ? und immer noch trotz Impfung (also beim Ü12 Rest). Aber zum Glück ist die Klassenfahrt im letzten Schuljahr ausgefallen und alle die schon bezahlt hatten, haben tatsächlich 60% des Betrags zurückbekommen. Es gab zwar keine Aufschlüsselung wieso, weshalb und warum 40% einbehalten wurden und so ganz ist nicht klar, ob das bei allen Familien so ist. Aber da soll man eben die ehemalige Klassenleitung fragen. Keine Ahnung wo diese sich jetzt befindet, aber die hat ja auch nicht die Einbehaltung des Geldes veranlasst ? Interessant wird es auch wie Eltern, die kein Geld überwiesen haben, dazu gebracht werden sollen, sich an den Stornokosten zu beteiligen ? Sie sehen es gibt überall leider komplett unfähige, ignorante und lernresistente Menschen im Bildungssystem! Lassen Sie uns testen, ob das geändert werden kann mit einer neuen Regierung! Und nein der Vorschlag bitte auf die Klassenfahrt zu verzichten ist bei noch nicht ganz 12-jährigen nicht zielführend. Also doch führt zu ganz viel Tränen. Haben wir kurz mal probiert! Ach, als in meiner Schulzeit vor XX Jahren eine Skiklassenfahrt anstand, habe ich verzichtet. Aber ich mochte und mag keinen Schnee und Skifahren mochte ich auch nie! Daher war auch für mich klar, dass ich diese Unkosten meinen Arbeitereltern nicht zumuten wollte. Der Verzicht war aber einfach, also eigentlich keiner, weil selbstgewollt und durch eine einmalige großzügige Aufstockung des Taschengelds versüßt. Außerdem, war ich mindestens 14, daher konnte ich gewisse Dinge ganz gut einordnen!

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Jonathan wird nicht zuhause bleiben wollen, weil er nicht auf seine Mutter kommt und ein sehr geselliger Mensch ist, und dann werde ich ihm da auch nicht im Weg stehen. Bei den 60% Erstattung habe ich direkt Schnappatmung gekriegt. Um sich da freizukaufen vermutlich in unserem Anschreiben der Hinweis, bitte auf eigene Kosten eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen. Ich lach mich kaputt. Wenn wir jetzt - rein theoretisch - in einer volatilen Situation wären, Pandemie oder so, man wäre ja verrückt, wenn man das Geld zahlen würde. (Bin verrückt, aber das wussten eh alle. Bin nämlich auch liebende Mutter.)

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Ja, wir sind auch so verrückt, weil Eltern und weil es die finanzielle Situation zulässt. Daher haben wir diesmal auch wieder bezahlt. Aber scheinbar ist diesmal die Stornosituation anders (trotzdem für mich nicht schlüssig). Ist aber auch egal, denn wie soll man einem Kind diese Situation, die sich mit einer Pandemie ergibt, erklären, wenn es studiertes Schulpersonal nicht zu verstehen scheint? Also Augen, Ohren, Mund zu und durch! Alles andere führt zu massivem Energie- und Zeitverlust bei solchen Menschen! Auch schon mehrfach getestet!

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Ja.

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Hessen auch?
Es ist hier ähnlich wie von Ihnen geschildert, wenn auch präpandemisch.
Besonders krass fand ich, dass es bei den Hüttenaufenthalten dann eine 2-Klassen-Gesellschaft gab: Kinder mit üppigen Taschengeld und der Möglichkeit dort Mittagessen zu essen und die, die mit dem mageren Lunch-Paket auskommen mussten.
Verstehe die ganzen Veranstaltungen in diesem Ausmaß auch nicht.

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Irre! Mein Kind ist übrigens mit Stockbrot am allerglücklichsten.

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same, nur 8. Klasse, sie fahren ja 'nur' nach Österreich. Das Rudern im Sport auf der Ruhr entfiel letztes Jahr aus Gründen, leider hat dieselbe Ruhr im Sommer den Schulkeller mit Equipment volllaufen lassen, Rudern kann also auch nicht nachgeholt werden.
Im Schulbrief zum Schuljahresbeginn 2020 wurde darauf hingewiesen, dass die anteilige Rückzahlung der Schulfahrtkosten AUS KULANZ in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Ich hatte damals schon Puls. Und wo Sie gerade sagen Zwillinge. Ja, wir haben ein Sparkonto, auch um für die Kinder eine Relation herzustellen. Elternabend ist am Montag, ich werde wenn möglich twittern. Wir haben nämlich zusätzlich noch eine ipadsituation.

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🤯

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Ich hab noch nicht mal Kinder, ABER DANN SOLLEN DIE HALT HINKRIEGEN, DASS SIE ORDENTLICHE STORNOMÖGLICHKEITEN EINPLANEN BEI DER BUCHUNG, ALTER FALTER! Rückzahlung nicht mehr möglich, HACKT'S BEI DENEN ODER WAS?

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Ich gehöre zu denen, die damals (80er Jahre, NRW) mehrmals nicht mit auf Klassenfahrt konnten, weil die Eltern Skifahren, Irland oder Moskau zu teuer für eine Klassenfahrt fanden. Die Eltern hätten die Fahrten bezahlen können (gerade so), wollten sich aber durchsetzen. Habe die Woche jeweils am Unterricht der Klasse darunter teilnehmen müssen. Das war schlimm. Andere wurden von ihren Eltern einen Tag vor der Fahrt krankgemeldet. Ich hätte mir wirklich sehr gewünscht, dass es unter den Eltern eine Solidarität gegeben hätte. Heute kenne ich Schulklassen, die das Geld für Fahrten (und für die Abifeier, diesen Mega-Irrsinn) zusammen erwirtschaften (Flomarktstände, Basar, Eintritt Theateraufführungen etc.) und nur das ausgeben, was in der gemeinsamen Kasse ist. Gute Idee.

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Ja, da hab ich jetzt mehrere Beispiele gesehen, und ich finde das super. Es darf nicht sein, dass Familien so viel aufbringen müssen, und ich glaube sofort, dass nicht Mitfahren auch kein Zuckerschlecken war. Ich spitze den Mann mal an, das beim nächsten Elternabend, sollte der Urlaub in der Südsee geplant werden, vorzuschlagen. Bei der Summe können die Kinder doch sehr gut etwas beisteuern. Ich backe sogar lasse meine Mutter sogar einen Kuchen backen. Kirschstreusel. Der geht weg wie nix!

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