Mittwoch, 16. Februar 2022
Storm
So, jetzt ist also Sturm. Im Moment ist erst mal Regen, aber Schule ist schon mal abgesagt, und das finde ich faszinierend, denn ich hätte ja erst mal erwartet, dass der Sturm vom Distanzunterricht nicht abhalten würde, aber auf die Idee ist die Schule scheinbar nicht gekommen. Mir ist das egal, mein Kind kommt gut klar, auch vollkommen ohne ein Arbeitsblatt, aber in der Sache ist es einfach faszinierend, dass nach 24 Monaten Pandemie nicht nur immer noch keine Luftfilter angeschlossen sind - wir hatten ja in Düsseldorf das interessante Phänomen, dass Luftfilter zwar beschafft und geliefert wurden, dann aber nicht angeschlossen, solange das Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen ist, und ich bin nicht auf dem neuesten Stand, das letzte Mal hatte ich mich 12 Monate nach der Lieferung darüber informiert, da waren die Geräte noch nicht angeschlossen und jetzt habe ich das Interesse verloren, geht ja um nix, was soll's - nein, nach 24 Monaten Pandemie und der Dauersituation, dass Distanzunterricht ja kontinuierlich für die infizierten Kinder angeboten werden muss, letzte Woche waren das über 80, wie ich einer Schulmail entnahm, kommt immer noch niemand auf den Gedanken, dass Schule nicht gleich Präsenz ist, und dass es theoretisch denkbar wäre, die Kinder zu schützen, zum Beispiel vor umfallenden Bäumen, und gleichzeitig irgendeinen schulischen Mehrwert zu bieten. Videounterricht, ein schickes PDF Arbeitsblatt, die Aufgabe, eine ganz gefährliche Turnübung im Wohnzimmer zu lernen, you name it, die Möglichkeiten sind grenzenlos. Ich zum Beispiel hätte es schön gefunden, wenn man irgendeine interessante Aufgabe mit auf den Weg gegeben hätte. Irgendwas zum Knobeln. Vielleicht eine kleine Recherchearbeit. Das können die ja schon, sind ja nicht mehr klein. Aber nein. Morgen wird mein Kind mit dem Nachbarskind Lego spielen, was bauen, und das würde sein Großvater super finden, irgendwer muss ja die Firma weiterführen, und früh übt sich.

... link (11 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 6. Februar 2022
The Good Fight
In mir steckt eine Eislaufmutti, das war mir still und heimlich immer klar, aber heute habe ich alles gegeben, inklusive Beckerfaust.

Mein Kind spielt ja - wie einst seine Mutter - Handball, und das auch mit großer Begeisterung. Durch seine körperliche Disposition, also stark beschleunigtes Längenwachstum seit der Geburt, überragt er seit 6 Jahren immer alle auf dem Feld, und er hat zudem sehr viel Kraft und einen überzeugenden Wurf, insgesamt eine ganz glückliche Kombination für diesen Sport. Trotz seiner meist deutlichen körperlichen Überlegenheit ist er jedoch, eventuell anders als seine Mutter einst, Zweikämpfen eher abgeneigt und präsentiert sich auf dem Feld eher höflich zurückhaltend. Da möchte ich den gegnerischen Mannschaften sagen: Glück gehabt.

Ich kann mich nicht genau erinnern, wie das in meiner Kindheit geregelt war mit den Altersklassen, ich weiß nur, dass ich von 6 bis 18 mit immer den gleichen Mädchen in einer Mannschaft gespielt habe, und das waren 76er und 77er Jahrgänge. Da es eine Dorfmannschaft war, gab es unter oder über uns aber auch nicht so sehr viel, vielleicht sind wir einfach aus der Not immer zusammengeblieben. Bei Ona ist es so, dass jede Saison die Mannschaft anders zusammengesetzt ist, immer im Wechsel. Er begann in der F Jugend, dann ging im zweiten Jahr der Jahrgang drüber in die E Jugend, sein Jahrgang spielte noch ein Jahr F, dann ging er in die E-Jugend, spielte ein Jahr mit den ein Jahr älteren, dann gingen die im Jahr drauf in die D Jugend, dafür kamen neue aus der F Jugend hoch, usw. Es gibt seit der E Jugend immer 1. und 2. Mannschaft, er begann in der E2, spielte dann im 2. Jahr E1 und D2, spielte dann letztes Jahr nur D1 und dieses Jahr widerwillig D1 und C2. Die Idee hatte sein Trainer damals, der zu dem Zeitpunkt E1 und D2 trainierte, und Ona wollte lieber nicht irgendein uncooles Musikinstrument spielen und verhandelte mit uns, dass er einfach doppelt so viel Handball spielt und dafür gar kein Musikinstrument lernen muss. Wenn man sowas schon verhandelt, muss man vielleicht als Eltern loslassen und zustimmen, seine Motivation sah ein Instrument nicht vor.

Der Unterschied zwischen E und D war für ihn im Kopf schon eine Herausforderung, denn heute gibt es, im Gegensatz zu früher, die Besonderheit, dass die Regeln für F und E Jugend andere sind, als für alles darüber. Und im Nachhinhein betrachtet, ist das tatsächlich eine Verbesserung. So dürfen die Kinder nämlich nicht dribbeln. Da man im Handball aber auch nicht mit dem Ball in der Hand mehr als drei Schritte laufen darf, ohne zu prellen, waren die Kleinen gezwungen, sich permanent den Ball zuzuspielen, um über die Länge des Feldes laufen zu können. In einem Alter, in dem sowohl Werfen als auch Fangen reine Zufallsprodukte sind, ist das für Eltern auf der Tribüne eine große Übung in Geduld, ich sage ja immer: Handball ist das Geige unter den Ballsportarten. Irgendwann sind sie dann aber in der D angekommen, können alle werfen und fangen, dürfen mit dem Ball auch einfach alleine über das Feld laufen, weil sie dribbeln können, und dann werden Menschen auf der Tribüne für vier Jahre Durchhalten belohnt.

In dem Jahr, in dem Ona E1 und D2 spielte, musste er also bei jedem Spiel umdenken, er darf dribbeln, er darf nicht dribbeln, er darf dribbeln, darf ich dribbeln? Oh, Schiri pfeift, stimmt. Darf nicht dribbeln. Das war dann irgendwann zum Glück vorbei, letzte Saison spielte er nur D1, und dieses Jahr ist halt wieder das zweite Jahr, da wurde er wieder gebeten, bei der C2 mitzuspielen. Ein Vorteil, den er nämlich bietet, ist, dass er bis neulich auch in der Altersgruppe drüber meist noch der Längste auf dem Feld war. Aber, ups, das ist jetzt wohl durch. In seiner "echten" Mannschaft, der D, sind inzwischen zwei zu ihm aufgeschlossen, in der C2, die fast ausschließlich aus dem jüngeren der beiden C Jahrgänge besteht, ist ein Kind, das fast einen Kopf größer ist als er.

Gestern spielte er mit der D, und zwar gegen den Tabellenführer, und sie haben souverän gewonnen. Die Mannschaft ist ein Garant für Spannung, sie sind abwechselnd Angstgegner und, ich formuliere es wertschätzend, weniger Angstgegner, seit drei Wochen sind sie wieder Angstgegner, was eventuell auch daran liegt, dass sie nach langer Durststrecke wieder einen festen Trainer haben. Das Spiel war jedenfalls sehr schön, er hat 5 von 15 Toren geworfen und eine gelbe Karte wegen Pubertät bekommen. (Um Nachfragen vorab zu beantworten: Er hatte sich über sich selber geärgert, weil er vorm Wurf abgepfiffen wurde und der Gegner kriegte einen Freiwurf, und dann war er etwas ungestüm und prellte den Ball so feste, dass er wegsprang, was unsportlich ist und Gelb gibt).

Heute sollte er noch C2 spielen, was er nicht wollte, denn: Gegner wieder Tabellenführer, aber halt von der C, also von den ganz ganz Großen. Nun gut, das Ding mit Mannschaftssport ist halt, dass man die anderen nicht hängenlassen kann, also moderierte ich alle Sorgen gewissenhaft weg, das sind vielleicht nicht alles nur 2007er, kein Ding, er sollte einfach alles geben, er ist ja auch sehr groß, und nein, es wird ihn niemand umrennen, blabla. Also saß ich auf der Tribüne, und als der Gegner zum Aufwärmen in die Halle kam, rang ich den Impuls, runter zu rennen und mein Kind zu retten, erfolgreich weg, faltete die Hände und ging an diesen inneren Ort, wo Zuversicht und Ruhe dominieren.

Die Gegner waren riesig. Und breit. Und schnell. Und warfen wie Erwachsene. Nichts an denen sah aus wie eine Kinderhandballmannschaft, die sich warm macht. Mein Kind machte sich mit seiner Mannschaft warm, sie guckten immer wieder verstohlen auf die andere Hälfte, und ich fühlte mich stark erinnert an Asterix gegen eine riesige Truppe von Legionären. So sah das von oben aus.

Ich kürze ab. Der Verein macht seit einem Jahr mannschaftsübergreifend zweimal die Woche Torwarttraining, und unser Torwart hat in den 50 Minuten Heldenstatus erreicht. Ich hätte fast Kleidung aufs Feld geworfen, als er (und er ist wirklich keine Kante) erst einen WIRKLICH schnellen Tempogegenstoß eines 1,90m großen Kleiderschranks hielt, dann den ersten Nachwurf, dann den zweiten Nachwurf, und dann hielt er sogar noch den Ball nach dem zweiten fest, und mehr kann ein Torwart an Ruhm nicht erreichen. Die anderen 6 lagen nach sehr kurzer Zeit 1:8 zurück und wurden dann böse entschlossen. Das Problem ist ja, dass ein Kind, das 1,50 groß ist und 50 Kilo wiegt, ein Kind, das 1,85 ist und 85 Kilo wiegt, nicht so einfach mal zur Seite schieben kann. Andersrum kann das große Kind das kleine Kind zur Not einfach kurz wegtragen. Ein Dilemma. Aber sie bissen sich fest und haben zumindest geschafft, so viel Chaos auf dem Feld zu verursachen, dass der Gegner sehr verwirrt war, und zack, haben sie zwar folgerichtig verloren, aber mit 14:24, und das war mehr als großartig. Das Kind der hier schreibenden Eislaufmutti hat sogar ein Tor geworfen, was eine tatsächlich ganz großartige Leistung war, weshalb ich aufsprang, die Arme hochriss und jubelte, und dann machte ich noch eine Beckerfaust. Nachher hörte ich aus dem Kindermund, dass das voll peinlich gewesen sei. Zuhause gab es eine Dusche, ein Kühli für den Ellenbogen, der gestern schon nur noch ein bisschen Haut hatte, der Rest blieb heute auf dem Hallenboden kleben, was aber in der Situation nicht weh tat, weil er nach dem Wurf zu seinem fulminanten Tor noch 5 Meter durch den Kreis rutschte, aber das war in der Situation nachrangig.

Was wollte ich eigentlich sagen? Wenn Sie sich gefragt haben, wann der Übergang von Kind zu Mann eigentlich genau stattfindet, kann ich nach der heutigen Beobachtung sagen: Zwischen dem ersten und dem zweiten Jahr in der C Jugend.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 19. November 2021
Ooops I did it (first time)
Huch.

Jetzt habe ich doch glatt meine eigentliche Lieblingsministerin, Landesschulministerin Yvonne Gebauer, angezeigt. Ist mir so rausgerutscht, aber ich habe in den letzten 21 Monaten (ja, ich langweile mich selber auch damit, deal with it) für mich entschlossen, Wut dosiert rauszulassen, und da war heute doch ein guter Outlet Tag. Manchmal trifft sie ja sogar die Richtige.

5 Kinder haben sich in den letzten 5 Wochen in Jonathans Klasse mit Corona infiziert, jede Woche eine*r, und da wir ja supererweise in NRW wohnen, gibt es keine Maskenpflicht in der Schule, yadida yadida, letzte Woche war es seine Sitznachbarin, da er geimpft ist, kam er nicht in Quarantäne, wurde aber tatsächlich mit so einem ganz normalen Infekt, wie Kinder sie im November haben, krank, blieb dann 1,5 Wochen hustend zuhause, und heute kam die WhatsApp, sein anderer Banknachbar ist symptomatisch krank. Positiv. Und dann kam noch Herr Wieler, der - und ich sage das ganz freundlich - viel früher auf den Tisch hätte hauen können, aber gut, heute hat er auf den Tisch gehauen. Und falls Sie nicht alle selber die Bundespressekonferenz schauen, möchte ich kurz einen sehr kleinen Abschnitt seiner heutigen Einlassung zitieren.

"Wir haben uns sehr häufig sehr klar dazu geäußert, dass wir möchten, dass Schüler und Schülerinnen bestmöglich geschützt sind. Wir haben hier in der BPK mehrfach gesagt: Die Wegnahme der Maskenpflicht halten wir für nicht zielführend. Es ist klar, dass es Übertragungen in Schulen gibt, wir möchten unsere Kinder schützen. Wir alle wollen, dass die Kinder geschützt sind, wir wollen auch, dass sie in die Schule gehen. Also kann man die Schulen nur aufhalten, wenn man die Kinder schützt, durch Konzepte. Es gibt S3 Leitlinien (...), die gibt es schon seit letztem Jahr. Dann müssen die eben umgesetzt werden. Die Möglichkeiten sind da, die Tests sind da, die Masken sind da, und dort, wo sie nicht konsequent umgesetzt werden, da wird eine Schulklasse natürlich früher in Quarantäne gehen und mehr Schüler und Schülerinnen infiziert werden. Und unabhängig davon: Auch wenn ganz wenig Kinder ernsthaft krank werden. Ich hab nach wie vor den Anspruch: Ich möchte nicht, dass in unserem Land Kinder zwingend schwer erkranken. Auch wenn bislang wenig Kinder verstorben sind. Ich möchte nicht, dass ein einziges Kind verstirbt an einer Infektion, die wir präventiv hätten verhindern können."

Ja. Möchte ich auch nicht. Und mein Kind ist sogar geimpft. Mein Kind ist leider auch Hochrisikokind, und trägt seine Maske brav und jeder Zeit. Aber: Ich diskutiere hier nicht. Und deshalb habe ich Frau Gebauer heute wegen vorsätzlicher Körperverletzung angezeigt. In meinem Namen, aber für die Schulkinder, die bei einer Inzidenz in der Kohorte 5-14 von 452 ohne Maske in der Schule sitzen sollen. Und ja. Ich höre den Süden und den Osten lachen.

Nachtrag: Ist ja nicht so, als wäre das nicht *extrem* niederschwellig. Mit der Anleitung von Erwin Lindemann ging es in unter 5 Minuten pro Elternteil.

... link (9 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 23. März 2021
Tests
Ich kann ja genau gleich schnell tippen, wie ich denke, die Bundespressekonferenz dauert noch 20 Minuten und ist langweilig, und ich bin wütend. Bin ich ja sehr oft, aber es gibt ja auch immer ausreichend viele Gründe.

Mein heutiger Grund ist der beste aller Gründe, ich bin nämlich aus *allen* Gründen wütend. Insbesondere bin ich aber schon wieder wütend, weil ich diverse Sorten an Gefühlen nicht gerne mag, und dabei ist allen voran das Gefühl, dass ich mich nicht ausreichend um das Wohlsein und die Unversehrtheit meines Kindes kümmern kann. Niemals würde ich zu einem Elternabend in der Schule gehen, aber wenn Tod eine mögliche Folge ist, Sie wissen inzwischen Bescheid.

Mein Kind geht auf die erste Schule am Platz, und da sind viele Ärzte und schlaue und aufgeklärte Menschen in der Elternschaft, und dennoch schützt das nun gar nicht davor, dass es Kinder in Onas Klasse gibt, die sich der COVID-Testung verweigern. Einfach verweigern. Ich stehe grundsätzlich nicht unter Verdacht, Überregularisierung und Beschneidung der Freiheitsrechte besonders zu fördern, aber man muss doch priorisieren. Und wenn schon nicht priorisiert wird, muss man sich doch immerhin darauf verlassen können, dass obschon die Mehrheit der deutschen Politiker leider ihren Job nicht mehr in meinem Sinne erledigt, dass sie immerhin sich an die Abmachung halten, dass wir die Kinder in die Schule schicken müssen, damit Herr Laschet Kanzler werden kann, im Gegenzug versucht die Schule, das Risiko, dem ich mein Kind aussetzen soll, so gering wie möglich zu halten.

Wir können jetzt darüber diskutieren, warum Schulen keine Luftfilter haben. Oder sie haben Luftfilter, da der Vergabeprozess allerdings komisch war, sind sie nicht angeschlossen. Gibt es hier auch. Meistens gibt es aber nix. Desinfektionsmittel gibt es oder gibt es nicht, das ist aber auch nicht so mein Schmerz, mein Schmerz ist Atemluft. Ja, die Kinder tragen medizinische Masken, mein Kind trägt FFP2, da ich denke, das wäre im Verlauf von sechs Stunden insgesamt sinnvoller. Ich zahle die auch sehr gerne. Und dann gibt es ja das, was der ganz große Gamechanger ist. Es gibt jetzt eine Teststrategie. Die besagt, dass alle Kinder zweimal in der Woche getestet werden. Nun gibt es keine Tests, daher war das erstmal wieder abgesagt, am Freitag (!!!!!!!) wurde Jonathans Klasse jedoch einmal durchgetestet. Also die Kinder, deren Eltern der Testung nicht widersprochen haben. Die gibt es allerdings, auch in unserer Klasse.

Ich formuliere es mal sehr abgemildert.

Test am Arsch.

Wir haben hier ja eine Wette laufen. Sie sagen, dass Sie auf mein Kind aufpassen und dafür sorgen, dass das alles gut ausgeht, ich sage, dass ich brav bin und mein Kind hinschicke. Und dass ich das mitgehe, geht schon sehr gegen meine Natur. Ich passe mich selten an, insbesondere dann nicht, wenn ich denke, eine Entscheidung sei falsch. Die Schulen in dem Stadium ohne Tests und Luftfilter zu öffnen, finde ich falsch, aber auch ich wäge ab, und ich entscheide, dass es für uns besser ist, sich gegen alle Überzeugung jetzt nicht querzustellen. Ich muss da ja nicht hingehen jeden Tag. Dann will ich aber verdammt noch mal auch, dass bestmöglich auf mein Kind aufgepasst wird. Tod ist theoretisch eine mögliche Folge. Ob das für ihn selber oder für mich oder für den Vater so ist, ist ja nebensächlich. Es wäre verhinderbar. Und auch ohne Tod sind Folgeschäden nichts, wofür ich mich interessiere. Onas Achillesferse ist seine Niere, auf die passen wir auf, wie auf ein rohes Ei. Ich neige nicht zum Schwarzmalen, aber bislang habe ich die Jahre mit Kind heil umgekriegt, und das soll auch so bleiben.

Daher muss ich sowieso schon eine Faust in der Tasche machen, dass die Schulen wieder geöffnet sind. Dass ich dann keine Wahl habe, ob ich ihn schicke oder nicht, finde ich unter den gegebenen Umständen (Pandemie, exponentielles Wachstum, Mutationen, ungeeignete Politiker) schon schlimm genug. Aber dann.

Dann sind die Tests halt freiwillig. Wenn man das nicht möchte, muss man sein Kind nicht testen lassen. Und manche möchten das nicht. Ich sagte es eben schon. Weder habe ich einen pädagogischen Auftrag, noch habe ich bei aller Dünnhäutigkeit noch Ressourcen, mich darüber zu zerreiben, warum Eltern so entscheiden. Weil sie Anwälte sind und Termine haben und das Kind nicht abholen wollen, sollte es positiv sein. Weil sie den Mallorca Urlaub bereits gebucht haben und das nicht riskieren wollen. Weil sie grundsätzlich denken, dass Corona Quatsch ist. Für mich unterm Strich alles vollkommen egal, das führt nämlich vermutlich alles zum gleichen Ergebnis: Man verhält sich anders als Menschen, mit denen ich momentan länger in einem Raum sein wollen würde. Und mehr muss ich nicht wissen.

Zudem dreht die Möglichkeit, dass einzelne Kinder nicht getestet werden, das Spiel komplett um. Aus "Wir haben alles Mögliche getan, um eine Ansteckung zu verhindern" wird dann, wenn von 28 Kindern nur 23 getestet werden, "wir rapportieren regelmäßig, ob die Kinder sich infiziert haben". Dies ist ein VOLLKOMMEN anderes Spiel. Das möchte ich ungern mitspielen.

Montag morgens auf dem Schulhof alle testen und die Positiven aussortieren, bedeutet, dass ich mich darauf verlassen kann, dass mein Kind ohne potenzielle Virenschleudern in einem Raum sitzt.* Dass ich mich darauf verlassen kann, dass alle Kinder im Klassenzimmer negativ sind.

Montags morgens auf dem Schulhof 20 testen und dann mit 8 ungetesteten Kindern in den Raum setzen, ist ein anderes System. Dann ist der Test nur noch eine Belegebene, dann werde ich darüber informiert, wenn er sich angesteckt hat. Und da muss ich dann Herrn Lauterbach mal wieder zitieren: Ein Test ist keine Prophylaxe.

Ein Test ist die Belegebene, der prophylaktisch wirken kann, wenn alle getestet sind und dadurch das Risiko eingedämmt wird.

Sonst ist das alles Kacke.

Ich halte Sie auf dem Laufenden. Um Ostern gibt es ja diese tolle Ruhezeit, da werde ich dann überlegt haben, wie ich damit verfahre.



*Und nein, wir führen jetzt keine Diskussion über Falschnegative, ich habe für mich beschlossen, dass mein Leben besser ist, wenn ich mich auf die Systematik verlasse.

... link (27 Kommentare)   ... comment


Freitag, 21. August 2020
Interjektion
Ich habe mir selber eine 35-Stundenwoche verordnet, und dann darf man freitags morgens auch mal außer der Reihe bloggen, wenn die Ereignisse das hergeben. Das Thema Schule ist ja ein rutschiges Gebiet, und bevor sich alle warmlaufen (ich bleibe allerdings auch sehr an der Oberfläche, ich denke, ich habe zu Schule "in der aktuellen Situation" alles gesagt, jetzt sitze ich einfach und warte ab, was um mich herum passiert), halten wir es doch einfach zeitlebens in diesem Medium wie folgt: Wann immer ich mich despektierlich über eine bestimmte Zielgruppe äußere, egal ob implizit oder explizit, meine ich natürlich nur einen Ausschnitt, nämlich den, den ich kenne. Natürlich gibt es in jedem Set ganz hervorragende Kandidaten, zum Beispiel Sie, fühlen Sie sich bitte ganz persönlich ausgenommen. Und ja, ich weiß, dass es ganz hervorragende Lehrer und Erzieher gibt, ich kenne sogar welche persönlich.

Gestern Abend hat die Schule ihre neu erworbenen Kompetenzen getestet: Mail schreiben wie normale Leute, also mit Text in der Mail, nicht leer mit angehängtem Word Dokument. In dem Textkörper wurde die Frage gestellt, ob Eltern Lust hätten, sich zu engagieren und bei dem Testen via Rachenabstrich zu helfen. Ich möchte das auch 12 Stunden später einfach unkommentiert stehenlassen. Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich mich im Rahmen der Ausbildung meines Sohnes noch nie für irgendwas engagiert habe. Ich habe an dem kollektiven Osterhasenbacken nicht teilgenommen, da war ich beruflich eingespannt. In der Grundschule gab es die schöne Tradition, dass die Eltern einmal im Monat die Klassenräume inklusive allem, was man sich vorstellen kann, putzen kamen. Ich habe mich ein paarmal weggeduckt und irgendwann der Klassenlehrerin einen freundlichen Brief geschrieben, dass ich das leider zeitlich wirklich nicht abbilden könne, 12 Urlaubstage im Jahr zu nehmen, um in der Schule meines Kindes die Fenster zu putzen, ich könnte mich aber sehr gerne als Sponsor für einen professionellen Fensterputzer anbieten. Das habe ich netter formuliert, und seitdem wurden die Fenster in Onas Grundschule auf meine Kosten gereinigt. Auch das lasse ich mal unkommentiert stehen.

Zu dem ganzen Themenkomplex sei übrigens gesagt, dass ich ja einst aufgehört habe, über Jonathan zu schreiben, weil ich ihn nicht sinnstiftend fragen konnte, ob das okay ist. Jetzt kann ich das, und ich lasse mir Geschichten von ihm autorisieren, so auch diese hier. (Die Verhandlung war hart, sollte doch ein Instagramprofil verlinkt werden, um die lang ersehnte Karriere als Influencer doch noch Wirklichkeit werden zu lassen. Ich habe mich dagegen entschieden.)

Kommen wir zurück zur Schule, genauer gesagt zur Grundschule. Dort habe ich mit meinem Mann folgendes System festgelegt: Ich gehe nicht zu schulischen Veranstaltungen, und zwar genau so lange nicht, bis ich ein Anschreiben von der Lehrerin bekomme, in dem Grammatik, Interpunktion und Orthographie tipptopp ist. Ich wähnte mich (zurecht) für die Dauer der gesamten Grundschulzeit in Sicherheit, und mit Perlen wie Kenntniß und Packet hatte der Mann keine gute Verhandlungsgrundlage.

Einmal musste ich wirklich hin, das konnte ich mir nur schlecht verkneifen, da ich die (wie gestern erwähnt) aktiv-aggressive Rolle gut spiele, mein Mann jedoch Großmeister in passiv-aggressiv ist, was man ja nicht brauchen kann. Und das kam so.

Der Sommerurlaub, als Jonathan 8 war, ging wie eigentlich immer außer "in der aktuellen Situation" mit dem Auto nach Spanien, Fliegen ist aus Umweltgründen ja nicht so sinnvoll. Das dauert lange, deshalb braucht man ein Hörbuch, und da man das Kind endlich groß genug hatte, nicht mehr ausschließlich und immer das Lied mit dem Hähnchen zu hören, fiel die Wahl auf die Känguru Chroniken von Marc-Uwe Kling. Jonathan hat sich sehr schnell alle (teils nicht mehr so weltliteraturartigen) Känguru Teile zueigen gemacht und fand sich grundsätzlich in der Gedankenwelt des kommunistischen Kängurus gut zurecht.

Eines Tages kam er freitags von der Schule und erzählte, er habe heute eine Demo veranstaltet. Auf meine Frage, wogegen denn demonstriert worden wäre, antwortete er "Hitler", ich nahm meinen Terminkalender und strich schon mal alle unwichtigen Termine, um Zeit für das Lehrergespräch zu schaffen. Montags fand ich dann in seiner Postmappe die Einladung zu einem Gesprächstermin, allerdings nicht von der Lehrerin, sondern von der Leiterin der OGS. Wobei das eigentlich keinen Unterschied macht. Ich ließ mir die Situation noch einmal genau erklären ("In der großen Pause bin ich auf den Schulhof gegangen und habe zum Spaß gerufen DE-MO DE-MO, dann sind ein paar Kinder hinterher, dann sind alle 120 hinterher, und dann hat eine Erzieherin gefragt, wogegen wir denn demonstrieren, und dann hab ich überlegt, was das schlechteste ist, was ich kenne, und dann hab ich Hitler gesagt.") und nahm gemeinsam mit meinem Mann den Termin wahr, um bestmöglich beide Eltern zu verbrennen.

Ich kürze an dieser Stelle ab, da das Gespräch auch in Minute 3 bereits so entgleiste, dass mein Kopf aus Selbstschutzgründen das meiste nicht mehr weiß. Es begann mit der Problemstellung, das Kind spreche nicht altersangemessen (zitiertes Beispiel: anderes Kind "Das ist mein Auto!" - Ona: "Meins, deins, das sind doch alles bürgerliche Kategorien."), was ich als Zitat aus einem Stück Literatur enttarnte, die Fragestellung, wie denn genau ein Achtjähriger zu sprechen habe, um altersangemessen zu sein, fände ich jedoch sehr interessant, gefolgt von meinem von langer Hand vorbereiteten Satz "Das nächste Mal bestellen Sie mich doch bitte erst dann ein, wenn mein Sohn FÜR Hitler demonstriert", gefolgt von einem hart unter der Gürtellinie platzierten "Leider ist ihr Sohn ja nur ein Einzelkind", gefolgt von Gesprächsabbruch durch Aufstehen und Gehen. Mich persönlich hat das nicht getroffen. Das Einzelkind hat einen Hund, der mehr wiegt als die allermeisten 11Jährigen, wir kommen klar. Aber man muss auch wissen, wann ein Gespräch beendet ist. (Wir haben die Übermittagsbetreuung dann privat geregelt.)

Sie sehen: Ich engagiere mich nicht in der Schule. Ich putze nicht, ich backe nicht, ich diskutiere nicht, ich möchte kein Amt (anders als mein Mann, der sammelt alles ein, was er an Aufgaben finden kann, das Universum ist also wieder im Gleichgewicht) und ganz, ganz bestimmt mache ich keinen Rachenabstrich.

... link (8 Kommentare)   ... comment


Montag, 8. Juni 2020
Ich möchte mit Ihnen über Schule sprechen
So, das könnte etwas länger werden, ist aber okay, wenn man nur alle zwei Jahre was schreibt, gilt keine Längenbegrenzung. Vielleicht erinnern Sie sich noch an uns, Mutter Vater Kind, Kind ist inzwischen 11, spielt Handball wie ein Irrer und hat ne 1 in Latein. Zur groben Einordnung. Seinen Start am Gymnasium hat er sehr gut hingekriegt, so gut, dass wir uns nicht sicher waren, ob das in der Form gut ist, da er bis heute keine Arbeit schlechter als 1 geschrieben hat und sich vielleicht sehr unter Druck setzt, vielleicht aber auch nicht, das haben wir noch nicht fertig diskutiert. Andererseits vertraue ich fest darauf, dass er früher oder später seiner faulen Ader, die er sicherlich von beiden Elternseiten mitgekriegt hat, ein wenig mehr Raum geben wird, und dann wird alles sehr gut und sehr normal werden. Immerhin ist bereits jetzt Coolness in Frisur, Sprache und Körperhaltung in der Wichtigkeitshierarchie mit der schulischen und sportlichen Leistung auf einer Ebene. Da hatte ich ja die Hoffnung, noch etwas mehr Zeit zu haben, aber nun gut. Bis Enter Corona alles sehr im Lot.

Als am 16.03. die Schulen in NRW geschlossen wurden, war die Freude erst einmal groß. Also seine. Und ja, ich weiß, dass jede einzelne Familie unterschiedlich ist, dass jede einzelne Familie mit anderen Dingen zu kämpfen hat, und dass Corona übrigens auch für Menschen ohne Familie eine große Belastung darstellt. Das alles ist mir total klar. Meine Familie ist überhaupt kein Abbild der Gesellschaft, und deshalb kann ich es auch einfach so sagen: Für uns ist die Situation total okay. Wir haben die Zeit bis hierher sehr gut umgekriegt, und wir sind uns total darüber im Klaren, dass wir an vielen Stellen privilegiert sind. Wir wohnen sehr großzügig und haben eigene Wohneinheiten für jeden, der hier wohnt, können uns also im Dreierhomeoffice so aus dem Weg gehen, dass man sich gar nicht sehen würde, wenn man nicht muss. Natürlich sehen wir uns doch, zum Beispiel im Garten, wo ein Handballtor aufgebaut wurde, man hysterisch begonnen hat zu gärtnern, wir machen wieder Gemüse für LOHAs, haben Hund und Katze, die uns beschäftigen, und kommen einfach sehr gut klar. Ich sehe viele Familien, wo es deutlich anstrengender ist, und das tut mir aufrichtig leid. Hier ist aber nahezu alles entspannt.

Schule war von Beginn an etwas, was mich sehr erstaunt hat. Es passierte nämlich exakt gar nix. Tagelang. Keine Kontaktaufnahme auf keinem Kanal, die Meldungen vom Ministerium lösten bei unserem volldigitalisierten Rektor immer eine Mail an die Eltern aus, die standardmäßig so aussieht: Brief in Word getippt (kein Briefbogen), dann offenes Word an Mail angehängt. Damit ist aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Gespräch über digitale Lernformen auf Augenhöhe führen, schon recht gering.

Dann begannen einzelne Lehrer, den Eltern Arbeitsblätter zu mailen, die dann ausgedruckt und bearbeitet werden sollten und abschließend in einen Ordner geheftet wurden. Kontrolle und Feedback, sobald die Schulen wieder Regelunterricht haben. Das hat genau eine Woche gut funktioniert, danach begann Jonathan, den Sinn anzuzweifeln. Wenn sich das doch eh keiner anschaut, muss er es ja auch nicht machen. Er wisse ja auch gar nicht, ob das richtig ist, was er sich dazu denkt, und was soll ich sagen? Weiß ich auch nicht. Also fasste ich folgenden Entschluss: Ich muss wählen zwischen "mach das einfach so, wie du möchtest" und "wir haben jetzt jeden Tag ganz viel Streit, wobei ich noch nicht einmal wirklich verargumentieren kann, warum du das machen sollst, ich finde das nämlich Quatsch", also haben wir gemeinsam beschlossen, dass er nix macht, es sei denn, er möchte was machen.

Parallel suchte er sich übrigens Dinge, die er tut. Zum großen Leid des Hundekinds joggt er jetzt sehr ausführlich, noch nie war der Hund so durchtrainiert. Er hat unzählige Gartenprojekte, hat eine Rezeptsammlung alkoholfreier Cocktails geschrieben (jawohl, ich unterstütze das, Sekt draufkippen kann ich ja immer nachholen), und hat gut verstanden, dass der, der 0 statt 10 Stunden arbeitet, vermutlich auch der ist, der die Waschmaschine anwirft und die Spülmaschine ausräumt. Ich kann übrigens nur sagen: Da wächst eine sehr patente Generation heran, die das alles von die Pike auf lernen durfte. Machen Sie was draus!

Ich kürze etwas ab, um die Wochen nicht in Echtzeit nachzuerzählen. Nach den Osterferien kam eine neue Lernplattform, wo die PDF Arbeitsblätter mit Lösung jetzt hochgeladen werden. Okay. Noch nicht perfekt, aber okay. Dort werden auch die Antworten von den Kindern hochgeladen, allerdings nicht korrigiert. Kein Feedback. Lediglich die Information "bestanden". Nach wie vor kein Kontakt zu Lehrern. Nichts. Keine Videokonferenzen, kein Feedback auf bearbeitete Aufgaben, wenn Fragen gestellt werden, gibt es keine Antwort. Die Aufgaben werden vollkommen willkürlich eingestellt, letzte Woche gab es bis Donnerstag 22 Uhr gar nichts, keine einzige Aufgabe, für kein einziges Fach, und dann kommen nachts 5 lange Aufgaben, die Freitag abgegeben werden sollen.

Jonathan macht die Aufgaben inzwischen jeden Tag zu festen Zeiten mit seinem Freund gemeinsam, so es denn welche gibt. Sie stellen sich die Handys auf den Schreibtisch und gucken sich via Facetime beim Mathemachen zu. Die Mutter seines Freundes sitzt daneben und beschult sie. Sie macht das gerne und kann sich die Zeit nehmen, anders als wir, wir kriegen das beruflich nämlich nicht unter. Auch dafür sind wir sehr dankbar, denn auch wenn ich denke, dass es total egal ist, was er gerade lernt (ja, wirklich), sehe ich, dass es ihm gut tut und er sich jeden Tag darauf freut, seinen Freund zu sehen. Nach 10 Wochen bekam er übrigens die allererste Mail aus der Schule, von seiner Biolehrerin, die ihn darauf hinwies, dass das sehr wohl auffalle, wenn J. und er dieselben Fehler abgeben würden. Daraufhin musste ich mich erstmals in meinem Leben in Schuldinge einmischen, und zwar in Form einer sehr deutlichen Mail an die Lehrerin. 10 Wochen lang gibt es überhaupt keine Interaktion mit den Schülern, und wenn die sich dann alleine zu helfen wissen und einen Weg finden, für sich mit der Situation umzugehen, wird das noch für schlecht befunden. Und jetzt kommt ein Satz, den ich inzwischen sehr oft gesagt und geschrieben habe, und nein, der gilt nicht für alle Schulen, und nicht für alle Lehrer. Aber in unserem Fall gilt der vollumfänglich.

"Sie vermitteln kein Wissen, also werden Sie auch keins überprüfen."

Die Sportlehrerin bildet die Note dieses Halbjahres aus folgender Aufgabe: Lernt, ein Rad zu schlagen und schickt davon ein Video. Jonathan möchte das nicht, ich möchte das auch nicht. Den pädagogischen Wert sehe ich nicht. Gerne können wir die täglichen Leistungen seiner Laufapp schicken, oder die Handynummer seines Handballtrainers. Der ist übrigens auch im Lockdown zu uns in den Garten gekommen, um mit großem Abstand Kraftübungen mit Ona zu machen, damit er im Training bleibt. Ich will ja nicht sagen, dass die Sportlehrer jetzt die Kinder besuchen sollen. Aber ein Video von einem Rad? Ich denke nicht.

Die ganze Reaktanzwelle löste dann gestern die erste Mail ever der Kunstlehrerin aus, er hätte jetzt noch eine letzte Chance, ein fehlendes Bild abzugeben, denn heute würden die Noten gemacht und das Bild sei notenrelevant. Wir haben das besprochen. Mit allergrößter Sicherheit wird er keinen künstlerischen Beruf ergreifen, daher ist es für sein weiteres Leben nicht mehr relevant, ob er einen Farbverlauf mit einem Spachtel ziehen kann. Ich finde es absolut wichtig, in der Schule mitzumachen und sich zu bemühen, aber wir sind halt gar nicht in der Schule, sondern zuhause und gehen damit um, dass die Welt so ist wie sie ist. Und dann ist für mich das höchste Gut, dass er klarkommt, Dinge macht, die ihm Spaß machen und im besten Fall dennoch sinnvoll sind, und die er bewältigen kann. In dieser Familie ist niemand, der einen Farbverlauf mit einem Spachtel ziehen kann, und dann muss das leider warten, bis irgendjemand das in der Schule erklärt oder zeigt.

Und nein, es geht mir nicht um Noten. Noten sind egal. Es geht einzig und allein um Folgendes: Ich bin vollkommen zufrieden damit, wie Jonathan sein Leben in der Krise organisiert und bewältigt. Sport, Kreativität, Mathe, Latein, alles wird gemacht und abgedeckt. Alles ist fein. Ich akzeptiere allerdings nicht, dass das benotet wird. Solange kein Wissen vermittelt wird - und ein PDF Arbeitsblatt ist keine angemessene Form der Wissensvermittlung für 11Jährige, die monatelang alternativlos angewendet werden kann - wird kein Wissen abgefragt. Sehr einfach.

Darüberhinaus muss klar sein, dass es total wichtig ist, dass die Kinder Stoff, Aufgaben, Beschäftigung bekommen. Keine Frage. Das zweifle ich nicht an. Im Gegenteil. Solange das aber so niederschwellig wie in unserem Fall stattfindet, ist es aber auch nicht mehr als ein Angebot zur Beschäftigung. Dann wünsche ich mir aber auch, dass hin und wieder jemand sagt "Mensch, das hast du toll gemacht", und nicht "bestanden".

Ich hätte noch etwa 1000 Sachen zu sagen, vielleicht bricht sich das noch Bahn, vielleicht nicht. Als kleine Abschlussanekdote sei gesagt, dass die letzte Schulmail wieder einmal ankündigt, dass demnächst ein Konzept für das Lernen auf Distanz erarbeitet werden wird. In other words: Man hat noch nicht angefangen, ein Konzept für das Lernen auf Distanz zu erarbeiten. Und das nach wieviel Wochen? Soll ich das auch mal benoten?

(Disclaimer: Ich weiß, dass hier sehr viele Lehrer mitlesen, die entweder

a) einen total tollen Job machen, mit ihren Schülern im Austausch stehen, sich Gedanken über Aufgaben machen, Videounterricht anbieten und sich sogar Gedanken zu einem Konzept machen. Danke dafür. Macht weiter, eure Arbeit ist systemrelevant!

oder b) die gerne einen tollen Job machen würden, die aber von ihren Schulen/Eltern/Kollegen dazu genötigt werden, keinen Videounterricht zu machen, keine Anrufe zu tätigen, kein wasweißich... Auch die Stories gibt es. Das Schöne an unserem System ist ja, dass man sich hervorragend gegen Dinge positionieren kann. Herr Laschet zuckt die Schultern, weil Schule Sache der Kommunen ist, die gucken auf die Schulen, die Rektoren gucken auf die Lehrer, und alle zusammen gucken ratlos auf das fehlende Konzept. Und dabei gibt es auch in unserer Stadt Beispiele für 5. Klassen, die nahtlos und hervorragend Kontakt gehalten haben und die Kinder nicht unterwegs verloren haben. Auch da: Danke. Ich kenne die Gründe nicht, warum wer was nicht macht. Ich kenne ein paar krude Geschichten aus dem privaten Umfeld, aber ich will mir gar nicht anmaßen, das zu bewerten. Aber bitte: Dann bewertet uns auch nicht.

Danke.)

... link (5 Kommentare)   ... comment