Samstag, 9. Januar 2021
Pumpkin
Heute habe ich den nächsten Schritt auf der Reise hin zu einer größeren Akzeptanz der allgemeinen Situation gemacht. Ich bin zum Bäcker gegangen. Das ist an sich erst mal noch nicht so spektakulär, aber zwischen "ich brauch noch ein Vollkornbrot" und Gang zum Bäcker habe ich die gesamte große Ausgehroutine geschaltet. Duschen (gut, das ist ja eine meiner Zwangshandlungen, niemals ungeduscht das Haus verlassen), fönen, schminken (MIT Lippenstift), Strumpfhose, Kleid, Stiefel. Keine Frage, auf einer Vernissage wäre ich besser aufgehoben gewesen als beim Bäcker, aber hey. Man hat ja keine Anlässe mehr, ich kreiere mir jetzt Anlässe. Ich verlasse (ohne Hund) etwa zweimal die Woche das Haus, und bis zum Ende des Lockdowns werde ich mich jedesmal so herausputzen, als ginge ich mindestens zur Premiere des nächsten Schirach-Stücks im Schauspielhaus. Das macht mich fröhlich und wird mir die Zeit versüßen, das habe ich mir jetzt eingeredet und werde das auch exekutieren. Von Silvester stehen auch noch ein paar sehr hohe Schuhe im Flur rum, die werde ich jetzt in regelmäßigen Abständen in die Routine einbauen, um mich selbst auch zu motivieren, das Bein schnell operieren zu lassen.

In einer losen Assoziationskette wählten die Stiefel heute auch das Abendessen aus, die trug ich nämlich verstärkt in den Jahren 2007 bis 2012, wenn ich mich recht erinnere, und ab 2010 wohnte ich ja partiell bei Frau N, und in der Zeit entwickelten wir zum Leidwesen aller Sozialpartner eine Verhaltensauffälligkeit: Herbst und Winter wollten wir nichts anderes mehr kochen als Kürbislasagne. Wir hatten das Rezept bei Frau Kaltmamsell gefunden und leicht abgeändert (in der Phase fanden wir, man müsse immer Obst mit verkochen), und zwar Schnittlauch und Oregano gegen viel Birne eingetauscht, und püriert haben wir auch nicht, sondern mit dem Kartoffelstampfer gestampft, wobei ich Kartoffeln ja püriere, egal, zurück zum Thema: Ich habe über einen wirklich langen Zeitraum zusammen mit Frau N ausschließlich und täglich Kürbislasagne gekocht, zusätzlich zuhause auch noch, und irgendwann wollten die Herren N und H das nie mehr essen. Von Herrn N bekam ich sogar eine offizielle Email von einem offiziellen Emailaccount, dass er mich förmlich darum bitte, in seinem Haushalt nie mehr Kürbislasagne mit Birne zu kochen.

Sehr oft trug ich Schnürstiefel, wenn ich Kürbislasagne kochte, also lag es nahe, dass ich nach dem Bäckerbesuch noch schnell in den Supermarkt ging, Kürbis, Birnen und Gedöns kaufte, zuhause ankündigte, dass ich heute in Schnürstiefeln Kürbislasagne kochen würde, und zack, hatte ich sturmfreie Bude. Ona ist zu meiner Mutter geflüchtet, mein Mann ist auch irgendwo, wo es keine Kürbislasagne gibt, und ich sitze alleine in vollem Ausgehgear im Sessel und freue mich, dass die Kürbislasagne in 20 Minuten fertig ist und mich an präpandemische Zeiten erinnert.

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