Donnerstag, 12. November 2020
Sous la douche (Stereo Total)
Ich hätte ja getippt, dass ich mehr Badesongs kenne, ist aber nicht so, daher muss ich im Titel auf ein Duschlied ausweichen. Das ist dafür aber auch direkt absolutes Premiummaterial.

Heute war (vermutlich) der letzte Tag der Waldwoche, und ich habe die 30 Kilometer in 3 Tagen vollgekriegt. Ich schraube jetzt mein rechtes Bein ab und gucke mal, wie es sich morgen einbeinig so läuft. Die Operation Waldbaden hat aber hervorragend funktioniert, genau so hatte ich mir das vorgestellt. Ich renne jeden Tag wie eine Irre durch den Wald, nehme dabei neue, nicht oft gelaufene Routen, die dem Hund die Chance geben, das Schlammloch hinter der Ecke vor mir zu sehen und einfach schon mal probezubaden (wie Frau Brüllen so passend anmerkte: Waldbaden), nachts schlafe ich wie ein Baby und am Ende sind all meine Probleme gelöst. Jetzt habe ich eine Erinnerung an einen Ottofilm, die ist aber so vage, dass ich sie leider nicht einbauen können werde.

Jedenfalls war es nahezu so. Entscheidungen sind abgewogen, manche Gespräche werden geführt, andere werden nicht mehr geführt, aber alles in allem fühlt sich das sehr gut und richtig an. Interessanterweise habe ich während dieser 30 Kilometer gar nicht über die Themen nachgedacht, sondern ich habe mich auf meinen Hund und den Wald konzentriert. Der Rest ist entweder im Hintergrund heimlich im Arbeitsspeicher mitgelaufen (ich hatte das glaube ich schon mal erwähnt: Immer, wenn ich bei inhaltlichen Themen denke, ich würde prokrastinieren, stellt sich hinterher heraus, dass der Job eigentlich schon erledigt ist, man muss ihn nur noch aufschreiben), oder ich habe es einfach geschafft, mich wie auf dem Jakobsweg in einen Gemütszustand runterzulaufen, in dem alles einfach, leicht und gut ist. Jedenfalls ist alles wegentschieden, und ich bin mit dem Ergebnis höchstzufrieden.

Stellen Sie sich mal vor, ich hätte in den letzten 20 Jahren statt Saufen, Rauchen, Party in Fragebögen bei "Hobby" Wandern angegeben. Ich hätte die Welt retten können.

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Mittwoch, 11. November 2020
Thank you
Schon wieder drei Stunden waldgebadet. So weichgespült kann ich nicht gut bloggen, ich brauche scheinbar eine gewisse Grundaufgeregtheit, um hier gut zu performen, und ich bin derzeit so sehr damit beschäftigt, meine Grundaufgeregtheit wegzubaden, dass abends einfach nix mehr übrig ist. Wenn ich so weitermache, werde ich eventuell so ein ganz ausgeglichener Mensch, wie Frau N..

Ich arbeite mit so einer Person, und ich finde das toll. Sie arbeitet zusammen mit einer anderen Kollegin, die so misanthrop auftritt, dass ich sie heiraten würde, wenn sie androgyner wäre (eine Beobachtung, wird Frau N. ergänzen, die eigentlich auf sie zutrifft). Die Kombination zweier solcher gegensätzlicher Menschen ist ein perfektes Team, wenn sie sich mögen. Sie haben im alten Job zusammenarbeiten müssen, im neuen Job haben sie sich direkt vorbereitend zusammengesetzt. Ich beobachte das mit Begeisterung. Ich bin ja beide in einer Person, das ist beizeiten anstrengend, wenn das Umfeld sich erst mal daran gewöhnt hat, ist es nur noch für mich anstrengend.

Und so bade ich derzeit schwierige Dinge im Wald weg, stricke einen Schal, mache viel Musik und arbeite. Wenn es jetzt sehr schlecht läuft, hole ich bald die Nähmaschine aus dem Keller. Ich versuche allerdings noch, das abzuwenden. Da kann man ja nicht noch täglich bloggen. Danke.

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Dienstag, 10. November 2020
The Forest (das müssen Sie wissen, sonst sind Sie hier falsch)
Man geht ja heute Waldbaden, habe ich gehört, es ist quasi ubiquitär, und normalerweise interessiere ich mich ja für neuen heißen Scheiß, selten, um ihn mitzumachen, aber häufig, um zu wissen, an welchen Stellen ich in Smalltalk Situationen auf die imaginäre Armbanduhr gucken muss und erschrocken "ups, schon so spät" rufen.

Interessanterweise ist Waldbaden wirklich komplett an mir vorbeigegangen, und das, obwohl ich genau die Zielgruppe bin. Beruflich stark eingebunden, mehrfachbelastet, immer unter Strom, Städter. Ich hätte die Erste sein müssen, die ruft "Ja, ich gehe waldbaden, ich sauge Grün und Braun und Moos und Farn in mir auf, dann gehe ich nach Hause und mach da Marie Kondo." Das ist aber ausgeblieben, und heute morgen fiel mir erstmals auf, warum ich diese Welle verpasst habe: Ich habe ja gar keinen Mangel an Wald. Ich wohne direkt am Waldrand, dahinter ist ein riesengroßer, in weiten Teilen recht naturbelassener Wald mit allem, was meinen Hund so anspricht: Reitwege, Entengrützenteiche, eine riesige Ballspielwiese, die eigentlich ein Segelflugplatz ist, und keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt die Frauensteine, eine okkulte Hexen-Opferstelle, von der man *super* den Ball den Hang runter werfen kann, der Hund muss ihn dann unten suchen, beim 3. Mal findet er ihn nicht mehr und dann kauft man einen neuen (oder schickt Jonathan als Nachhut am nächsten Tag suchen, dessen Nase ist deutlich besser als Fienes), und an der meinem Mann einst mal rausgerutscht ist "ja, hier findste's schön, klar". Auch er kann witzig sein. Ein klitzekleiner Nachteil, der mich nervt, ist, dass es die ersten 20 Minuten konstant bergauf geht, so dass man sich den schönen Teil der Strecke erst erarbeiten kann, der Hund aber mit seinen vier Beinen und dem insgesamt sehr sportlichen Auftreten die ganze Zeit wimmert, weil ich einfach nicht so schnell den Berg raufrennen kann wie ein Labrador, der oben ballspielen möchte.

Heute musste ich beruflich sehr nachdenken, und da habe ich einfach mal bei allerbestem Wetter alle alternativen Waldrunden hintereinander abgespult. Wir kamen auf 12 Kilometer in 3 Stunden (mit Fotos, Frisbeespielen, etc.). Und ich habe mich gezwungen, mal genau hinzusehen. Pilze, Farne, Moos, sehr viel Sonne, alles da. Und viele Senioren. Und manche haben mich angesprochen, und ganz entgegen meiner Gewohnheit war ich anscheinend so waldgebadet, dass ich sogar die Ohrstöpsel rausgenommen habe und ihnen den Weg erklärt habe. Ich fand sie nett. Das macht Waldbaden mit mir.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe sehr viel Glück gehabt, dass ich als total urbaner Typ jeden Tag im Wald rumrennen kann. Und wenn ich mir das auch so im Kopf konstruiere, ist das wohl sehr gut für mich. (Fiene musste übrigens nachmittags noch 6 Kilometer mit Ona joggen. Der arme Hund.)

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