Samstag, 23. Januar 2021
Tits
Ich bin heute um halb 9 aufgestanden. Das tagelange Warten auf verschiedene Einzelschrittchen eines Kunden hat mich mehr oder weniger dejetlagt, ich kann also wieder vor dem Mittagessen aufstehen, ohne dass mein Körper denkt, er müsse sterben. Heute Abend werde ich telefonisch ausgehen, erfahrungsgemäß wird das sehr lang werden, und dann ist morgen wieder alles hinüber. Ich habe die Familie soeben darüber informiert, dass ich heute sehr schlecht gelaunt sein werde, da ich plane, meinem immer noch anhaltenden Hunger bis 17 Uhr nicht nachzugeben, seitdem sind alle verschwunden und ich habe herrliche Ruhe. Hunger, aber Ruhe. Dann kann man auch was bloggen.

Ich kann mir diesen Fressflash der letzten Tage aus mehreren Komponenten zusammengesetzt ganz gut erklären, was jedoch nicht heißt, dass ich das jetzt so weiterlaufen lassen kann. Hinterher kann ich postpandemisch nicht mehr raus, weil ich die drei Treppenstufen zum Bürgersteig nicht alleine bewältigen kann, ohne, dass meine Knochen unter dem Gewicht bersten. Ich kenne das Gefühl berstender Knochen. Ich bin kein Fan.

Also geht es heute zurück zu dem üblichen Regime, mit dem ich lange Monate gut gelebt habe, nur mit dem Unterschied, dass ich sekündlich Hunger haben werde.

Dafür werde ich heute erstmals die neue Wanderrouten App ausprobieren. Das Internet hat mir ja nahegelegt, die anzuschaffen, und wenngleich ich ja da wohne, wo der gesamte Umkreis zum Spazieren hinfährt, ist mir langsam mal nach weg. Ich sehe auch am Hund, wie sehr sie sich aufregt, wenn sie alle 4 Wochen mal was anderes sieht als den eigenen Wald. Den sie natürlich toll findet, aber sie kennt alles und jeden. Fast.

Hin und wieder treffen wir ja Menschen im Wald, und obwohl ich seit langer Zeit immer Kopfhörer mit irgendwas auf den Ohren habe, komme ich manchmal nicht daran vorbei, mit Anderen zu sprechen. Frau N hatte das ja mal beschrieben, ich habe einen leicht einschüchternden Basisblick (oder vielleicht ist es etwas, das über mir hängt, so sagt sie), der dafür sorgt, dass ich nicht angesprochen werde. Das ist bewährt und gewollt, ich möchte ja auch nicht angesprochen werden, lebe damit also hervorragend. Ganz hin und wieder sind Leute so veranlagt, dass sie an der Stelle keine Antennen haben, und dann verfüge ich über zwei mögliche Reaktionen: Ich gehe einfach weiter, oder ich antworte kurz und prägnant, sodass das Gespräch automatisch nicht weitergeführt wird. (Manchmal bin ich übrigens auch sehr sehr nett. Gab es auch schon.)

Gestern lief ich einfach weiter, ich habe nicht einmal mit dem Kopf geschüttelt, als eine sehr alte Frau mit einem fuchtelnden Finger ein paar Meter hinter mir herlief und rief: "Hallo! Hallo! Ihr Hund hat meinem Hund das Stöckchen weggenommen."

Ich bin ja nie auf Spielplätze gegangen, als Jonathan klein war, da ich diese Diskussionen unter Eltern nicht zu schätzen wusste. "Ihr Sohn hat Jan-Luca sein Förmchen weggenommen", "Ihr Sohn hat Mathilda-Paula geärgert", alles nicht meine Baustelle, fand ich immer alles unangemessen anstrengend. So kamen wir irgendwann an ein Haus mit großem Garten. Als Ersatz für Spielplatzaufenthalte. Nun zeichnet sich mit den Jahren ab, dass so ein Hund auf sehr vielen Ebenen ein guter Kindersatz ist, man führt zumindest vergleichbar anstrengende Gespräche. Während man aber im Förmchenstreit mit Mathilda-Paulas Eltern nicht einfach weggehen kann, geht das natürlich sehr gut, wenn der Hund im Wald einem anderen Hund... Sie wissen schon. Auch anders als früher auf dem Spielplatz ist ja, dass mein Hund in der Regel der ist, der besser hört als der Hund der Gegenpartei, einfach, weil sie so ein Hund ist, der gut hört. Sie können den Satz im Kopf selbständig weiterführen.

Dann hatte ich gestern angekündigt, noch über Kreide zu schreiben. Ich hasse Kreide, Kreide ist schlimm, und außerdem habe ich nicht mehr viel Blogstamina für heute. Ich habe viele Jahre in Hörsälen mit Kreidetafeln unterrichtet, und da war alles schlimm. Die Hände fühlten sich furchtbar an, die Kleidung sah furchtbar aus, da ich nie die Geduld hatte, zu warten, bis irgendwas trocken ist, habe ich immer nur trocken gewischt, das führte zu Staublunge und viel, viel Kreide auf der Kleidung. Irgendwann hatte ich mal eine Freundin in einer Veranstaltung sitzen, die nach ein paar Minuten sehr eigenartige Verrenkungen machte, die ich nicht gut zu deuten wusste. Am Ende der 90 Minuten verließen alle den Hörsaal, und als wir alleine waren, sagte sie: "Du hast eine Hand auf der Titte."

Ja. Wörtlich, wir waren sprachlich nicht so elegant. Und tatsächlich, ich hatte mir wohl beim Anschreiben irgendwie so an die Brust gefasst, dass ich einen gesamten Handabdruck auf dem schwarzen Shirt hatte, ungefähr so, wie die Uruk Hai im Herrn der Ringe.

Wenn man keine Lust hat, die Geschichte aufzuschreiben, ist sie leider gar nicht lustig. Ich geh duschen. Ist ja Wochenende und ich bin bis 17 Uhr schlecht gelaunt.

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Freitag, 22. Januar 2021
Tomorrow, tomorrow, I love you tomorrow
Morgen. Dann aber in voller Inbrunst.

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Donnerstag, 21. Januar 2021
Holiday (Green Day)
Ich weiß nicht, was es ist. Depressive Verstimmung, beruflicher Stress oder irgendwas mit alt und Hormonen, aber seit ein paar Tagen muss ich ununterbrochen essen. 2020 hatte ich ein für mich gut funktionierendes System gefunden, das mich nicht unglücklich zurücklässt, sich aber gut anfühlt. Wenige Mahlzeiten (coole Leute nennen das Intervallfasten), kein Weißmehl, kein Zucker, wenig Kohlenhydrate. Kohlenhydrate eigentlich nur durch Cremant. Ich habe es problemlos von März bis Dezember komplett ohne Süßigkeiten geschafft, übrigens ohne dabei zu leiden. Den bunten Teller habe ich als liebende Mutter dem Kind überlassen, doch seit ein paar Tagen bin ich völlig außer Rand und Band. Ich würde das gerne ändern, aber dann bin ich ja noch unentspannter. Und ich bin ja schon unentspannt genug.

Heute war ein Tag, der sehr gut abbildet, wie mein Leben so ist im Moment und warum ich gerade am 21. Januar einen Leftover Stollen angeschnitten habe.

Die letzten 36 Stunden habe ich beruflich damit verbracht, meine Panik runterzuringen, da ich bis zum 10. Februar so viel operativ gearbeitet haben muss, dass mir nicht ganz klar ist, wie das funktionieren soll. Und dann setze ich mich hin, um einen Plan zu machen, da ich ja Projektmanagement kann, und dann macht aber keiner mit. Der eine Kunde hat jetzt 36 Stunden sehr enger Beratungsleistung meinerseits gebraucht, um eine Signatur unter ein Angebot zu setzen. "Bitte öffnen Sie das Dokument in "Vorschau". Jetzt Anmerken. Dann Signatur. Nein, das kann nicht grau sein." Interessanterweise ist das Kundenunternehmen ein viel erstzunehmenderes Unternehmen als meins, und mir ist nicht so klar, wie man als Geschäftsführer eines Unternehmens 11 Monate Pandemie hinter sich bringen kann, ohne jemals etwas digital unterschrieben zu haben. Ich habe 10000 Dinge unterschrieben seit März. Der Kunde scheinbar nicht (würde er natürlich nicht zugeben, 'komisch, sonst klappt das ja immer'), war jedenfalls 36 Stunden Arbeit. Letztendlich habe ich unterschrieben.

Der andere Kunde, wo am 10.02. eine Deadline droht, zwischen der und heute noch unendlich viel Fußarbeit liegt, lässt mich gerade wissen, dass leider nächste Woche der Fokus komplett auf dem Homeschooling liegt, wir müssten also alles bis morgen abend klären. Das ist interessant, die Abteilung ist ja groß, mir scheint, dass, wenn jemand nächste Woche nicht arbeitet, dann eben jemand anderes arbeiten muss. Genau wie bei dem ersten Kunden wird es nämlich so sein: Kunde kriegt 36 Stunden ein Dienstleisterangebot nicht unterschrieben und ist dann sauer auf mich (die den Dienstleister steuert), wenn das Ergebnis 36 Stunden später eintrifft. Oder Kunde steht EINE WOCHE nicht für Fragen zur Verfügung, die Deadline für mich, die nicht fragen kann, bleibt aber natürlich gleich.

Seufz.

Und als wäre das nicht alles schon schlimm genug, hat sich auf irgendeinem für mich nicht nachvollziehbaren Weg eine Vanille-Duftkerze in meinen Haushalt eingezeckt. Schlimm. Ich habe mal einen ganzen Urlaub in Andalusien damit verbracht, wie so ein wirklich verrückter Mensch nach der Quelle des süßen Potpourri-Geruchs zu suchen, bis ich gegen Ende herausfand, dass unter so einer kitschigen Küchenbank, für normale Gäste unzugänglich, so ein Steckdosen-Geruchsding angebracht war. Ich zog es raus, danach war ich wieder ein Mensch.

Neuerdings habe ich ja sogar Duftkerzen, es gibt ja so Frauenzeitschriften, in denen steht, dass man sich ein Kerzchen anmachen muss, dann ist alles sofort viel besser als vorher. Die Kerzen, die ich habe und nutze, sind üblicherweise Gratisbeigaben zu irgendeinem Eau de Cologne, und das riecht dann gut. Was nicht gut riecht, ist die Duftkerze, die Jonathan irgendwo gefunden hat und die jetzt seit ein paar Tagen in seinem Zimmer steht. Nun haben wir so einen heißen, modernen open floorplan in einem wirklich alten Haus, und das heißt, dass er kurz aufs Klo geht und es drei Minuten später in der Küche nach Vanille riecht. Ich möchte schreien, das ist schlimm. Es gibt jetzt eine neue Regel, die Zimmertür bleibt zu, aber das ganze Kind riecht ja so. Zu Weihnachten hat er sich im Zuge der Plastikfrei-Umstellung Seifenstücke der Duftrichtungen Zimt, Vanille und Kokos gewünscht. Wenn man gut sucht, gibt es das alles. Ich rate dennoch davon ab. Alles hier riecht nach Zimt und Vanille, natürlich aber nur in der naturidentischen Version, und ich kann gar nicht so viel Patschuli und grünen Tee sprühen, als dass das wegginge. Ich bin heute mittag irgendwann an dem Punkt gewesen, dass ich fast ein Glas Gewürzgurken gekauft hätte, um daran zu riechen. Nur, damit ich mal wegen etwas anderem leide, etwas, das nicht Vanille ist.

Jetzt koche ich Gemüsesuppe mit Rindfleisch. Die von mir bevorzugte Suppe muss a) erst zutatenseitig beschafft werden, dann ist man schon mal aus dem Haus raus und b) etwa vier Stunden gekocht werden. Ich weiß gar nicht, wie sie nach drei Stunden ist. Ich gucke üblicherweise erst nach vier Stunden in den Topf. Bis dahin riecht alles nach Gemüsesuppe. Heute tu ich noch ein wenig Blumenkohl rein, der riecht sehr streng, und heute möchte ich lieber Klogeruch dank Kohl als alles andere riechen.

Und in der Gesamtgemengelage, Pandemie, Geschäftsführer, die nicht wissen, wie man ein Dokument unterschreibt und Vanillekerze, habe ich dann heute dafür gesorgt, dass ich mich bis zur Verlängerung des Lockdowns am 14.02. zumindest immens freuen kann: Fiene und ich fahren in Urlaub. Gebucht und bezahlt, und jetzt kann ich drei Wochen sehr glücklich und vorfreudig sein. Die Vermieterin der Wohnung ebenso, die hat sich ganz groß bedankt, dass ich so optimistisch sei. Ja. Bin ich. Und wenn ich nicht im Februar in Urlaub fahre, dann halt im März. Oder im April. Seit Oktober buche ich alle zwei Wochen einen Flug um, den ich nur verschieben, nicht stornieren kann. So mach ich das jetzt auch. Ich werde jetzt bis an das Ende der Fuckpandemie meinen Urlaub vor mir herschieben. Das bin ich dem Hund schuldig.

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