Dienstag, 26. Januar 2021
A walk in the park
Ich rede nicht in den Wind, das ist mir heute attestiert worden, und darüber habe ich mich sehr gefreut. Jasmine aus San Antonio lernt Deutsch mit meinem Blog und hat mir eine sehr nette Mail geschrieben, damit ich weiß, dass es sie gibt, auch wenn sie nicht kommentiert.

Das finde ich ganz reizend, ich möchte nur dringend hinzufügen: Bitte übernehmen Sie nicht all meine Schimpfwörter. Wir Deutschen sagen nicht die ganze Zeit "Scheiße", ich bin da vermutlich ein Sonderfall. Ansonsten möchte ich sagen: Schön, dich kennenzulernen, Jasmine. Mein Exfreund John ist in Austin, vielleicht kennst Du ihn.

Ansonsten habe ich heute deutlich weniger gearbeitet, als mir recht war (und ich hätte machen wollen, Menschen riefen an, aber ich war "not available"). Wenn der berühmteste Düsseldorfer Künstler zum konspirativen Date auf die Babyschafwiese lädt, kann man ja schlecht nein sagen, also traten das Kind, der Hund und ich den Aufstieg in den 23. Stock an, um dort einen Künstler in Gummistiefeln zu treffen. Und weil meine Baumarktkunst in der Küche so schlecht ist und ich neulich noch erwähnte, dass ich sein Werk "Remmidemmi Männerrocknroll" leider anlässlich der Beerdigung meines Vaters von der Wand nahm, um es dann auch postwendend im Haus verlieren zu lassen, schwups, wurde mir zwischen Schafbabys und pfeifendem Wind ein Remmidemmi Litho Exemplar überreicht. Ich bin ein sehr glücklicher Mensch. Vermutlich besitze ich jetzt sogar zwei davon.

Dann rannten wir durch den Wald wie Verrückte, zwischendurch verloren wir meinen Hund, der ja so toll hört, es sei denn, er wird von seinem Kind getrennt, das nach 5 Kilometern laufen erst mal wieder ausgiebig liegen muss und deshalb schon mal nach Hause geht. In dem Fall wird nämlich eine Viertelstunde an der Leine jämmerlich geweint, und als wir so weit voneinander entfernt waren, dass ich mich traute - okay, es war ein wenig riskant - Fiene loszulassen, blieb sie noch etwa 5 Sekunden bei mir, stürzte sich dann Fullspeed und ohne Nachzudenken die Böschung runter (wir liefen auf einem Höhenweg, das Kind war runter gelaufen) und war weg. Ich habe nicht mal mehr gepfiffen, es war klar, dass sie jetzt zum Kind geht. Nach 30 Sekunden ohne Hund am Horizont setzte ich ein optimistisches Gesicht auf, sagte, dass ich hoffe, dass sie Ona noch vor dem Waldausgang einholt, und pfiff noch zweimal, eher, um den Künstler zu beruhigen als mich, mich konnte nichts mehr beruhigen, mein Hund war noch nie weiter als 20 Meter von uns entfernt und rannte jetzt fullspeed querfeldein durch Düsseldorf. Das war nicht optimal. Jedenfalls pfiff ich so, wie ich noch nie gepfiffen habe. Unser Komm-Pfiff ist kurz-kurz, wenn ich sehr viel Nachdruck auf die allgemeine und besondere Dringlichkeit lege kurz-lang. Ich pfiff zweimal. Kurz-ultralang. Und ultralaut, und mit immensem Nachdruck. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn alle Jagdhunde des Niederrheins gekommen wären, so habe ich gepfiffen.

Ich pfiff, pfiff noch mal, zuckte mit den Schultern und lief mit dem geknickten Künstler weiter. Und dann plötzlich überholte uns, vielleicht mit 30 Sekunden Zeitverzögerung, der Hund. Von hinten, völlig unerwartet. Naive Menschen würden jetzt sagen, dass sie wohl doch auf den Pfiff gehört hat. Meinen Hund kennend sage ich, dass sie Ona nicht gefunden hat, dann nicht mehr weiterwusste, weil sie ja nicht gut ist in sich-Sachen-Ausdenken, und dann kam der rettende Pfiff, sonst würde sie jetzt noch immer irgendwo im Wald an einer Kreuzung stehen.

Den Rest des Weges hat sie ausnehmend gut gehört, ganz hervorragend, wir konnten den schlechten Eindruck gut wieder wettmachen.

... link (13 Kommentare)   ... comment


Montag, 25. Januar 2021
Discourse
Zu müde, zu kalt, zu satt. Schlimm, es ist langsam vollkommen ausgeschlossen, dass ich jemals wieder morgens aus dem Haus gehen und bis spät abends Dinge tun kann. Das war ein anderes Leben. Dieses Leben findet in einem Sessel statt, alternierend mit dem Küchentresen, nie, wirklich nie in meinem geliebten Eames Bürostuhl, der jetzt immer meiner Mutter als Esstischstuhl dient, sodass ich endlich mit 44 meiner Mutter bei jeder gemeinsamen Mahlzeit sagen kann: "Aber bitte nicht kleckern, denk an den Stuhl". Man muss alte Dinge schätzen. Omas, aber auch Stühle.

Ein alter Freund meines Mannes ist jetzt final verrückt geworden. Das erwarten wir von uns ja schon seit langer Zeit, in der aktuellen Situation ist es ja nur nachvollziehbar, dass man verrückt wird, der Freund meines Mannes ist allerdings schon vor Corona abgedriftet, linke Szene, viel Alkohol, viel Hasch, viel alternatives Leben. Mit Mitte 50 dann komplettes Durchdrehen, Flucht vor Frau und Kind nach Mallorca, da monatelang Tagelöhner, jetzt wieder in Deutschland, da auch monatelang irgendwo untergekommen, jetzt rausgeflogen, dann Menschen abtelefoniert, unter anderem meinen Mann. Ob er bis Juni hier wohnen könne.

Nein. Ich halte meinen Mann an vielen Stellen ja auch für höchstens mittelstark in der Entscheidungsfindung, ich musste da aber jetzt gar nicht nachhelfen. Wir brauchen keinesfalls noch eine weitere Person hier, und schon gar nicht jemanden, der verrückt ist. Wir alle suchen händeringend nach Minuten, die wir allein sein können (paradoxerweise kenne ich nur noch Menschen, die viel zu viel mit anderen Menschen zusammen sind und Menschen, die viel zu wenig mit anderen Menschen zusammen sind. Ich möchte an dieser Stelle anbieten, dass wir ein freiwilliges rotierendes System organisieren könnten. Wer momentan durch die Kontaktbeschränkungen einsam ist, kann - natürlich nach einem Schnelltest - in meinem Schlafzimmer einziehen und für einen Monat hier wohnen. Mit allen, die hier sind. Ich nehme gerne stattdessen ein echtes bachelor pad oder so eine gepflegte Frauenwohnung. Bitte melden Sie sich einfach, wenn Interesse besteht. Mein Standort ist Düsseldorf, aber wir arbeite ja alle remote. Fast alle.) Das alles hatte auch mein Mann wohl verstanden. Im Gegensatz zu mir hat der ja sogar auf unserem Grundstück ein eigenes kleines Haus ganz für sich alleine, in dem er einfach immer sein kann, aber der Gedanke an einen weiteren Zwangssozialkontakt hat auch ihm Angst gemacht. Manchmal denken wir doch gleich.

Jetzt hab ich ja doch was geschrieben, der erste Satz sollte ja einleiten, dass ich heute keine Lust habe, länger zu schreiben. Heute morgen war ich kurz melancholisch. Hier kommentiert ja kaum mehr jemand, und das macht es für mich sehr langweilig. Ich möchte ja Gespräche führen, und da ich ja ich bin, vorzugsweise aus der Distanz. Twitter ist da anders. Twitter nervt, ist aber so ein wichtiger Kontaktkanal zur Außenwelt geworden, dass mein wöchentlicher Vorsatz, das einfach nicht mehr zu nutzen, auch nie klappt. Aber die qualitativ hochwertigen Gespräche führen wir doch hier. Ich mache einen thematischen Aufschlag, Sie nehmen den auf, wir diskutieren ein wenig, vielleicht streiten wir ein wenig, das ist aber kein Problem, da Ihre Mühe, sich in mein Wohnzimmer zu begeben, das alles schon legitimiert, und dann erarbeiten wir uns gemeinsam ein Themengebiet. Bei einer Interaktionsrate von 0,01 wäre ich schon unfassbar gut unterhalten.

Ich habe da heute ein wenig drüber nachgedacht. Ich bin nicht eitel genug, um einfach was ins Internet zu schreiben, damit es da steht. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich kenne meine Gedanken und meine Geschichten, wenn ich möchte, kann ich sie Frau N auch am Telefon erzählen, so sie denn nicht dabei gewesen ist. Ich schätze den Austausch. Sonst könnte ich ja ein Buch schreiben, das dann keiner kauft. Das würde dann wenigstens schlecht besprochen. Und wer mir an dieser Stelle wirklich sehr fehlt, ist der verlässlich austauschorientierte mark793.

... link (63 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 24. Januar 2021
Let it snow (gähn)
Ich beginne, diesen Text um 17.48 Uhr zu schreiben, und alles, woran ich noch denken kann, ist Schlaf. Ich habe mir aber vorgenommen, erst um 19.15 schlafen zu gehen, da ich das Norwegen Spiel noch gucken möchte. Das werde ich aber bettfein und horizontal tun, und wenn das Spiel schlecht ist, werde ich einfach einschlafen.

Ich führe ja das Leben einer Rock'n'Rollerin gefangen im Körper einer in die Jahre gekommenen Mutter, und daher schlage ich mir auch in Pandemiezeiten schon mal die Nächte um die Ohren. Heute morgen gab es aber wenig Gnade, trotz vieler Stunden Schlafmangels folgte ich Mann, Kind und Nachbarn auf die Schafwiese, um dort stundenlang zuzugucken, wie gerne völlig fremde Leute mit so einem völlig fremden Hund Schneeball spielen, da sie ja nicht schon seit Jahren nahezu jeden Tag Ballspielen müssen. Zwei Stunden ununterbrochen Schneebälle fangen und aufessen gibt bei so einem Hund übrigens das ein oder andere Verdauungsproblem. Just saying.

Nach 3 Stunden wieder zuhause stellte ich fest, dass meine Timeline heute Kartoffelpüree isst, was zu der wirklich schlechten weil nicht in mein Regime passenden Entscheidung führte, dass es statt Salat Kartoffelpüree und Blumenkohl geben muss. Ich muss mich an der Stelle eventuell geschlagen geben. Wenn ich rumsitze und in erster Linie nachdenke, kann ich sehr gut dosieren, was (aus meiner Perspektive) ungewünschte Nahrungsmittel angeht. Bei 20 cm Schnee im Garten und täglich 10 bis 12 Kilometern Hundetour möchte ich Kartoffelpüree essen. Dann mache ich das jetzt.

Ansonsten, bevor ich jetzt ins Bad gehe und dann den Pyjama anziehe, kann ich sagen, dass es sehr schön ist, Jonathan zu sehen, wie er plötzlich doch wieder einfach mein kleiner Junge ist, der mit der vierjährigen Nachbarin und deren Freundin riesige Schneerutschen baut und stundenlang rutscht. Das gefällt mir für den Moment deutlich besser als alles mit "K-Pop". Wenngleich das heutzutage selten ist.

... link (8 Kommentare)   ... comment