Sonntag, 5. September 2021
Bienen! Bad!
Wie ich heute lernte, dass mein Hund nicht nur im Spaß dahergescherzt die Liebe meines Lebens ist.

Der Mitbewohner und ich wollten ein wenig durch den Wald laufen, der Hund wollte ein wenig schwimmen, also fuhren wir nach Gruiten, liefen durch das sehr hübsche Gruiten Dorf und dann in den Wald, wo die Düssel fließt und der Hund schwimmen kann. Dann liefen wir und liefen und liefen und alles war wie bei jedem einzelnen Spaziergang, so ein Hund ist ja auch nix für Leute, die Abwechslung suchen, aber ich suche ja nie Abwechslung, deshalb ist das genau richtig, und dann kamen wir an einem Imker vorbei und wollten Honig kaufen. Wir kamen mit der Frau vom Imker ins Gespräch, sie machen das schon seit 1983, lernten alles über Oxalsäure versus Ameisensäure, mir wurde langweilig, vielleicht war es zuviel Abwechslung, wer weiß das schon, also ging ich mit Fiene ein paar Schritte den Hang hoch, oben auf dem Plateau standen die Bienenstöcke, derer viele. Dann sah uns der Imker, rief, wir sollten ruhig hochkommen, da wären schon andere Besucher, wir liefen hoch und dann fiel mir ein, dass ich ja mal nach einer Bienenattacke zwei Tage im Krankenhaus lag und wollte wieder gehen, der französische Imkergehilfe in voller Schutzmontur winkte Herrn H. zu sich, ich blieb mit Fiene 50 Meter weiter vorne am Ausgang stehen, Herr H ging Bienen gucken, der Hilfsimker machte alle Häuschen auf und puschelte rum und machte wilde Sachen, die anderen Leute und Herr H standen beeindruckt, aber angstfrei (Fehler!) daneben, dann hatten die Bienen keine Lust mehr auf Gepuschel, wurden böse, stachen erst dem einen Mann mehrfach in die Glatze, setzten sich auf das in dieser Situation zum Glück mehr als volle Haupthaar von Herrn H, der - anders als der gestochene Mann - so eben noch ruhig blieb, dann große Panik, fremder Mann und fremde Frau fuchtelten und schrien, die Bienen hatten dann *echt* keine Lust mehr und flogen über die Einflugschneise davon, da standen aber dummerweise Fiene und ich, und dann setzten sie sich auf den Hund und stachen. Wie oft, kann nicht genau rekonstruiert werden, aber sehr klar zu oft dafür, dass wir überhaupt nicht an der Situation beteiligt waren. Nun kenne ich meinen Hund wirklich sehr genau, und ich weiß, dass sie die größte Pussy vor dem Herrn ist, die schon vor Schmerzen schreit, wenn wir nur in die Straße einbiegen, wo der Tierarzt ist, der sie immer impft. Ich sah jedenfalls mindestens vier Bienen an einem Hinterbein, ein paar an dem anderen, eine saß vorne an der Schulter, die ich noch verscheuchte. Der Hund war sehr, sehr pussyhaft, wir flüchteten runter zu dem Häuschen, dort gab es von der Imkersfrau ein Leckerchen, und dann wurde noch ein bisschen bedröppelt geguckt und dann dachte ich, die Situation sei im Griff. Was mich ein bisschen irritierte, im Nachhinein auch etwas verstimmt, war der Imker, der dann auch runterkam und sagte: "Kommen Sie doch einfach im Frühling noch mal, dann sind die nicht so aggressiv." Nun gut. Wir haben also heute gelernt, dass die Bienen sich bereits auf den Winter vorbereiten und deshalb mit allem, was sie haben, ihre Vorräte verteidigen, und dass das einem Imker, der das seit 1983 macht, nicht die Botschaft vermittelt, dass man dann vielleicht nicht so dumme Städter mit zum Stock nimmt und da rumpuschelt, und das Allerwichtigste, was ich heute gelernt habe: Wenn Sie dann das Gefühl haben, dass Sie da gerne nicht Teil von sein wollen, weil Sie allergisch auf Bienenstiche reagieren und deshalb einfach nicht mitgehen und einen kletschnassen Hund bei sich führen: Erkundigen Sie sich unter allen Umständen nach der Einflugschneise. Niemand in der ganzen beschissenen Situation wurde so viel gestochen wie der Hund in der Einflugschneise.

Gut. Wie das nun mal so ist mit echten Hypochondern, ging ich erst mal davon aus, dass alles gut ist. War es auch. Wir liefen 6 Kilometer zurück, etwa 5 Kilometer war der Hund davon im Wasser und spielte. Auf dem letzten Kilometer fing sie sich dann an zu kratzen, als wir in Gruiten Dorf ankamen, bekam sie Pocken um die Augen, dann legte ich einen Zahn zu, und als wir 10 Minuten später am Auto waren, war der Hund vollkommen zugeschwollen und malade. So malade, dass ich zu Herrn H sagte: "Du bist noch nie in deinem Leben schnell Auto gefahren. Heute ist der Tag. Ich zahle alle Knöllchen und wenn der Führerschein weg ist, fahre ich dich ein Jahr lang überall hin."

Dann kam ein zügig gefahrener Ritt zur Tierklinik, die praktischerweise zwar nur 5 Minuten von uns zuhause entfernt ist, aber 30 Minuten von Gruiten, ich saß auf dem Rücksitz und guckte, ob der Hund atmet, dann kamen wir an, sie brachten sie weg, kamen nach 10 Minuten wieder und teilten mit, Fiene würde beatmet und bräuchte eine Infusion, dann 30 Minuten warten, dann kam irgendwann der sehr bedröppelte Hund wieder raus, müsst allerdings noch eine Stunde beobachtet werden. Dazu könnte sie gerne in den Kofferraum, wenn sie das schön findet. Das fand sie schön, hyperventilierte dort aber so, dass ich sie doch wieder reinbrachte, dann war sie kurz wieder weg, dann war sie ruhiger, wir blieben, noch mit dem Zugang im Bein, 30 Minuten im Wartezimmer sitzen bzw. liegen, dann kamen irgendwann wieder Leute und checkten die Vitalfunktionen, wofür sich der Hund praktischerweise unterm Stuhl verkroch, und dann durften wir wieder fahren, weil wir ja nur 5 Minuten Anreise haben, dann kann sie auch hier liegen. Ich zahlte die Rechnung, wir fuhren nach Hause, der Hund fraß bereitwillig ein Rinderohr und schlief dann ein. Wir öffneten ein Glas Haaner Honig und tauften es - wenn man die Klinikkosten draufrechnet - Skifreizeit.

So war das. Die Info mit der Einflugschneise. Die war wichtig.

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Two inch
Dieses neue System mit dem freien Wochenende bekommt mir ganz hervorragend. Es stellt sich heraus, dass ich wohl ab Freitagmorgen zukünftig in völliger Euphorie sein werde. Freitag aufwachen und Euphorie, dass gleich Wochenende ist, Samstag aufwachen und Euphorie, dass jetzt Wochenende ist, Sonntag aufwachen und Euphorie, dass immer noch Wochenende ist. Heute wachte ich um 6.45 auf (da schellt üblicherweise nebenan Jonathans Wecker) und war ein bisschen traurig, dass ich nicht arbeiten darf, wenn ich nämlich exakt eine Stunde lang drei kurze Sachen machen würde, könnte ich dann sehr entspannt in den Montag starten, und dann fiel mir ein, dass ich ja erwachsen bin und das große Motto Entspannung lautet, und wenn es zu einem weiteren sehr entspannten Tag beiträgt, kann ich ja einfach selber entscheiden, eine Stunde zu arbeiten. Außerdem musste ich ja noch eine Maschine Wäsche ruinieren, win win (rotes Kleid mit mehreren Ringelshirts gewaschen, jetzt rosa Ringel).

Freitag trank ich viel Cremant mit einem Modedesigner. Ja, einem richtigen, aber der Sorte, die mir vorher gar nicht so präsent war. Ich kenne (nicht persönlich) die Sektion Coco Chanel und Karl Lagerfeld, das ist vermutlich auch de Kohorte, die mir als erstes einfällt, wenn das Wort fällt. Und dann kenne ich (doch persönlich) noch den ein oder anderen Menschen, der an irgendeiner HSK Modedesign studiert hat und jetzt Röcke in kleinen hippen Läden verkauft und mit Kohleofen seine zugige Altbauwohnung heizt. Jetzt kenne ich noch eine dritte Variante: Ich weiß nicht, ob Ihnen das so klar war, aber irgendjemand muss ja auch die T-Shirts für all die Ketten mit den vielen Filialen entwerfen. Oder - in diesem Fall - Röcke und Anzüge.

Ich hatte alle Fragen. Alle. Und ich habe viel gelernt. Da ich so aufgeregt war, dass ich jetzt alles erfahren kann, was ich schon immer wissen wollte, habe ich ein Feuerwerk an Fragen absondert und leider zwar alle Antworten verarbeitet, mir aber nicht genug gemerkt, um das interessant aufschreiben zu können. Ich denke aber, die wichtigsten Infos für Sie sind die folgenden drei Punkte:

1) Sandalen mit Socken geht jetzt, wegen der Prada Show letztes Jahr.
2) Italien ist das Bangladesh Europas.
3) Wenn Sie Größe 40 tragen und eine Hose in Größe 40 anprobieren, die Ihnen nicht gut passt, was Sie traurig macht, weil Sie die so schön finden, nehmen Sie zur Sicherheit noch mal eine weitere in Größe 40, die kann nämlich dann doch passen. (Sehr lange Erklärung zu den Nähten und dem Effekt, wenn eine Näherin bei jeder Naht 2 Millimeter zugibt. Ergibt alles sehr viel Sinn, war ich nur nie drauf gekommen.)

Meine lebenslange Frage, warum blaue Jeans immer weiter sind als schwarze Jeans wurde beantwortet (Elastizität nimmt mit zunehmender Pigmentierung ab), und in der jetzigen und der letzten Marke, für die er designte, sind alle Teile ab Größe 42 "Schmeichelgrößen", heißt, dass der Weitenzuwachsschritt größer ist als in den Größen darunter.

Irgendwann hob ich meinen Arm, er sah (ja, ich fühlte mich *sehr* beobachtet kleidungstechnisch) einen sehr smarten Abnäher am Ringelwollpulli und sagte: "Oh, der Abnäher ist smart. Das ist nicht irgendein Pulli." Ich stimmte zu, wir besprachen meine favorisierte Marke nicht irgendeiner Kleidung (fand er toll), dann sprachen wir über günstige und teuere Mode, dann sprach ich über Jeans und mein Konzept, eine zweistellige Anzahl gleicher Jeans zu haben, wenn man einmal zufrieden ist, dann kann man ja auch einfach jeden Tag die angenehmste Jeans tragen, dann lehnte er sich nach vorne, sah mir fest in die Augen und sagte mit sanfter, tiefer Stimme: "Und wenn die eigentlich 2 inch zu lang ist?" und dann ging ich nach Hause.

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Samstag, 4. September 2021
Kidding?
Sitzen Sie gut? Ich saß nicht gut und musste entsprechend unsouverän reagieren.

Als Mutter eines Kindeleins ist man ja an vielen Stellen abgehärtet, wie es sich 2021 gehört, wurde ich heute jedoch sehr überrascht. Jonathan kam mit einem Stapel Papier in die Küche und sagte: "Bitte einmal alles unterschreiben", und da ich das aus dem beruflichen Umfeld kenne, reagierte ich spontan und unterschrieb den Englisch Vokabeltest, den Latein Vokabeltest, dann war die Laune sehr gut und ich unterschrieb ohne zu zucken irgendeine sinnlose DSGVO Abfrage, dann kam eine Liste von Dingen, die für die nächste Klassenfahrt benötigt werden, wovon wir übrigens exakt gar nichts besitzen, die musste nicht unterschrieben, wohl aber zur Kenntnis genommen werden, und dann kam der Zettel mit der Erklärung, blablabla Klassenfahrt, bitte Montag abgeben, sofort überweisen. Festhalten: 435,- Euro.

Für eine Klassenfahrt in der 7. Klasse. Mitten in der Pandemie. Skifahren, wo sonst nur die Royals urlauben.

Wir können das abkürzen. Die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun. Und ich möchte das kurz einordnen: Ich kann das bezahlen, auch mit 0 Tagen Vorlauf am Montag. Aber. 435 Euro für die Klassenfahrt. Die Bitte, eine Reiserücktrittsversicherung separat abzuschließen, falls das Kind nicht mitfahren kann, ist ja Pandemie. Eine Liste von Dingen, die auf der Fahrt mit müssen, bestehend aus Skihose, Skijacke, 2 Paar Skihandschuhen, Skibrille und Skihelm, Skier und Stiefel können netterweise geliehen werden für irgendeine Leihgebühr, und bitte 50 Euro Taschengeld.

Ich möchte mich an dieser Stelle wiederholen. Ich kann das bezahlen und werde das gegen alle inneren Widerstände auch tun. Aber ich bin so in Rage, wie es sonst nur noch die deutsche Politik schafft, ich habe nämlich kurz im Kopf überschlagen (und nein, ich werde nicht die Aldiaktion abwarten können, mein Kind ist nämlich körperlich ein sehr dünner Erwachsener, wir müssen alles ganz akribisch suchen, damit es passt, und das ist leider nie in irgendwelchen Discounteraktionen zu finden), der Spaß wird etwa 800 Euro kosten. Für eine Klassenfahrt. Ich bin ja 1988 in der 7. Klasse die Eifel gefahren, das hat 80 Mark gekostet. 2021 fährt mein Kind in der 7. Klasse quasi nach St. Moritz, und das kostet 1.600 Mark. Und wissen Sie was: Mein Kind möchte nicht Skifahren. Nichts in dieser Familie sagt Skifahren. Wir werden die Ausrüstung kaufen und danach verbrennen, damit alle Möglichkeiten, irgendwann noch mal Ski zu fahren, ausgeschlossen sind. Ski interessiert hier niemanden, mein Kind möchte Handball spielen und tauchen. Wobei ich ja antizipiere, dass die Klassenfahrt in der 9. Klasse in die Südsee geht, dann kann er das ja da machen. Ski ist kacke, und ich respektiere alle Menschen, die das anders sehen, das muss auch nicht in den Kommentaren diskutiert werden. Für mich ist Ski kacke, wir sind 10 Jahre aus Umweltgründen nicht geflogen, wir unterstützen also auch die Skiindustrie nicht. Dieses Jahr sind wir geflogen, das muss erst mal wieder grüngewaschen werden (E-Auto kommt!). Außerdem, ich weiß nicht, ob Sie es wussten, IST DA DRAUSSEN EINE SCHEISSPANDEMIE, was übrigens dazu führt, dass nach den 12 Stunden Busfahrt zum Zielort das Kind von den Eltern abgeholt werden muss, sollte es zu einem positiven Fall in seinem Zimmer kommen.

Long story short. Ich bin nicht Fan. Ich kann mir auch nicht gut erklären, welcher Mensch auf die Idee kommt, dass es sinnvoll ist, mit Kindern aus NRW in Hintertupfingen Skifahren zu gehen. Ich kann mir auch nicht erklären, wie die Familien das machen, die eventuell Zwillinge in der 7. Klasse haben und nicht irgendwo einen Topf, aus dem man mal kurz 1.600 Euro nehmen kann, die Kinder müssen ja auf Klassenfahrt. Ich kann mir auch nicht erklären, wie Pädagogen zu dem Entschluss kommen können, dass das für Kinder irgendetwas tut, was nicht jede andere Jugendherberge auch könnte. Die sind 12. In der 5. Klasse war er in Bacharach, sie wohnten in einer Jugendherberge im Schloss, durften OHNE LEHRER eine Stadtrallye machen, die Urkunde hängt noch an seiner Wand, so toll fand er das, und wenn ich ihn frage, was er am besten fand an der Klassenfahrt, sagt er: "Abends heimlich wach bleiben und flüstern". Das wird mit 12 nicht anders sein als mit 10, außer vielleicht, dass sie heute heimlich Gangsterrap vor dem Einschlafen hören. Und das hätte man eventuell auch in der Jugendherberge in Ratingen machen können. Da könnte ich ihn auch sehr gut wieder abholen, wenn dann alle COVID haben.

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Freitag, 3. September 2021
Duel (Propaganda)
Ich bin schon seit einigen Tagen ungewöhnlich agitiert, und heute, ich schaute auf Youtube ein Video, in dem ein Clown ein Zukunftsteam von Zetteln ablas, merkte ich, warum. Ich bin entfesselt. Oder besser noch: Mir wird Entfesselung versprochen. Welche anal-retentive Mathefachfrau würde das nicht wollen? Richtig. Keine.

Ich pflege ja nicht aus dem Nähkästchen zu plaudern, aber ich sag's mal so: Fesselung interessiert mich eigentlich eher als Entfesselung, aber immerhin wird das gleiche Themenfeld eröffnet, und wenn man einfach oft genug konfrontiert wird, ist man irgendwann dann überzeugt. 2021 muss alles entfesselt werden. Bleibt ein kleines Problem, ich möchte es Bild/Ton-Schere nennen. Der Mensch, der mir die ganze Zeit Entfesselung verspricht, wenn ich ihn wähle, ist Armin Laschet, und da muss ich sagen: Not my kink.

Erst muss die Wirtschaft entfesselt werden. Gut, das verstehe ich. Ich würde vielleicht einfach alle Steuern abschaffen, dann kann auch nix mehr hinterzogen werden und niemand muss irgendjemanden diffamieren, alle haben ganz viel Geld und dann können wir alle gemeinsam ankurbeln, das läuft dann von ganz alleine alles, auch Schulen und so. Nicht immer nur alles verbieten. Dann muss das ganze Land entfesselt werden, das fordert Friedrich Merz, das klingt nicht unbegrenzt ansprechend, mir fallen auf Anhieb etwa 1000 Leute ein, die ich nicht entfesselt sehen möchte, Friedrich Merz ist einer davon. Als Einstieg würde ich erst einmal gerne keine schwarzen Schuhe zum blauen Anzug sehen wollen, da bin ich immer nicht so angetan von. Merken: Das nächste Mal, wenn man so einem Clownteam einen Tag vorher anruft und sagt: "Hey, habt ihr morgen Zeit? Cool, ihr seid im Zukunftsteam von Armin. Text für die Rede schicke ich heute nacht um 3, morgen früh bitte zum Pressetermin kommen, alle was Dunkelblaues anziehen. Am besten braune Schuhe dazu."

Doro Bär hat die Redenschreiberin die nächste Eskalationsstufe in die Ansprache diktiert: Frau Bär fühlte sich in den letzten Jahren oft genug gefesselt und wünscht sich jetzt direkt ein ganzes Entfesselungsjahrzehnt. Direkt ein ganzes Jahrzehnt. Eine Sache möchte ich anmerken: So wenig ich Frau Bär für ihre Funktion für geeignet halte, sie war aus der Clownriege Zukunftsteam immerhin die einzige, die es geschafft hat, ihren Wortbeitrag in den vermutlich wenigen Stunden bis zum Termin so zu verinnerlichen, dass sie ihn nicht ablesen musste und uns für einen kurzen Moment zögern ließ, ob die Veranstaltung eventuell doch vorgestern schon geplant worden war. Aber nein. Alfred E. Neumann, der offensichtlich "einfach sagen" wollte, was er "denkt", ordnete das fein für uns ein: Er sei gestern ganz oft gefragt worden, warum er das überhaupt macht. Ich stelle mir das so vor: "Herr Neumann, Ex-Bildzeitungs-Wahlkampfchefin am Telefon. Der Kandidat möchte Sie in sein Zukunftsteam holen. Kommen Sie bitte morgen, gerne in einem blauen Anzug."

Ich fühle mich vollkommen verarscht. Ich habe das Gefühl, dass wir alle Teil eines großen A/B Tests geworden sind. Wir versuchen mal die rote Socken Kampagne 2.0, oh, da sind aber sehr viele Leute, die gar nicht so schlimm viel Angst vor einem Linksrutsch haben (nach rechts geht's ja auch nicht mehr weit), und irgendwie kann man Olaf Scholz auch nicht so gut als Kommunisten verkaufen, zumal der ja kaum im Wachzustand irgendwo auftritt, und wer gar nichts macht, macht auch nix falsch. Also alles neu, alles auf Angriff, es braucht ein Team, ein ZUKUNFTSteam, wir haben einen Tag Zeit. 4 Männer und 4 Frauen, die blaue Kleidung besitzen und morgen Zeit haben. Zack. Haben wir das auch geregelt. Und am Ende stellt der Chef sich hin und sagt TATSÄCHLICH abschließend, dass er jetzt aber mal gespannt ist, was die SPD uns präsentiert. Ich bin mir ganz sicher: Irgendwo im Hintergrund stand ein Kampagnenmanager und starb. Da. Im Studio, während Laschet und sein Zukunftsteam fürs Foto noch vor, auf oder einen Meter neben den Positionsklebern auf dem Fußboden standen.

Ich habe noch nichts dazu gelesen. Ich habe nach Feierabend die 45 Minuten Freakshow geguckt, bin dann ausgiebig mit dem Hund vollkommen entfesselt durch den Wald gelaufen, kam dann heim, schrieb diesen Text, und jetzt lege ich mich aufs Bett und gucke mal, was die Medien so davon hielten. Ich habe die Vermutung, dass das lustig sein könnte.

So mache ich das. Und dann träume ich von der Entfesselung. Entfesselung Wirtschaft > Entfesselung Deutschland > Entfesselungsjahrzehnt. Ich möchte sagen: Warum nicht nach den Sternen greifen? Think big. Ich fordere ein Entfesselungsjahrhundert. Ich möchte vollkommen entfesselt mich überall rollen und wälzen, ich möchte, dass in jedem Supermarkt Separees abgetrennt sind, ach Quatsch, wenn wir alle entfesselt sind, reicht hier und da eine Matratze, ich möchte in der Bahn nur noch übereinander sitzen, nicht mehr nebeneinander, aber - und das ist mir sehr wichtig - ich möchte nicht, dass Laschet und Merz da Teil von sind. Denken Sie das bitte mal selber zuende!

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