Montag, 8. Mai 2023
08.05.2023
Eventuell muss ich jetzt in ein sehr tiefes Loch fallen, es muss nichts mehr organisiert werden bis zu Jonathans Hochzeit, und das ist schön und schlimm gleichzeitig.

Wir hatten alle, also wirklich alle, einen wirklich wunderschönen Tag, ich klinge etwas beseelt, so gefalle ich mir eigentlich gar nicht, aber was will man machen, wenn man halt ganz beseelt ist.

Onas Idee, einfach nur die engen Verwandten sowie all unsere Freunde (also nicht Kindergeburtstag, sondern Freunde, meist ja auch mit Kindern, der Familie) einzuladen und mit denen zu feiern war GROSSARTIG, noch viel großartiger war die Tatsache, dass wir insgesamt für 41 Leute eine Einladung ausgesprochen hatten und auch wirklich alle gekommen sind, aus Leipzig, aus Münster, aus Offenbach, von überall, total verrückt, und als die weitgereisten Gäste schon Freitag anreisten und wir Samstagnacht noch um 1 Uhr im Wohnzimmer standen und laut Karaoke mit den Karaokemikros aus dem Discounter sangen, tja, da wusste ich natürlich, dass ich wirklich große Derrick-Tränensäcke auf den Konfirmationsfotos haben werde, aber ich sag’s mal so: Wir sahen alle sehr verhärmt aus, aber wegen eines Spaß-Exzesses, nicht, weil wir uns immer so grämen müssen, weil unser Leben so langweilig ist.

Wir alle sahen fantastisch aus, meine Familie ist sehr lustig. Ich hatte ja das Weltall-Kleid, Ona den quietschgrünen Anzug, meine älteste Schwester kam in Neon-Pfirsich, meine Mutter in Pink, meine Nichte in Froschgrün, der Nachbar in Rosa und ja, als wir dann zur Kirche kamen, wo schon viele andere Familien in knalligen Grautönen standen, konnte man allein an uns ablesen, dass die Veranstaltung keine Beerdigung ist. Für die Familienaufstellung haben wir uns dann übrigens vor die katholische Kirche vorm Haus gestellt, das weiß ich 30 Jahren, wenn man sich das noch mal ansieht, eh niemand mehr.

Die Zeremonie war sehr schön, für mich fällt das ja unter Folklore, aber warum nicht mal 75 Minuten Augen tupfen, es war schon alles sehr rührend, Ona hat alles sehr gut gemacht, der Pfarrer auch, das Lied, das die Konfis alleine singen mussten, war „Danke“ (sie konnten wählen zwischen Danke und Laudato si, was sonst?), der Pfarrer begleitete auf der Wandergitarre, um auch den letzten Katholiken im Publikum zu zeigen, wo bei den Evangelen der Hammer hängt, und dann waren wieder alle gerührt, meine Schwester, die Kirchenbeamtin, war Segnungszeugin und musste mit nach vorne, mit der Taufkerze, die wir vorher sogar gefunden hatten, das hätte ich auch gar nicht gedacht, und dann war alles vorbei, wir liefen im Tross nach Hause, dort war von den heidnischen Freunden ein kleiner Sektempfang vorbereitet worden, dann gingen wir rüber ins Restaurant, mit 43 Leuten, als ich einmal durch die Menge ging und dachte: „Euch allen kaufe ich jetzt ein Schnitzel“ wurde mir kurz schummerig, ich hatte mich aber total verschätzt mit der Worst-Case-Summe, also war ich am Ende noch besser gelaunt, es war nämlich sehr lecker und schön und alle waren vollen Lobes, und dann gingen wir nach Hause und ich stellte fest, dass 43 Leute doch gar nicht so schlimm sind, selbst wenn die alle nur im Wintergarten und dem Wohnzimmer rumhängen. Auch Gläser hatten wir genug, Kaffeetassen, Kuchenteller, Kuchen sowieso, meine Schwester hatte eine professionelle Konfirmationstorte (man lernt nie aus!) von einer befreundeten Konditormeisterin mitgebracht, und alles war lecker und schön.

Alle verstanden sich bestens, alle hatten Spaß, alle Teenager hatten so viel Spaß, dass sie nicht einmal rumhängen wollten, und am Ende des Tages, als alle weg waren, öffnete Ona Umschläge, das war auch sehr schön, nicht, weil da im Zweifelsfall Geld drin war, sondern weil in jeder einzelnen Karte ersichtlich war, dass Menschen ihn sehr gut kennen, sich viele Gedanken gemacht haben und genau wissen, was er mag und was ihm wichtig ist. Am Ende war er sehr gerührt, er musste dem dann doch kurz ein bisschen Raum geben. Das war auch schön. Seine dann folgende Rekapitulation des letzten Jahres, des Unterrichts, des Festes, dessen, was er gelernt hat und wie er über das alles denkt, hat mich sehr glücklich gemacht. Ich war ja kein Fan der Idee „Konfirmation“, aber ich bin sehr froh, dass er das gemacht hat. Es sei einer der schönsten Tage seines Lebens gewesen, weil alle Menschen, die er mag, für ihn nach Düsseldorf gekommen sind. Und ja, 43 Schnitzel ist ne Menge, aber in erster Linie waren das ja die Freund*innen seiner Eltern, die er halt seit vielen Jahren kennt, und das machte es dann für uns auch alles wunderschön, und ich muss sagen: Gerührt war ich auch, und froh, dass ich so tolle Leute in meinem Leben habe, viele schon mein ganzes Leben, und bevor ich jetzt zu weich werde, ende ich damit, dass ich Ona dann doch noch von dem Gedanken begeistern konnte, die Hälfte des Geldes in einem ETF-Sparplan anzulegen, den ich dann heimlich weiter bespare, bis er irgendwann findet, er müsse jetzt einen Führerschein machen. Einen Teil der anderen Hälfte hat er in einen Gaming PC investiert, und weil er gut rechnen kann und ich gerissen bin, hat er nicht den bestellt, den er sich ausgeguckt hatte, sondern einen besser ausgestatteten und dabei günstigeren im Medion-Outlet, und weil ich fand, es ginge ja auch günstiger, betonte ich einfach direkt, dass er den ja nicht bestellen müsse, sondern direkt abholen und aufbauen könne, und naja, von nix kommt nix, er hat die richtige Entscheidung getroffen.

Den Rest haben wir jetzt in der Wohnung versteckt, und er darf es einfach ausgeben. Das war vor über 30 Jahren bei mir auch so. Ich habe damals eine riesige Anzahl an Benetton T-Shirts gekauft, die fand ich schön. Das könnte ich mir bei Ona auch durchaus vorstellen, also nicht Benetton, aber T-Shirts, er sagte aber korrekterweise, dass er gerade wachse, eigenes Geld in Kleidung zu investieren sei ja Quatsch.

Recht hat er.
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Samstag, 29. April 2023
28.04.2023
ch kam soeben aus dem Theater, und zwar in ungefähr der umgekehrten Stimmung im Vergleich zu Dienstag. Während ich Dienstag nämlich noch dachte, dass ich mal recherchieren müsse, wie man Souffleuse wird, die ganze Existenz hinter mir lassen und ein neues Leben als Souffleuse am Düsseldorfer Schauspielhaus müsste, saß ich heute ganz hinten, also sehr weit entfernt von meiner Lieblingssouffleuse, die auch promt dreimal einspringen musste, und dann habe ich Minuten gezählt. Ein bisschen habe ich auch geschlafen, allerdings ist meinem Begleiter das aufgefallen, dann habe ich mich wieder wach gemacht, das war aber falsch, zwei Stunden ohne Pause, und wenn man in Minute fünf schon ahnt, dass das nix mit mir und dem Stück oder der Inszenierung, ich weiß gar nicht genau, woran es lag, wird, dann ist schlafen eigentlich die bessere Variante. Regelmäßig muss ja der Teenager mit, und wenn er es gar nicht aushält – Gott von Ferdinand von Schirach war so ein Fall, wo er eigentlich nur weg wollte – darf er heimlich einen Podcast hören. Bitte nicht weitererzählen.

Jedenfalls ist es jetzt geschafft, ich möchte nicht mehr Souffleuse werden, was sicherlich einfacher ist, als die jetzige Berufstätigkeit abzuwickeln, und ich gehe ins Bett, morgen muss der Garten konfirmationsfein gemacht werden, die Nachbarn machen mit, danach wird angegrillt. Vorher noch ein bisschen lesen, was das Internet so hergibt.

Frau N schrieb eben über ein Thema, zu dem ich auch viel zu sagen habe, daher kapere ich das Thema kurz. Kündigungen. Kenne ich aus beiden Perspektiven, als diejenige, die kündigt (intransitiv), und diejenige, die kündigt (transitiv). Zur transitiven Kündigung schließe ich mich vollumfänglich an, es gibt keinen guten Weg, jemandem die Existenz zu nehmen, ich habe dem nichts hinzuzufügen. Zur intransitiven Kündigung vertrete ich zumindest für mich eine sehr andere Meinung. Ich habe zweimal gekündigt und die Kündigung anschließend zurückgenommen. In beiden Fällen war das falsch. Allerdings war in beiden Fällen auch der Grund, dass ich mit Strukturen/Umständen im Unternehmen so unzufrieden war, dass ich einfach nicht mehr dort arbeiten wollte. Beim ersten Mal war das Unternehmen klug und schickte mir den Gesellschafter, den ich wirklich gerne mochte und der in allen Belangen das Gegenteil von dem vertrat, was ich dort hasste, um mich zu überreden. Es ging gar nicht um Geld, es ging um Aufgaben, Inhalte, Menschen, und dann hörte man sich all meine Punkte an, die ich vorab schon sehr oft angeprangert hatte, und reagierte angemessen, also blieb ich. Ich stellte aber recht schnell an mir selber fest, dass mit dem Kündigungsschreiben auf dem Tisch in mir selber etwas passiert war, das ich nicht mehr zurückdrehen konnte. Ich hatte für mich selber entschieden, dass ich einfach gehen könnte, und bei jeder angestrengten Situation, wenn wieder Dinge in dem Laden schlecht liefen (und we’re talking really schlecht), dachte ich als erstes „oder ich kündige“. Irgendwann verließ der Gesellschafter, den ich so mochte, aus den gleichen Gründen, die mir querlagen, das Unternehmen, und dann dauerte es noch etwa eine Woche, bis ich kündigte.

Das zweite Mal war ich in einer deutlich exponierteren Position, die Gründe, aus denen ich kündigte, waren aber auch deutlich schwerwiegender. Ich konnte mich mit geschäftlichen Entscheidungen des Mutterhauses zu einem Grad nicht mehr identifizieren, dass ich zu dem Ergebnis kam, dass ich lieber mittellos morgens in den Spiegel gucke, als als Rad in einem System, das ich nicht mittragen kann. Ich habe dieses Mal länger gewartet, weil ich wusste, dass ich nicht zurückrudern könnte, irgendwann reichte ich die Kündigung ein, und dann kamen Menschen mit dem Flugzeug und Geld, und ich nahm die Kündigung zurück. Falscher Grund, wie ich jetzt weiß. Ich habe danach noch fast ein Jahr ausgehalten, aber die Gründe waren ja nicht weg, im Gegenteil, ich bekam nur viel mehr Geld für meine Bauchschmerzen. Der Grund, warum ich am Ende ging, hatte auch mit Kündigungen zu tun, viele Menschen wurden aus allen falschen Gründen entlassen, viele Gespräche übernahm ich, am nächsten Tag entließ ich mich selbst. Dieses Mal war die Reaktion noch erratischer, Menschen kamen aus den USA mit dem Flugzeug. Um mit mir (und der Kollegin auf der gleichen Ebene, die auch gekündigt hatte) zu sprechen. Die Person, die eingeflogen kam, hatte sehr viel Entscheidungsspielraum, mir war aber klar, dass nichts auf der Welt mich zum Bleiben bewegen könnte. Ich eröffnete das Gespräch im Restaurant mit „If you want to talk money, I’ll get up and leave right away.“ Das Angebot kam noch, aber naja, der Rest ist Geschichte.

Ich glaube nicht, dass das universell ist, aber für mich ist die Rücknahme einer Kündigung keine Option. Im Moment kann ich ja auch gar nicht kündigen, ich bin meine eigene Arbeitgeberin, und somit wäre das ja für beide Seiten wirklich doof. Sollte ich irgendwann mal das Bedürfnis verspüren, mich noch mal irgendwo anstellen zu lassen, ist jedoch klar. Third time’s the charm – nicht für Kündigungen.
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Donnerstag, 27. April 2023
27.04.2023
Alle machen sich Sorgen, aber ich kann Deutschland beruhigen: Der Automobilbranche geht es gut, es gibt nichts zu sehen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich schon zum zweiten Mal ein Auto kaufen möchte, und das betreffende Autohaus hat offensichtlich gar kein Interesse daran. Noch mal frage ich nicht, ich hab ja Zeit, ab November etwa werde ich beginnen, hinterher zu telefonieren, so muss meines Erachtens erst einmal reichen, dass ich eine Nachricht hinterlasse, dass ich gerne eventuell Auto XY kaufen möchte, wenn das nicht reicht, kann ich nicht helfen. Das Auto kostet soviel wie 3 mal der Renault Kangoo, den wir 2009 gekauft haben, damals sind wir hingefahren und haben dann ein langes Verkaufsgespräch geführt, was das bestimmt gekostet hat, wir haben Kaffee und Wasser bekommen, und naja, unterm Strich fühlte ich mich dort gut abgeholt, ich weiß sogar noch den Namen von dem Herrn, der uns beraten hat, 14 Jahre später. Jetzt mache ich es dem Autohaus eigentlich sehr einfach, ich suche aus und möchte dann kommen, die Diskussion um „was letzte Preis“ spare ich mir, da habe ich auch gar keine Lust drauf, das ist aber auch einfach, weil das einfach der Markt für mich regelt, indem das Auto erstmal rumsteht, und dann wird es ja von ganz alleine billiger.

Vielleicht ist das so ein vermeintliches Luxusgehabe. Man kennt ja diese superwichtigen Restaurants oder Bars, die sich durch besonders schlechten Service auszeichnen, wo die Bedienung schlimm und das Produkt super ist. Wir hatten vor vielen Jahren das Phänomen mit einer sehr hippen Eisdiele im genauso hippen Flingern, die wir fußläufig erreichen konnten, anfänglich geführt von zwei Endvierziger-Brüdern, einer unfreundlicher als der andere. Die Eiskugel war unangemessen teuer, aber die Sorten waren allesamt so lecker, wie man es sonst gar nicht kannte, und es gab so Dinge wie Tonkabohne und alles Mögliche mit Basilikum und Thymian. Regelmäßig wurden Kinder angemotzt, Eltern sowieso, Klo nicht benutzen, wenn man das Eis draußen isst, wenn man das Eis draußen isst, dann nicht auf der Mauer sitzen, Kind fällt Eis runter und dann ganz lautes Gezeter, aber wir haben es geliebt. Nach dem 2. Sommer hatten wir eine familieninterne Choreographie, Herr H. blieb mit dem Dreijährigen draußen stehen, abseits der Sichtachse, ich ging rein und holte Eis, ganz freundlich, ohne Smalltalk und Eis-Fallenlassen, und unter wirklich gar keinen Umständen konnte jemand aufs Klo oder Händewaschen. Während ich den Satz schrieb, überlegte ich gerade, ob es eine Analogie zwischen dem Basilikumeis und einem Mercedes EQA sowie dem jeweiligen Point of Sale gibt, und ob am Ende vielleicht doch alles gut ausgehen wird, aber ich glaube, es gibt keine. Schade.
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