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Montag, 25. Januar 2021
Discourse
herzbruch, 21:07h
Zu müde, zu kalt, zu satt. Schlimm, es ist langsam vollkommen ausgeschlossen, dass ich jemals wieder morgens aus dem Haus gehen und bis spät abends Dinge tun kann. Das war ein anderes Leben. Dieses Leben findet in einem Sessel statt, alternierend mit dem Küchentresen, nie, wirklich nie in meinem geliebten Eames Bürostuhl, der jetzt immer meiner Mutter als Esstischstuhl dient, sodass ich endlich mit 44 meiner Mutter bei jeder gemeinsamen Mahlzeit sagen kann: "Aber bitte nicht kleckern, denk an den Stuhl". Man muss alte Dinge schätzen. Omas, aber auch Stühle.
Ein alter Freund meines Mannes ist jetzt final verrückt geworden. Das erwarten wir von uns ja schon seit langer Zeit, in der aktuellen Situation ist es ja nur nachvollziehbar, dass man verrückt wird, der Freund meines Mannes ist allerdings schon vor Corona abgedriftet, linke Szene, viel Alkohol, viel Hasch, viel alternatives Leben. Mit Mitte 50 dann komplettes Durchdrehen, Flucht vor Frau und Kind nach Mallorca, da monatelang Tagelöhner, jetzt wieder in Deutschland, da auch monatelang irgendwo untergekommen, jetzt rausgeflogen, dann Menschen abtelefoniert, unter anderem meinen Mann. Ob er bis Juni hier wohnen könne.
Nein. Ich halte meinen Mann an vielen Stellen ja auch für höchstens mittelstark in der Entscheidungsfindung, ich musste da aber jetzt gar nicht nachhelfen. Wir brauchen keinesfalls noch eine weitere Person hier, und schon gar nicht jemanden, der verrückt ist. Wir alle suchen händeringend nach Minuten, die wir allein sein können (paradoxerweise kenne ich nur noch Menschen, die viel zu viel mit anderen Menschen zusammen sind und Menschen, die viel zu wenig mit anderen Menschen zusammen sind. Ich möchte an dieser Stelle anbieten, dass wir ein freiwilliges rotierendes System organisieren könnten. Wer momentan durch die Kontaktbeschränkungen einsam ist, kann - natürlich nach einem Schnelltest - in meinem Schlafzimmer einziehen und für einen Monat hier wohnen. Mit allen, die hier sind. Ich nehme gerne stattdessen ein echtes bachelor pad oder so eine gepflegte Frauenwohnung. Bitte melden Sie sich einfach, wenn Interesse besteht. Mein Standort ist Düsseldorf, aber wir arbeite ja alle remote. Fast alle.) Das alles hatte auch mein Mann wohl verstanden. Im Gegensatz zu mir hat der ja sogar auf unserem Grundstück ein eigenes kleines Haus ganz für sich alleine, in dem er einfach immer sein kann, aber der Gedanke an einen weiteren Zwangssozialkontakt hat auch ihm Angst gemacht. Manchmal denken wir doch gleich.
Jetzt hab ich ja doch was geschrieben, der erste Satz sollte ja einleiten, dass ich heute keine Lust habe, länger zu schreiben. Heute morgen war ich kurz melancholisch. Hier kommentiert ja kaum mehr jemand, und das macht es für mich sehr langweilig. Ich möchte ja Gespräche führen, und da ich ja ich bin, vorzugsweise aus der Distanz. Twitter ist da anders. Twitter nervt, ist aber so ein wichtiger Kontaktkanal zur Außenwelt geworden, dass mein wöchentlicher Vorsatz, das einfach nicht mehr zu nutzen, auch nie klappt. Aber die qualitativ hochwertigen Gespräche führen wir doch hier. Ich mache einen thematischen Aufschlag, Sie nehmen den auf, wir diskutieren ein wenig, vielleicht streiten wir ein wenig, das ist aber kein Problem, da Ihre Mühe, sich in mein Wohnzimmer zu begeben, das alles schon legitimiert, und dann erarbeiten wir uns gemeinsam ein Themengebiet. Bei einer Interaktionsrate von 0,01 wäre ich schon unfassbar gut unterhalten.
Ich habe da heute ein wenig drüber nachgedacht. Ich bin nicht eitel genug, um einfach was ins Internet zu schreiben, damit es da steht. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich kenne meine Gedanken und meine Geschichten, wenn ich möchte, kann ich sie Frau N auch am Telefon erzählen, so sie denn nicht dabei gewesen ist. Ich schätze den Austausch. Sonst könnte ich ja ein Buch schreiben, das dann keiner kauft. Das würde dann wenigstens schlecht besprochen. Und wer mir an dieser Stelle wirklich sehr fehlt, ist der verlässlich austauschorientierte mark793.
Ein alter Freund meines Mannes ist jetzt final verrückt geworden. Das erwarten wir von uns ja schon seit langer Zeit, in der aktuellen Situation ist es ja nur nachvollziehbar, dass man verrückt wird, der Freund meines Mannes ist allerdings schon vor Corona abgedriftet, linke Szene, viel Alkohol, viel Hasch, viel alternatives Leben. Mit Mitte 50 dann komplettes Durchdrehen, Flucht vor Frau und Kind nach Mallorca, da monatelang Tagelöhner, jetzt wieder in Deutschland, da auch monatelang irgendwo untergekommen, jetzt rausgeflogen, dann Menschen abtelefoniert, unter anderem meinen Mann. Ob er bis Juni hier wohnen könne.
Nein. Ich halte meinen Mann an vielen Stellen ja auch für höchstens mittelstark in der Entscheidungsfindung, ich musste da aber jetzt gar nicht nachhelfen. Wir brauchen keinesfalls noch eine weitere Person hier, und schon gar nicht jemanden, der verrückt ist. Wir alle suchen händeringend nach Minuten, die wir allein sein können (paradoxerweise kenne ich nur noch Menschen, die viel zu viel mit anderen Menschen zusammen sind und Menschen, die viel zu wenig mit anderen Menschen zusammen sind. Ich möchte an dieser Stelle anbieten, dass wir ein freiwilliges rotierendes System organisieren könnten. Wer momentan durch die Kontaktbeschränkungen einsam ist, kann - natürlich nach einem Schnelltest - in meinem Schlafzimmer einziehen und für einen Monat hier wohnen. Mit allen, die hier sind. Ich nehme gerne stattdessen ein echtes bachelor pad oder so eine gepflegte Frauenwohnung. Bitte melden Sie sich einfach, wenn Interesse besteht. Mein Standort ist Düsseldorf, aber wir arbeite ja alle remote. Fast alle.) Das alles hatte auch mein Mann wohl verstanden. Im Gegensatz zu mir hat der ja sogar auf unserem Grundstück ein eigenes kleines Haus ganz für sich alleine, in dem er einfach immer sein kann, aber der Gedanke an einen weiteren Zwangssozialkontakt hat auch ihm Angst gemacht. Manchmal denken wir doch gleich.
Jetzt hab ich ja doch was geschrieben, der erste Satz sollte ja einleiten, dass ich heute keine Lust habe, länger zu schreiben. Heute morgen war ich kurz melancholisch. Hier kommentiert ja kaum mehr jemand, und das macht es für mich sehr langweilig. Ich möchte ja Gespräche führen, und da ich ja ich bin, vorzugsweise aus der Distanz. Twitter ist da anders. Twitter nervt, ist aber so ein wichtiger Kontaktkanal zur Außenwelt geworden, dass mein wöchentlicher Vorsatz, das einfach nicht mehr zu nutzen, auch nie klappt. Aber die qualitativ hochwertigen Gespräche führen wir doch hier. Ich mache einen thematischen Aufschlag, Sie nehmen den auf, wir diskutieren ein wenig, vielleicht streiten wir ein wenig, das ist aber kein Problem, da Ihre Mühe, sich in mein Wohnzimmer zu begeben, das alles schon legitimiert, und dann erarbeiten wir uns gemeinsam ein Themengebiet. Bei einer Interaktionsrate von 0,01 wäre ich schon unfassbar gut unterhalten.
Ich habe da heute ein wenig drüber nachgedacht. Ich bin nicht eitel genug, um einfach was ins Internet zu schreiben, damit es da steht. Das interessiert mich überhaupt nicht. Ich kenne meine Gedanken und meine Geschichten, wenn ich möchte, kann ich sie Frau N auch am Telefon erzählen, so sie denn nicht dabei gewesen ist. Ich schätze den Austausch. Sonst könnte ich ja ein Buch schreiben, das dann keiner kauft. Das würde dann wenigstens schlecht besprochen. Und wer mir an dieser Stelle wirklich sehr fehlt, ist der verlässlich austauschorientierte mark793.
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Sonntag, 24. Januar 2021
Let it snow (gähn)
herzbruch, 18:55h
Ich beginne, diesen Text um 17.48 Uhr zu schreiben, und alles, woran ich noch denken kann, ist Schlaf. Ich habe mir aber vorgenommen, erst um 19.15 schlafen zu gehen, da ich das Norwegen Spiel noch gucken möchte. Das werde ich aber bettfein und horizontal tun, und wenn das Spiel schlecht ist, werde ich einfach einschlafen.
Ich führe ja das Leben einer Rock'n'Rollerin gefangen im Körper einer in die Jahre gekommenen Mutter, und daher schlage ich mir auch in Pandemiezeiten schon mal die Nächte um die Ohren. Heute morgen gab es aber wenig Gnade, trotz vieler Stunden Schlafmangels folgte ich Mann, Kind und Nachbarn auf die Schafwiese, um dort stundenlang zuzugucken, wie gerne völlig fremde Leute mit so einem völlig fremden Hund Schneeball spielen, da sie ja nicht schon seit Jahren nahezu jeden Tag Ballspielen müssen. Zwei Stunden ununterbrochen Schneebälle fangen und aufessen gibt bei so einem Hund übrigens das ein oder andere Verdauungsproblem. Just saying.
Nach 3 Stunden wieder zuhause stellte ich fest, dass meine Timeline heute Kartoffelpüree isst, was zu der wirklich schlechten weil nicht in mein Regime passenden Entscheidung führte, dass es statt Salat Kartoffelpüree und Blumenkohl geben muss. Ich muss mich an der Stelle eventuell geschlagen geben. Wenn ich rumsitze und in erster Linie nachdenke, kann ich sehr gut dosieren, was (aus meiner Perspektive) ungewünschte Nahrungsmittel angeht. Bei 20 cm Schnee im Garten und täglich 10 bis 12 Kilometern Hundetour möchte ich Kartoffelpüree essen. Dann mache ich das jetzt.
Ansonsten, bevor ich jetzt ins Bad gehe und dann den Pyjama anziehe, kann ich sagen, dass es sehr schön ist, Jonathan zu sehen, wie er plötzlich doch wieder einfach mein kleiner Junge ist, der mit der vierjährigen Nachbarin und deren Freundin riesige Schneerutschen baut und stundenlang rutscht. Das gefällt mir für den Moment deutlich besser als alles mit "K-Pop". Wenngleich das heutzutage selten ist.

Ich führe ja das Leben einer Rock'n'Rollerin gefangen im Körper einer in die Jahre gekommenen Mutter, und daher schlage ich mir auch in Pandemiezeiten schon mal die Nächte um die Ohren. Heute morgen gab es aber wenig Gnade, trotz vieler Stunden Schlafmangels folgte ich Mann, Kind und Nachbarn auf die Schafwiese, um dort stundenlang zuzugucken, wie gerne völlig fremde Leute mit so einem völlig fremden Hund Schneeball spielen, da sie ja nicht schon seit Jahren nahezu jeden Tag Ballspielen müssen. Zwei Stunden ununterbrochen Schneebälle fangen und aufessen gibt bei so einem Hund übrigens das ein oder andere Verdauungsproblem. Just saying.
Nach 3 Stunden wieder zuhause stellte ich fest, dass meine Timeline heute Kartoffelpüree isst, was zu der wirklich schlechten weil nicht in mein Regime passenden Entscheidung führte, dass es statt Salat Kartoffelpüree und Blumenkohl geben muss. Ich muss mich an der Stelle eventuell geschlagen geben. Wenn ich rumsitze und in erster Linie nachdenke, kann ich sehr gut dosieren, was (aus meiner Perspektive) ungewünschte Nahrungsmittel angeht. Bei 20 cm Schnee im Garten und täglich 10 bis 12 Kilometern Hundetour möchte ich Kartoffelpüree essen. Dann mache ich das jetzt.
Ansonsten, bevor ich jetzt ins Bad gehe und dann den Pyjama anziehe, kann ich sagen, dass es sehr schön ist, Jonathan zu sehen, wie er plötzlich doch wieder einfach mein kleiner Junge ist, der mit der vierjährigen Nachbarin und deren Freundin riesige Schneerutschen baut und stundenlang rutscht. Das gefällt mir für den Moment deutlich besser als alles mit "K-Pop". Wenngleich das heutzutage selten ist.

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Samstag, 23. Januar 2021
Tits
herzbruch, 11:19h
Ich bin heute um halb 9 aufgestanden. Das tagelange Warten auf verschiedene Einzelschrittchen eines Kunden hat mich mehr oder weniger dejetlagt, ich kann also wieder vor dem Mittagessen aufstehen, ohne dass mein Körper denkt, er müsse sterben. Heute Abend werde ich telefonisch ausgehen, erfahrungsgemäß wird das sehr lang werden, und dann ist morgen wieder alles hinüber. Ich habe die Familie soeben darüber informiert, dass ich heute sehr schlecht gelaunt sein werde, da ich plane, meinem immer noch anhaltenden Hunger bis 17 Uhr nicht nachzugeben, seitdem sind alle verschwunden und ich habe herrliche Ruhe. Hunger, aber Ruhe. Dann kann man auch was bloggen.
Ich kann mir diesen Fressflash der letzten Tage aus mehreren Komponenten zusammengesetzt ganz gut erklären, was jedoch nicht heißt, dass ich das jetzt so weiterlaufen lassen kann. Hinterher kann ich postpandemisch nicht mehr raus, weil ich die drei Treppenstufen zum Bürgersteig nicht alleine bewältigen kann, ohne, dass meine Knochen unter dem Gewicht bersten. Ich kenne das Gefühl berstender Knochen. Ich bin kein Fan.
Also geht es heute zurück zu dem üblichen Regime, mit dem ich lange Monate gut gelebt habe, nur mit dem Unterschied, dass ich sekündlich Hunger haben werde.
Dafür werde ich heute erstmals die neue Wanderrouten App ausprobieren. Das Internet hat mir ja nahegelegt, die anzuschaffen, und wenngleich ich ja da wohne, wo der gesamte Umkreis zum Spazieren hinfährt, ist mir langsam mal nach weg. Ich sehe auch am Hund, wie sehr sie sich aufregt, wenn sie alle 4 Wochen mal was anderes sieht als den eigenen Wald. Den sie natürlich toll findet, aber sie kennt alles und jeden. Fast.
Hin und wieder treffen wir ja Menschen im Wald, und obwohl ich seit langer Zeit immer Kopfhörer mit irgendwas auf den Ohren habe, komme ich manchmal nicht daran vorbei, mit Anderen zu sprechen. Frau N hatte das ja mal beschrieben, ich habe einen leicht einschüchternden Basisblick (oder vielleicht ist es etwas, das über mir hängt, so sagt sie), der dafür sorgt, dass ich nicht angesprochen werde. Das ist bewährt und gewollt, ich möchte ja auch nicht angesprochen werden, lebe damit also hervorragend. Ganz hin und wieder sind Leute so veranlagt, dass sie an der Stelle keine Antennen haben, und dann verfüge ich über zwei mögliche Reaktionen: Ich gehe einfach weiter, oder ich antworte kurz und prägnant, sodass das Gespräch automatisch nicht weitergeführt wird. (Manchmal bin ich übrigens auch sehr sehr nett. Gab es auch schon.)
Gestern lief ich einfach weiter, ich habe nicht einmal mit dem Kopf geschüttelt, als eine sehr alte Frau mit einem fuchtelnden Finger ein paar Meter hinter mir herlief und rief: "Hallo! Hallo! Ihr Hund hat meinem Hund das Stöckchen weggenommen."
Ich bin ja nie auf Spielplätze gegangen, als Jonathan klein war, da ich diese Diskussionen unter Eltern nicht zu schätzen wusste. "Ihr Sohn hat Jan-Luca sein Förmchen weggenommen", "Ihr Sohn hat Mathilda-Paula geärgert", alles nicht meine Baustelle, fand ich immer alles unangemessen anstrengend. So kamen wir irgendwann an ein Haus mit großem Garten. Als Ersatz für Spielplatzaufenthalte. Nun zeichnet sich mit den Jahren ab, dass so ein Hund auf sehr vielen Ebenen ein guter Kindersatz ist, man führt zumindest vergleichbar anstrengende Gespräche. Während man aber im Förmchenstreit mit Mathilda-Paulas Eltern nicht einfach weggehen kann, geht das natürlich sehr gut, wenn der Hund im Wald einem anderen Hund... Sie wissen schon. Auch anders als früher auf dem Spielplatz ist ja, dass mein Hund in der Regel der ist, der besser hört als der Hund der Gegenpartei, einfach, weil sie so ein Hund ist, der gut hört. Sie können den Satz im Kopf selbständig weiterführen.
Dann hatte ich gestern angekündigt, noch über Kreide zu schreiben. Ich hasse Kreide, Kreide ist schlimm, und außerdem habe ich nicht mehr viel Blogstamina für heute. Ich habe viele Jahre in Hörsälen mit Kreidetafeln unterrichtet, und da war alles schlimm. Die Hände fühlten sich furchtbar an, die Kleidung sah furchtbar aus, da ich nie die Geduld hatte, zu warten, bis irgendwas trocken ist, habe ich immer nur trocken gewischt, das führte zu Staublunge und viel, viel Kreide auf der Kleidung. Irgendwann hatte ich mal eine Freundin in einer Veranstaltung sitzen, die nach ein paar Minuten sehr eigenartige Verrenkungen machte, die ich nicht gut zu deuten wusste. Am Ende der 90 Minuten verließen alle den Hörsaal, und als wir alleine waren, sagte sie: "Du hast eine Hand auf der Titte."
Ja. Wörtlich, wir waren sprachlich nicht so elegant. Und tatsächlich, ich hatte mir wohl beim Anschreiben irgendwie so an die Brust gefasst, dass ich einen gesamten Handabdruck auf dem schwarzen Shirt hatte, ungefähr so, wie die Uruk Hai im Herrn der Ringe.
Wenn man keine Lust hat, die Geschichte aufzuschreiben, ist sie leider gar nicht lustig. Ich geh duschen. Ist ja Wochenende und ich bin bis 17 Uhr schlecht gelaunt.
Ich kann mir diesen Fressflash der letzten Tage aus mehreren Komponenten zusammengesetzt ganz gut erklären, was jedoch nicht heißt, dass ich das jetzt so weiterlaufen lassen kann. Hinterher kann ich postpandemisch nicht mehr raus, weil ich die drei Treppenstufen zum Bürgersteig nicht alleine bewältigen kann, ohne, dass meine Knochen unter dem Gewicht bersten. Ich kenne das Gefühl berstender Knochen. Ich bin kein Fan.
Also geht es heute zurück zu dem üblichen Regime, mit dem ich lange Monate gut gelebt habe, nur mit dem Unterschied, dass ich sekündlich Hunger haben werde.
Dafür werde ich heute erstmals die neue Wanderrouten App ausprobieren. Das Internet hat mir ja nahegelegt, die anzuschaffen, und wenngleich ich ja da wohne, wo der gesamte Umkreis zum Spazieren hinfährt, ist mir langsam mal nach weg. Ich sehe auch am Hund, wie sehr sie sich aufregt, wenn sie alle 4 Wochen mal was anderes sieht als den eigenen Wald. Den sie natürlich toll findet, aber sie kennt alles und jeden. Fast.
Hin und wieder treffen wir ja Menschen im Wald, und obwohl ich seit langer Zeit immer Kopfhörer mit irgendwas auf den Ohren habe, komme ich manchmal nicht daran vorbei, mit Anderen zu sprechen. Frau N hatte das ja mal beschrieben, ich habe einen leicht einschüchternden Basisblick (oder vielleicht ist es etwas, das über mir hängt, so sagt sie), der dafür sorgt, dass ich nicht angesprochen werde. Das ist bewährt und gewollt, ich möchte ja auch nicht angesprochen werden, lebe damit also hervorragend. Ganz hin und wieder sind Leute so veranlagt, dass sie an der Stelle keine Antennen haben, und dann verfüge ich über zwei mögliche Reaktionen: Ich gehe einfach weiter, oder ich antworte kurz und prägnant, sodass das Gespräch automatisch nicht weitergeführt wird. (Manchmal bin ich übrigens auch sehr sehr nett. Gab es auch schon.)
Gestern lief ich einfach weiter, ich habe nicht einmal mit dem Kopf geschüttelt, als eine sehr alte Frau mit einem fuchtelnden Finger ein paar Meter hinter mir herlief und rief: "Hallo! Hallo! Ihr Hund hat meinem Hund das Stöckchen weggenommen."
Ich bin ja nie auf Spielplätze gegangen, als Jonathan klein war, da ich diese Diskussionen unter Eltern nicht zu schätzen wusste. "Ihr Sohn hat Jan-Luca sein Förmchen weggenommen", "Ihr Sohn hat Mathilda-Paula geärgert", alles nicht meine Baustelle, fand ich immer alles unangemessen anstrengend. So kamen wir irgendwann an ein Haus mit großem Garten. Als Ersatz für Spielplatzaufenthalte. Nun zeichnet sich mit den Jahren ab, dass so ein Hund auf sehr vielen Ebenen ein guter Kindersatz ist, man führt zumindest vergleichbar anstrengende Gespräche. Während man aber im Förmchenstreit mit Mathilda-Paulas Eltern nicht einfach weggehen kann, geht das natürlich sehr gut, wenn der Hund im Wald einem anderen Hund... Sie wissen schon. Auch anders als früher auf dem Spielplatz ist ja, dass mein Hund in der Regel der ist, der besser hört als der Hund der Gegenpartei, einfach, weil sie so ein Hund ist, der gut hört. Sie können den Satz im Kopf selbständig weiterführen.
Dann hatte ich gestern angekündigt, noch über Kreide zu schreiben. Ich hasse Kreide, Kreide ist schlimm, und außerdem habe ich nicht mehr viel Blogstamina für heute. Ich habe viele Jahre in Hörsälen mit Kreidetafeln unterrichtet, und da war alles schlimm. Die Hände fühlten sich furchtbar an, die Kleidung sah furchtbar aus, da ich nie die Geduld hatte, zu warten, bis irgendwas trocken ist, habe ich immer nur trocken gewischt, das führte zu Staublunge und viel, viel Kreide auf der Kleidung. Irgendwann hatte ich mal eine Freundin in einer Veranstaltung sitzen, die nach ein paar Minuten sehr eigenartige Verrenkungen machte, die ich nicht gut zu deuten wusste. Am Ende der 90 Minuten verließen alle den Hörsaal, und als wir alleine waren, sagte sie: "Du hast eine Hand auf der Titte."
Ja. Wörtlich, wir waren sprachlich nicht so elegant. Und tatsächlich, ich hatte mir wohl beim Anschreiben irgendwie so an die Brust gefasst, dass ich einen gesamten Handabdruck auf dem schwarzen Shirt hatte, ungefähr so, wie die Uruk Hai im Herrn der Ringe.
Wenn man keine Lust hat, die Geschichte aufzuschreiben, ist sie leider gar nicht lustig. Ich geh duschen. Ist ja Wochenende und ich bin bis 17 Uhr schlecht gelaunt.
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